FAZIT zu "Ballade vom Tag..."

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wie hat euch der Roman gefallen? Passt das Cover zum Buch? Bitte gebt uns ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich habe das Buch mit einer enormen Intensität gelesen. Die Sprache Gert Loschütz' und die fast schon schmerzhaft spürbare Melancholie haben mich mitgerissen und begeistert.

Der Roman hat meine durch "Besichtigung eines Unglücks" vorgefertigte Meinung über den Autoren bestätigt und sogar noch einmal erhöht. Ich bin glücklich, dass der Verlag diesen Roman noch einmal veröffentlicht hat, seine zeitlose Qualität rechtfertigt dies in meinen Augen.

Das Cover finde ich von den Kulissen und den Farbtönen stimmig, von den Figuren bzw der Frauenfigur jedoch nicht. Ich möchte ihr das Fahrrad wegnehmen und dafür den kleinen Karsten an die Hand geben.

Ansonsten merkt ihr es ja: klare fünf Punkte von mir inklusive Verbeugung und der Auftrag an mich selbst, nach und nach alles von Gert Loschütz zu lesen...
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich kann mich hier @Christian1977 absolut anschließen. Ein sprachlich und inhaltlich überragend konzipiertes Kleinod, dass einen verdienten Platz in meiner Stammbibliothek erhält.
Ich habe schon lange nicht mehr so viele Bookdarts in ein Buch "geworfen", um mir die ganzen großartigen Sätze, Bilder etc. zu markieren. Keine Ahnung, wie ich sie wohin übertrage, denn auf die Dauer kann ich die Darts da nicht drinlassen ha ha ha.
Jetzt werde ich erst recht zu der Lesung am 29.4. in unsere Stadtbibliothek pilgern, um das Buch durch eine Signatur noch einmal aufwerten zu lassen :) Großartig! :cool:
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dass Gert Loschütz ein großartiger Autor ist, daran gibt es keinen Zweifel. Seine Wortschöpfungen, seine Treffgenauigkeit, Formulierungskunst und seine sprachgewaltigen Bilder suchen ihresgleichen.

Über weite Teile des Romans konnte mich die erzählte Geschichte auch begeistern. Zum Ende hin zog sie sich, stand auf der Stelle, gab es keine Entwicklung mehr. Der unzuverlässige Erzähler macht es zudem schwer, Wahrheit und Fantasie des Protagonisten zu differenzieren.

Ich bin gerade ziemlich ratlos und erhoffe mir von euch noch etwas Aufklärung zwecks Auflösung meiner Fragezeichen.

Spontan habe ich den Eindruck, dass Loschütz sich hier für seine späteren Bücher warm gelaufen hat. Ob nun 3 oder 4 Sterne - ich weiß es noch nicht. Das muss sich setzen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mein Fazit fällt durchwachsen aus. Gert Loschütz kann sehr gut schreiben, er findet wunderbare Formulierungen und kann nachvollziehbar Atmosphäre schaffen. Aber gute Sätze machen noch keinen gute Roman.
Dein die eigentliche Geschichte konnte mich nicht erreichen. War das FluchtErlebnis in der Kindheit noch interessant und sein Verlorensein in der neuen Heimat erklärbar, so blieb mir der Erwachsene völlig fremd. Meine Kritik an ihm deckt sich mit der seiner Freundin Vera: ein Mann, der permanent nur um sich selbst kreist, sein kindliches Traumata hegt und pflegt, anstatt es zu bewältigen, als Erwachsener sich noch mit Gewaltphantasien rächt.
Aber gut, man muss einen Protagonisten nicht mögen ( ich muss ja Gott sei Dank nicht mit ihm zusammenleben, sondern kann das Buch zuschlagen und ins Regal stellen - hinter die beiden anderen Romane von Gert Loschütz, die ich für gelungen halte).
Aber der Autor sollte mir seine Figur in einer Geschichte nahebringen und das hat Gert Loschütz hier nicht geschafft. Lose Fäden vom Anfang werden z.T. irgendwo zurückgelassen, andere erweisen sich als reines Phantasieprodukt, neue Fragen stehen am Ende. Ratlos lässt mich der Roman zurück.
Hat der Verlag aus kommerziellen Gründen, um an den Erfolg von Gert Loschütz‘ letzten Büchern anzuknüpfen, dieses 30 Jahre alte Buch neu aufgelegt? Warum nicht?
Für mich war es leider eine Enttäuschung.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Meine Kritik an ihm deckt sich mit der seiner Freundin Vera: ein Mann, der permanent nur um sich selbst kreist, sein kindliches Traumata hegt und pflegt, anstatt es zu bewältigen, als Erwachsener sich noch mit Gewaltphantasien rächt.
Dein Fazit ist sehr treffend!
Mir geht es wie dir: die beiden anderen Romane haben mich wirklich begeistert. Sie verfügen über Atmosphäre und Sprachbrillanz, sind zudem aber auch noch bis zum Ende durchstrukturiert.
Offene Fragen dürfen ja bleiben. Aber hier hängen Erzählstränge in der Luft und ich verstehe nicht, warum sie erzählt wurden.
Vielleicht bin ich zu blöd für das Buch:(
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Vielleicht ist es ein Buch, das nur Männer verstehen? Vielleicht können die uns den tieferen Sinn erklären.
Glaub ich nicht. Vielleicht hatte ich mich eher damit abgefunden, nicht auf jede offene Frage eine Antwort haben zu müssen. Vieles kann auch ich nur vermuten, raten, wie zB Götz' Krankheit oder dieser italienische Revolutionär. Aber ehrlich gesagt störte mich das gar nicht. Vielleicht bin ich einfach geblendet oder überwältigt von Loschütz' Art zu erzählen, von dieser Melancholie.

