FAZIT zu "Der ehemalige Sohn"

Literaturhexle

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2. April 2017
19.444
49.885
49
Wie hat euch der Roman gefallen? Waren die Anmerkungen der Übersetzerin (ab S. 309) hilfreich?
Wie sieht euer Fazit aus?

Wir bitten euch an dieser Stelle ausdrücklich, ein spontanes Fazit über das Buch als Ganzes zu schreiben.
Eine Verlinkung eurer Rezension ist NICHT nötig.
 
Zuletzt bearbeitet:

ThomasWien

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19. März 2021
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Wien
Ich fange mal mit meinen Fazit an. Das Buch hinterlässt mich zwiegespalten. Den ersten Teil würde ich noch als Lesevergnügen bezeichnen, da mich vor allem die Monologe in den Bann gezogen haben (obwohl ich eigentlich kein Fan von Monologen bin). Im zweiten Teil war mir leider alles zu weit weg. Keine Sympathie, keine Empathie, hier fehlte mir zu viel und das Lesevergnügen verebbte. Dennoch muss man dem Mut des Autors Respekt zollen.

Anbei der Link zu meiner Rezi:

Liebe Grüße aus Wien
 
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Reaktionen: parden und RuLeka

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.885
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Der Anfang hat mich gleich mitgenommen: Die jungen pubertierenden Leute, die keine Lust auf Schule haben. Der Veteran, der mit seinen eigenen Erfahrungen die verdrehte Geschichte geraderückt und Zweifel sät. Der Aufbruch zum Konzert und die katastophale Massenpanik, die grandios und bildreich geschildert wurde.

Zisk fällt ins Koma. Ob er erwachen würde oder nicht, war von untergeordneter Bedeutung. Es ging jetzt mehr um Geschichten und Ereignisse, die dem Tiefschlafenden am Krankenbett erzählt werden, um Dialoge, die dort stattfinden. Da wurde sehr viel Politisches und Gesellschaftliches aus Belarus hineingepackt. Nicht alle Andeutungen konnte ich verstehen, vieles wirkte surreal, sarkastisch und übertrieben auf mich. Es hat mich einfach nicht erreicht, was die Lektüre zäh machte.
Zudem waren die Charaktere unnatürlich und stereotyp angelegt, insbesondere der Chefarzt und die Freundin Nastja, auch die Oma hat extrovertierte Züge. Die Habgier des Arztes steht wohl auch stellvertretend für die Gier der Oberen. RuLeka sprach von einer Parabel, das trifft es gut.

Die Handlung nach Zisks Erwachen hat mich wieder erreicht. Die Kameradschaft zwischen Zisk und Stass wirkt ehrlich und glaubwürdig, ebenso das teils tragische Ende.

Für mich also ein Hänger im Mittelteil. Ich werde auf drei Sterne in meiner Rezension kommen.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
3.050
7.678
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Wien
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Meiner Meinung gibt das Vorwort (so man es vor der Lektüre liest, und darüber könnte man auch schon trefflich streiten... :) ) die Interpretation vor. Ich konnte nicht anders als bei allem auf der Metaenbene zu überlegen und zu interpretieren. Das war es aber auch, was mir das Buch rausgerissen hat. Denn allein mit der Erzählung und der Sprache hätte ich mit dem Buch nicht viel anzufangen gewusst.Das Buch ist eine politische Metapher, das Koma des jungen Mannes eine Allegorie und die Monologe, die Berichterstattung der aktuellen Ereignisse eine literarische Spielart der Leserin das Land und die Geschichte Belarus zu erklären. Dafür wird es gesamt drei Punkte geben. Die Rezension muss ich noch ausformulieren.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Inhaltlich finde ich den Roman sehr wichtig. Viel zu lange wurde über die Missstände in Belarus hinweggesehen. Das Volk hat sich zu viel gefallen lassen, weite Teile des Auslands haben weggeschaut. Mit dem Roman wird das autoritäre Regime entlarvt. Und ich konnte mich beim Lesen dadurch weiterbilden. Auch die Idee mit dem zehnjährigen Koma mag ich.

Mit der Umsetzung des Themas bin ich nicht ganz zufrieden. Manche Figuren waren mir zu stereotyp, manches zu überspitzt. Auch der Filipenko-Schreibstil mit den langen Monologen löst bei mir keine Begeisterungsstürme aus. In diesem Fall kommt dann auch noch das unglückliche Marketing des Verlags hinzu (Spoiler in den Klappentexten), wofür der Autor aber natürlich nichts kann. Alles in allem ein wegen seines Inhalts lesenswerter Roman, aber einer mit Schwächen.

