Erneut hat mich Kathy Page begeistert. Ich bewundere Autoren, die WIRKLICH viele Themen aufgreifen und beschreiben können und nicht immer nur um ihr eigenes (kleines) Ego kreisen.
Alphabet bringt uns direkt nach der Lektüre von "Shuggie Bain" erneut heraus aus unserer Wohlstandsblase. Wir werden wieder mit einem Jungen aus prekären, vernachlässigten englischen Verhältnissen konfrontiert, dem es gelingt, mit eigener Kraft und Willensstärke eine Veränderung in Gang zu setzen. Leider hat Simon dafür lange gebraucht. Leider hat er nicht schon in der Kindheit einen wohlmeinenden Mentor gefunden, der seine Talente fördert.
Stattdessen hat sich Simon zu einem unkalkulierbaren, cholerischen jungen Mann entwickelt, der ein großes Problem mit Sexualität und Frauen hat. Er explodiert und bringt eine junge Frau um! Seine Entwicklung startet daher erst im Strafvollzug.
Vielleicht werden sein Intellekt und seine Lernbereitschaft ein wenig überzeichnet. Das sehe ich dem Roman aber nach. Es geht um die Kraft, die dahinter steht. Der Prozess erfolgt nicht holterdiepolter und schnurgerade, sondern ist mit Rückschlägen, Höhen und Tiefen gepflastert.
Alle Charaktere werden detailliert geschildert, die verschiedenen Handlungsorte bildreich und atmosphärisch beschrieben. Der Schreibstil überzeugt. Ein großes Plus dafür, dass das Ende nicht auserzählt wird. Eine solch tragische Geschichte mit einem umfänglichen Happyend - das würde einfach nicht passen!
Von mir bekommt der Roman die Höchstwertung!