FAZIT zu "Barbara stirbt nicht"

wal.li

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1. Mai 2014
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Am Schluss habe ich mir das Buch nochmal in Ruhe angeschaut und festgestellt, do eine Kaffeekanne mit Porzellanfilter habe ich auch. Bei mir landet das Kaffeepulver mehr in der Filtertüte.
So richtig sympathisch wurde mir Walter nicht. Dafür hat er vor zu vielem die Augen verschlossen, eigentlich durch sein ganzes Leben. Ob er Barbara tyrannisiert hat? Irgendwie schon, aber sie hat es sich auch gefallen lassen. Manche seiner Sprüche fand ich sehr witzig. Vielleicht waren sie aber nicht mal so gemeint. Sie wirken nur so, weil sie aus heutiger Sicht so abwegig scheinen. Trotzdem hat mir die Schreibe, kurz und prägnant gut gefallen.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich bin unschlüssig nach der Lektüre.
Es handelt sich um einen Roman, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Trotz moderner Bezüge (Patchwork, blaue Haare, etc). wirkt er auf mich wie ein Roman von vor mindestens 50 Jahren. So naiv. Naiv ist das Wort, das mir am ehesten zu passen scheint.
Gibt es bei uns noch Walters? Ich glaub nicht. Die Walters heute wählen Afd und randalieren.
Für mich gehört der Roman ein bisschen in die Puckizeit oder zur Heidi oder oder ... jedenfalls eine sehr altertümliche Läuterungsgeschichte. Nett gemacht. Und ohne Zweifel humorvoll. Aber aber aber. Überholt halt.
Sehnen sich die Menschen /LeserInnen heute wirklich wieder nach HeileWeltBüchern? Nach unglaubwürdigen, naiven Läuterungsgeschichten? Ich habe überwiegend positive Besprechungen gelesen. Und Petra Hartlieb schreibt auch so harmlose Liebseinbüchlein mit rosa Schleifchen. Und Backmann. Wird das wieder modern, weil unsere Welt so kompliziert geworden ist?
Nett geschrieben. Ohne Zweifel. Ich habe mich auch etwas amüsiert. Aber halt so unmodern.
Muss überlegen, wie ich dieses Buch rezensiere.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ja, Wanda, natürlich gibt es viele Leser, die sich nach Heile-Welt-Lektüre sehnen. Das wissen wir doch;)
Aber ist das hier wirklich eine solche? Ich finde nicht!
Und genau diese Ambivalenz zwischen ernsthafter Literatur und Humor macht mir zu schaffen. Allein der Hintergrund der siechenden, sterbenden Frau ist tragisch und wird jeden anrühren, der schon mal einen Menschen an den Krebs verloren hat. Komisch nur, dass kein Arzt in der Nähe war. Auch Schmerz wurde ausgespart. Strange...

Solche Walters gibt es. Meist sind sie 10 Jahre älter als dieser hier. Aber es gibt sie. Allerdings hätte ich es für realistischer gehalten, wenn unser Walter ein Büromensch (wie Herr Krause aus"Papa ante Portas";)) gewesen wäre. Das hätte die vollig lebensuntaugliche Seite an ihm erklärt.

Im Angesicht des drohenden Verlustes verändert sich Walter, kann aber nicht völlig aus seiner Haut raus. Immer ist er hin- und hergerissen. Einerseits braucht er Unterstützung, andererseits lehnt er sie brüsk ab. Er kann keine Gefühle zulassen und auch keine sehen (Bsp. Tränen bei Sebastian). Die alten Denkmuster seiner Mutter sind noch zu tief eingebrannt.

Ihr seht, ein "spontanes Fazit", wie hier gefordert, fällt mir schwer. Die ernste Seite des Romans gefällt mir an sich gut. Allerdings ist mir zuviel Comedy hineingestrickt. Zum Schluss kommt noch der behinderte Sohn um die Ecke, der die sprachlose Ehe mit erklären soll. Ein bisschen too much, alles in allem.

An sich habe ich das Buch nach unseren zweifellos gewichtigeren Büchern wie bspw. "Dunkelblum" gerne gelesen. In Summe werde ich wohl auf wohlmeinende 4 Sterne kommen. Dass Bronsky keine Menasse ist, wusste ich vorher und das geht auch klar aus der optischen Aufmachung und der Verlagsbeschreibung hervor. Das darf man diesem Roman nicht vorwerfen. Ich habe allerdings in Summe etwas durchgängig Leichteres erwartet.

Reicht euch das als erstes Fazit?
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich verstehe was du meinst, und es ist auch so von der Autorin beabsichtigt, woher sie wohl einen Qualitätsanspruch ableitet. Ich sehe das aber nicht. Es ist eben so, dass das Schwere total heruntergebrochen wird und von da her kann ich es auch nicht ernst nehmen. Und das sind HeileWeltGeschichten im moderneren Sinn, aber immer noch HeileWeltGeschichten. Und dabei gehts nicht darum, ob es gut ausgeht. Sie werden wie ein Baiser serviert. Ich finde das amüsant. Deshalb schrieb ich keinen Verriss. Aber mehr ist es halt für mich nicht.

Und ich finde, es gibt keine Walthers mehr. Wenigstens kann man sie mit der Lupe suchen.
 