https://whatchareadin.de/community/...e-sohn-von-sasha-filipenko.25460/#post-106252
 

claudi-1963

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29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Also was das Politische anbelangt finde ich dieses Buch sehr interessant. Selbst wenn ich sagen muss, das ich nicht immer alles gleich verstanden habe was der Autor da geschrieben hat. Ist für uns, aus einem demokratischen Land sicher auch schwer alles nachzuvollziehen. Ich denke da können Leser die das diktatorische Regime Russlands besser kennen, sicherlich mehr nachempfinden. Trotzdem war ich über einige Szenen wirklich bestürzt, u.a. der Protest und seine Folgen, ebenso wie das was damals bei dem U-Bahn Unglück passiert ist. Das die Russen da nicht lange fackeln und wirklich hart durchgreifen war uns sicher allen klar. Doch das ganze hier wesentlich detaillierter zu lesen ist noch einmal etwas ganz anderes.
Ich hätte allerdings nicht gedacht, das dieses Buch so politisch werden würde.
Was mir so gar nicht gefallen hatte, war unter anderem der harte Ton der mitunter im Krankenhaus geherrscht hat. Besonders der Arzt und spätere Vater, den fand ich fast ein bisschen zu übertrieben dargestellt. Ich glaube nicht, das es wirklich so krass zugeht. Franzisk Großmutter dagegen hat mir sehr gut gefallen, besonders das sie so vehement sich gegen alle gestellt hat. Allerdings fand ich wie viele von euch den Tod von ihr viel zu früh. Mir hätte es besser gefallen, wenn sie noch miterlebt hätte wie Zisks aufwacht. Dann hätte sie ihm erzählen können was da alles los war. Doch ich glaube darum ging es dem Autor nicht. Ich denke das ihm die russische Politik und das Regime, das seine Heimat so verändert hat viel wichtiger war.
Leider hat mir auch das Ende nicht zugesagt. Nicht nur das es ein weiteres Unglück gab, lässt uns der Autor mit offenen Fragen zurück. Ich hasse solche offenen Enden, ich finde sie einfach unbefriedigend.
Und so werde ich mir noch ein klein wenig Zeit lassen um mir zu überlegen, was ich alles in die Rezension schreibe.

Trotz allem danke an den Diognes Verlag für das Buch.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Inhaltlich finde ich den Roman sehr wichtig. Viel zu lange wurde über die Missstände in Belarus hinweggesehen. Das Volk hat sich zu viel gefallen lassen, weite Teile des Auslands haben weggeschaut. Mit dem Roman wird das autoritäre Regime entlarvt. Und ich konnte mich beim Lesen dadurch weiterbilden. Auch die Idee mit dem zehnjährigen Koma mag ich.

Mit der Umsetzung des Themas bin ich nicht ganz zufrieden. Manche Figuren waren mir zu stereotyp, manches zu überspitzt. Auch der Filipenko-Schreibstil mit den langen Monologen löst bei mir keine Begeisterungsstürme aus. In diesem Fall kommt dann auch noch das unglückliche Marketing des Verlags hinzu (Spoiler in den Klappentexten), wofür der Autor aber natürlich nichts kann. Alles in allem ein wegen seines Inhalts lesenswerter Roman, aber einer mit Schwächen.

https://whatchareadin.de/community/...e-sohn-von-sasha-filipenko.25460/#post-106252

Nicht nur in Belarus, sondern allgemein in den Staaten die, die Sowjetunion für sich eingenommen hat. Da brauch man sich dann auch nicht wundern, wenn es irgendwann zu solchen Konflikten führt wie es im Augenblick in der Ukraine ist.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.527
24.557
49
66
Nun habe ich auch meine Rezension geschrieben. Wie ich schon geschrieben habe, hat das Buch für mich im Rückblick gewonnen. Wenn man es nicht als realistischen Roman liest, sondern als Satire, fallen manche Kritikpunkte weg. Außerdem ist es ein enorm wichtiges Buch, das uns hier die Augen öffnet für die Zustände in einem Land, das zwar immer wieder negativ in den Nachrichten auftaucht, von dem ich aber nicht so viel wusste.
https://whatchareadin.de/community/...der-ehemalige-sohn-von-sasha-filipenko.25646/
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.969
49
48
Ich hab´s dann auch geschafft :cool:. Ich darf einen Satz aus meiner Rezension hier als Fazit zitieren:

"...das Potenzial war damals schon vorhanden, allerdings noch nicht ganz „ausgereift“."

Alles weitere steht in meiner Rezension.
 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Zisks Koma erlaubt es wunderbar, dass verschiedene Charaktere frei sprechen, weil sie sich sicher fühlen – er kann sie ja nicht verraten. Filipenko prangert so die Absurditäten eines Regimes an, das seinem eigenen Volk mit Zensur die Luft abschnürt.

Die Sprache hat mich erst überrascht, aber ich hatte schnell den Eindruck, dass sie genau richtig ist für die Geschichte. Oft sehr knapp und prägnant, manchmal nüchtern, manchmal aber auch wütend oder verzweifelt, das passt gut zur jeweiligen Perspektive und Situation. Dynamisch ist die Sprache immer, auf mich wirkt sie nie wahllos oder vergeudet.⁣

Manche der Charaktere, besonders die Nebencharaktere, ⁣werden gnadenlos überzeichnet, quasi als Personifizierungen bestimmter Krisen und Missstände. Aber das funktioniert für mich, denn ich sehe das Ganze als gelungene satirische Parabel.