Allerdings ist das glaube ich auch etwas sehr Persönliches, was bei mir mitschwingt: Ich habe irgendwie ein Herz für traurige, tragische und leidende Männer in der Literatur (klingt übertrieben, ist aber so, bitte nicht psychologisch hinterfragen ;) ). Bei Anton spürte ich das ganz stark wieder in "Das Versprechen" und hier erneut.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ob nun 3 oder 4 Sterne - ich weiß es noch nicht. Das muss sich setzen.
Das muss sich bei mir jetzt auch erstmal setzen. Der Schock!:eek: (Außerdem habe ich jetzt erstmals entdeckt, wie man diese Smileys einfügt und muss mich nicht mehr auf blödes Grinsen oder Zwinkern beschränken)
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Das muss sich bei mir jetzt auch erstmal setzen. Der Schock!:eek: (Außerdem habe ich jetzt erstmals entdeckt, wie man diese Smileys einfügt und muss mich nicht mehr auf blödes Grinsen oder Zwinkern beschränken)
Mh, dann bin ich hier wohl (ausnahmsweise) der Erste - ich werde heute Nachmittag meine Rezension beenden und einstellen. Aber jetzt geh ich erst mal Sushi essen ha ha ha.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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@Christian1977
Wie gut, dass auch du noch bei uns dazulernen kannst- zumindest wenn es um Smileys geht.... :p
Ich hab schon nach oben gerated (siehe LA 4). Die schriftstellerische Qualität ist schon einzigartig. Da ist vieles drin, was mich fasziniert hat.
Ja, und den Revolutionär kann ich auch nicht einordnen. Das muss man mal so stehen lassen.
Ich gebe dem Roman 4 Sterne. Es war ein früheres Werk und ich sehe einen Unterschied zu seinen aktuelleren Büchern, die einfach klarer und leichter verstehbar sind. Es gibt für mich eine Abstufung an der Stelle. Aber 3 Sterne wären ungerecht.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
:). Bei mir musste sich nur der Schock über die angedrohten drei Hexle-Sterne setzen, nicht meine Rezension. Die veröffentliche ich jetzt.
Vielleicht schockiere ich dich noch mehr, ich bin noch unentschieden.

Ich fühle mich von solchen Büchern, in denen mir nur Brocken zur Interpretation hingeworfen werden, etwas veräppelt. Der Autor wird los, was er schon immer irgendwo unterbringen wollte, und ich soll mir eine Reim drauf machen. Wie gesagt, ich interpretiere gern, aber eine solide Grundlage sollte schon da sein.