Literaturhexle

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Und ich finde, es gibt keine Walthers mehr. Wenigstens kann man sie mit der Lupe suchen
Ja, das denk ich auch. Die sind weitgehend ausgestorben. Ein Exemplar kommt mir allerdings schon noch in den Sinn...
Egal.


woher sie wohl einen Qualitätsanspruch ableitet.
Das ist ihr Stil. Das war bei Baba Dunja auch schon so ähnlich. Die Geschichte spielte in Tschernobyl (alles verstrahlt). Manches war aber auch skurril und humorig...
Das fällt mir jetzt wieder ein.
 

hulahairbabe

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16. März 2020
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Spontanes Fazit: Mir hat das Buch gefallen. Ich weiß nicht ob 5 Sternchen oder 4, in jedem Falle war es unterhaltsam und hat mich mitgenommen. Positiv fand ich die Mischung zwischen Ernsthaftigkeit und Humor. Ich mochte den Kontrast und dass mich das Buch dazu gebracht hat die komplette Klaviatur meiner Gefühle zu nutzen (Wut, Traurigkeit, Heiterkeit...). Etwas überzogen fand ich die Geschichte rund um Medinski. Das war's dann aber auch schon an Kritik. Mir ist der stoffelige alte Walter etwas ans Herz gewachsen :)
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich habe das Buch im Großen und Ganzen auch gerne gelesen. Mich konnte die Geschichte mehrfach berühren. Klar, Walter ist nicht der typische Sympathieträger, aber ich finde, man kommt ihm beim Lesen recht nahe. Am Ende konnte ich sein Verhalten zwar nicht komplett nachvollziehen und kann seine Ansichten nicht gutheißen. Aber ich habe trotzdem mit ihm gefühlt.

An ein oder zwei Stellen war mir der Roman etwas zu drüber. Weitestgehend finde ich ihn aber schon realitätsnah. Für mich hat das mit dem Humor auch gepasst. Ich weiß nicht, ob ich es hätte lesen wollen, wenn es nur ernst gewesen wäre. Es werden bei mir wohl auch vier Sterne.
 

Renie

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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Heute habe ich einen Durchmarsch gemacht und die letzten beiden Leseabschnitte verschlungen. Der Roman hat mich berührt, ohne rührselig zu sein. Am Ende schoß mir durch den Kopf, dass so, wie Barbara mehr und mehr aus dem Leben entschwindet, Walter endlich anfängt zu leben und langsam seine Ich-Bezogenheit verliert. Diese Entwicklung war für mich glaubhaft dargestellt.
Der Roman hat mir richtig gut gefallen. Anfangs zum Brüllen komisch, Dank Ekel Walter, und zum Ende hin ernsthaft und traurig, mit einem Funken Hoffnung. Ein gelungenes Rezept für einen Roman!
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Ein Buch das mich zum Schmunzeln gebracht und berührt hat. Das Ende fand ich allerdings etwas zu abrupt und abgehackt. Ich hätte doch gerne noch erfahren wie die Geschwister auf Artur reagiert hätten.
Aber es zeigt schön zu was Männer fähig sein können wenn sie nur wollen. Es zeigt aber auch wie schön, wie sehr man doch am Leben seines Partners hängt und den Tod nicht wahr haben möchte.
Es ist einfach schlimm wenn man seinem Ehepartner beim Sterben zusehen muss. Da ist es kein Wunder wenn man den lieber verdrängen würde.

Wirklich ein sehr gut geschriebenes Buch über den Umgang mit Tod und Krankheit.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Zum Schluss kommt noch der behinderte Sohn um die Ecke, der die sprachlose Ehe mit erklären soll. Ein bisschen too much, alles in allem.
Ja, den behinderten Sohn hätte ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht mehr gebraucht. Zumal er so unliebsam ganz am Ende platziert wurde, wie wenn sie noch Seiten hätte füllen müssen.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Gibt es bei uns noch Walters? Ich glaub nicht. Die Walters heute wählen Afd und randalieren.
Für mich gehört der Roman ein bisschen in die Puckizeit oder zur Heidi oder oder ... jedenfalls eine sehr altertümliche Läuterungsgeschichte. Nett gemacht. Und ohne Zweifel humorvoll. Aber aber aber. Überholt halt.
Es gibt sie und sie wählen nicht unbedingt AfD.

Sehnen sich die Menschen /LeserInnen heute wirklich wieder nach HeileWeltBüchern? Nach unglaubwürdigen, naiven Läuterungsgeschichten?
Ich empfinde es nicht als Heile-Welt-Buch. Für Herrn Schmidt bricht am Ende alles zusammen. Er verliert seine Frau und erkennt seine Fehler. Ganz geläutert ist er trotzdem nicht, zum Glück für die Glaubwürdigkeit, aber es ist ein Anfang.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich habe das Buch (mal wieder) als Verdrängungsgeschichte gelesen. Die Kapriolen, die Walter schlägt, um nicht den Tatsachen ins Auge blicken zu müssen, sind großartig beschrieben. Ein Beispiel: Plötzlich ist vom Pflegedienst die Rede, der ein Weihnachtsgeschenk bekommen soll, Kein Wort darüber von Walter, dafür Rezepte und Hundespaziergänge. Das ist einfach gut gemacht.

Ich werde mich den vier Sternen von @Literaturhexle anschließen und habe das Buch wesentlich lieber gelesen als "Der Zopf meiner Großmutter". Gute Unterhaltung, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ob es den behinderten Sohn wirklich brauchte? Eher nicht für mich. Genau wie die Facebook-Karriere war es mir etwas zu viel.

Die Perspektive hat eindeutig den Reiz des Romans für mich ausgemacht. Würde die Autorin die Geschichte auch noch aus der Sicht von Karin, Sebastian oder Hanne schreiben, ich wäre dabei.