FAZIT zu "Das Bildnis des Dorian Gray"

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dieses Buch ist wirklich zurecht ein Klassiker der Weltliteratur. Der Wunsch nach ewiger Jugend scheint sich über die Jahrhunderte zu halten. Fast zufällig geht Dorian Gray einen Handel mit dem Teufel (der nirgends explizit erwähnt wird) ein. Die Spuren seines gelebten Lebens werden nicht dem eigenen Körper, sondern seinem künstlichen Ebenbild zugeschlagen. Das nutzt Dorian leidlich aus. Mit seiner Unschuldsmiene geht es sprichwörtlich über Leichen....

Das Geplänkel der gehobenen Gesellschaft, die Bonmots, die Charaktere.... - all das hat mich wirklich gut unterhalten. Man spürt den Sarkasmus des Autors, der eben jener Gesellschaft den Spiegel vörhält. Erschreckend, wie abfällig man sich öffentlich über die niedere Intelligenz von Frauen ausgelassen hat. Einzige Ausnahme die Cousine (?) des Lords; ihr Esprit wird auch bei den Herren anerkannt.

Obwohl Dorian seine Kritiker und Widersacher mundtot gemacht hat, findet er doch ein blutiges, gerechtes Ende.

Ein Buch, das Lust macht, noch mehr von diesem Autor zu lesen!
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Ein Buch, das Lust macht, noch mehr von diesem Autor zu lesen!
Leider ist dieser Roman der einzige, den er geschrieben hat, das andere sind Theaterstücke und Gedichte.

Ich schließe mich @Literaturhexle Fazit an. Obwohl wir im Sachbuch von Barnes schon viel über Dorian Gray gelesen haben, hat mich der Roman überrascht, vor allem das Ende. Gray verkörpert ebenso wie Lord Henry genau das Dandyhafte, das Barnes so hervorragend beschreibt. Dorian, für den die Schönheit das wichtigste Gut ist, geht daran zugrunde, mit seiner „wahren Schönheit“ konfrontiert zu werden, die das Bild widerspiegelt.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich bin froh, es noch mal gelesen zu haben. Wenn man den Inhalt auf die Eckdaten runterbricht - "reicher und schöner junger Mann wünscht, dass sein Porträt an seiner Stelle altern möge, was auch geschieht; der junge Mann hat damit einen Freifahrtschein für ein lasterhaftes Leben und nutzt das auch voll aus, bis ihm beim Anblick des hässlich gewordenen Bildes graust und er das Bild und damit sich selbst vernichtet" - könnte man meinen, man habe es mit einem moralinsauren Buch zu tun. Das ist aber gar nicht der Fall. Im Gegenteil, ich fand viele der Überlegungen, die Wilde Dorian in den Mund legt, hochinteressant. Zum Beispiel der Gedanke, dass Strafe und Buße dem Menschen besser tun als Vergebung. Das erinnert mich an die Menschen, die sich selbst (wörtlich oder metaphorisch) geißeln, um sich besser zu fühlen ...

Auch sprachlich finde ich das Buch absolut überzeugend. Allerdings heißt es in dem Nachwort, das meiner Ausgabe beigegeben ist, dass Wilde nach Fertigstellung des Dorian Gray zum Schluss gekommen sei, Romanschreiben liege ihm nicht: "Ich fürchte, sie (die Erzählung) ähnelt ziemlich meinem eigenen Leben - nur Konversation und keine Handlung. Ich bringe keine Handlung zustande. Meine Personen sitzen in Fauteuils und plaudern" soll er in einem Brief geschrieben haben. Von seinem Prosawerk ist, soweit ich weiß, nur noch das Gespenst von Canterville richtig bekannt geworden.
 

Skadi Auriel

Mitglied
12. März 2021
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publish.bookmundo.de
Mich hat das Buch überrascht, da ich dachte, dass es nur trocken wäre. Aber es zeigt wie sich jemand entwickelt, der sich nicht moralisch verhält und das ganz offen über das Bild. Das Bild ist eine gute Metapher für die Veränderungen bei einem Menschen, aufgrund seiner Taten. Auch die Frage ist, was ich tue ich mit so einem Geschenk der ewigen Jugend und damit auch Gesunhdeit? Wie nutze ich es? Welchen Vorbildern renne ich hinterher? Wann ist es zu spät für mich? Reicht eine gute Tat aus, um mein Antliz wieder rein zu machen? Das Buch hatte für mich auch einen warnenen Aspekt. Fand es gut, auch wenn die philosophischen Gespräche nicht so meines waren.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Wann ist es zu spät für mich? Reicht eine gute Tat aus, um mein Antliz wieder rein zu machen?

Das mit der "guten Tat" finde ich genial ausgedacht. Dass das Bild hinterher noch hässlicher aussieht statt besser, wie Dorian wohl erwartete, spricht eher dagegen, dass es sich wirklich um eine "gute Tat" handelte. Dorian hat das Mädchen nicht "verschont", wie er es nennt, weil er ihr nicht wehtun wollte, sondern um selbst gut dazustehen, im wahrsten Wortsinn "gut auszusehen". Es geht ihm mehr um sich selbst als um das Mädchen, und folglich sieht er auf dem Bild nach wie vor aus wie ein fieser Egoist reinsten Wassers. :p