Trotzdem: Die beiden mittleren Teile haben mir besser gefallen und über die Sprache und teilweise die Atmosphäre sind wir uns einig.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Allerdings ist das glaube ich auch etwas sehr Persönliches, was bei mir mitschwingt: Ich habe irgendwie ein Herz für traurige, tragische und leidende Männer in der Literatur (klingt übertrieben, ist aber so, bitte nicht psychologisch hinterfragen ;) ).
Ich auch manchmal, aber nicht dann, wenn sie sich darin suhlen. Das macht mich eher wütend und aggressiv.

Für mich ist das übrigens ein typisches Männerbuch.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Vielleicht schockiere ich dich noch mehr, ich bin noch unentschieden.
Nein, denn bei @RuLeka und dir las ich schon vorher heraus, dass bei euch nicht die größte Begeisterung herrscht. Als ich beim Hexle aber diese Ziffer 3 aufblitzen sah, traf es mich wie ein Schlag. ;)
Für mich ist das übrigens ein typisches Männerbuch.
Diese Rubrik müsste hier erst angelegt werden :).

Aber unabhängig davon, hmm, finde ich gar nicht. Der King und ich waren sehr angetan, aber wir weinen auch beim "kleinen Lord". Für ein "typisches Männerbuch", falls es das überhaupt geben sollte, ist das Erzähltempo glaube ich zu langsam. Vielleicht ist aber auch das nur ein Vorurteil.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Als ich beim Hexle aber diese Ziffer 3 aufblitzen sah, traf es mich wie ein Schlag. ;)
Ja, ich fühlte mich geschwind mal im Regen stehen gelassen. Zum Glück hast du mir einen Schirm gebracht;)

Der King und ich waren sehr angetan, aber wir weinen auch beim "kleinen Lord".
Seid ihr süß:cool:

Ein literarisches Männerbuch vielleicht. Das von Denis Scheck und Konsorten gefeiert wird.
Diese Männerbefindlichkeiten können mich schon auch nerven. Aber hier haben mich die schönen Formulierungen darüber hinweg getragen. Außerdem hat Loschütz auf alles Sexuelle verzichtet. Das gehört ja zur Männerbefindlichkeit meist dazu und zwar ausufernd.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Mein Fazit fällt durchwachsen aus. Gert Loschütz kann sehr gut schreiben, er findet wunderbare Formulierungen und kann nachvollziehbar Atmosphäre schaffen. Aber gute Sätze machen noch keinen gute Roman.
Du sprichst mir aus dem Herzen!
Aber der Autor sollte mir seine Figur in einer Geschichte nahebringen und das hat Gert Loschütz hier nicht geschafft.
Das sehe ich auch so, auch wenn die Figur authentisch ist, möchte man sich nicht näher mit ihr beschäftigen. Gute Sprache und Atmosphäre alleine reichen nicht.
Mich stören auch die offenen Fragen, auch wenn ich gerne interpretiere, aber dafür fehlt hier die Grundlage. Rezension wird folgen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Nun bin ich doch nur bei guten drei Punkten gelandet. Sprachlich großartig, doch das hat leider nicht gereicht, um mich von diesem Roman zu überzeugen.
 
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Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
www.circlestonesbooks.blog
Sprachlich hat er mich wieder überzeugt, besonders auf Seite 192-193 war ich endgültig mit dieser Geschichte (Ballade?) versöhnt. Ich hatte das Buch zunächst mit Unterbrechungen gelesen und stand am Schluß mir vielen Fragezeichen in den Gedanken da, großen Fragezeichen. Also habe das Buch gestern nochmals gelesen, vom Anfang bis zum Ende ohne Unterbrechung, auf der Suche nach kleinen Bemerkungen, Halbsätzen, irgend etwas, das ich übersehen hatte und das mir zumindest einige Fragen beantwortet. Aber für mich bleiben es Fragemente, Episoden, unruhig, rastlos, zwischen Zeiten und Orten hin- und herschwirrend, wie das Leben des Protagonisten, der nie in seinem neuen Leben angekommen ist, die Wut des Zehnjährigen, nicht ankommen zu wollen, in Verbindung mit den Erinnerungen, die an ihm immer noch kleben und in Verbindung mit Zorn und Trauer über den Tod seiner Mutter.
"Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muß man es aber vorwärts." An diese Aussage von Kierkegaard musste ich beim Lesen schon nach den ersten Seiten denken.
 
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