FAZIT und Nachwort zu "Seht mich an"

Literaturhexle

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2. April 2017
19.240
49.144
49
Wie hat euch der Roman als Ganzes gefallen? Welche neuen Erkenntnisse gibt euch das Nachwort von Daniel Schreiber?
Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 
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GAIA

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27. Dezember 2021
2.228
10.395
49
Thüringen
Ach Mist, mal wieder habe ich schon im letzten LA etwas zum Nachwort geschrieben. Irgendwann merke ich mir das mal noch... ;)

Insgesamt hatte ich nach dem ersten Leseabschnitt viel mehr ... Bewegung (?) ... erwartet. Der Roman beginnt mir den unglaublich klugen Beschreibungen nicht nur der Kunstwerke, sondern auch der Abbildung von (Geistes-)Krankheit und Tod in der Kunst, einer Darstellung der Bibliothek und ihrer Mitarbeiter/Besucher und Frances anachronistischer Art zu leben und ihrer Einsamkeit nach dem Tod der Mutter. Dass sich danach die Gedanken und auch Handlungen der Ich-Erzählerin immer wieder vor und zurück bewegen, immer wieder um ihre Einsamkeit, die sich nicht zu überweinden vermag, herumbewegt, hat mich über die gesamte Länge des Romans die Geduld mit ihr verlieren lassen. Die Darstellung der ebenso einsamen Nebenfiguren ist durchaus gelungen, aber insgesamt hatte Frances das Potential sich über den Roman hinweg zu entwickeln. Sie steckt aber fest und ebenso fühlte ich mich so, als ob ich in diesem Roman feststecke. Trotz der tollen Schreibe der Autorin, mit ihrem Scharfsinn in vielen klug formulierten Sätzen, bin ich sogar immer häufiger eingenickt während des Lesens. Im Nachwort spricht Daniel Schreiber von "kühlem Humor", den konnte ich leider auf keiner Seite entdecken. Da scheine ich ganz andere Antennen für Humor zu haben. Insgesamt wirkt der Roman aus der Zeit gefallen und meines Erachtens ist zwar das Thema Einsamkeit zeitlos, der Roman aber leider nicht.

Insgesamt bewege ich mich bei glatten 3 Sternen, da ich im tollen Schreibstil der Autorin sehr gern einen inhaltlich anderen Roman gelesen hätte.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
321
1.501
44
Mit ruhiger Stimme, sprachlich hochwertig beschreibt die Autorin alle Facetten der Einsamkeit. Auf ironische Weise und aus einer gewissen Distanz beschreibt sie Personen und Charaktere sehr präzise. Mit feinem psychologischem Gespür bringt sie uns die Gedanken, Gefühle, Hoffnungen und auch die Verzweiflung der Protagonistin näher. Es ist eine Analyse menschlicher Beziehungen.
Ich schwanke zwischen 4 und 5 Sternen.
 

alasca

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13. Juni 2022
2.972
9.418
49
Insgesamt hat mir der Roman gefallen - zwar liest er sich wie aus der Zeit gefallen, aber es gibt so viele eindrückliche Szenen, die mich wirklich stark angerührt haben, dass ich das nicht so schwerwiegend finde.

Es wird bei mir wohl auf 4 Sterne hinauslaufen.

Das Nachwort fand ich ziemlich klug - vor allem was der Verfasser über das heutige Alleinleben sagt, das ja in der Tat nicht so glamourös und selbstbestimmt ausfällt wie es häufig idealisiert wird.
 
Zuletzt bearbeitet:

Die Häsin

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11. Dezember 2019
4.552
16.305
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Rhönrand bei Fulda
Ich bin, wie ich zum letzten LA bemerkte, hin und hergerissen und weiß nicht recht, wie ich das Buch beurteilen soll. Ein großer Teil von Frances' Elend scheint mir relativ leicht abzustellen, wenn sie mal über ihren Schatten springen würde und die Möglichkeiten nutzen würde, die eine junge Frau mit reichlich Geld im London der Sechziger hatte. Dass das Nachwort sie ausgerechnet mit Jane Austens Heldinnen vergleicht, ist insoweit schon ziemlich schräge. Frances hat viel, viel mehr Möglichkeiten, sich zu verwirklichen, als die Frauen der Gesellschaft in Jane Austens Romandunstkreis. Schon allein, dass sie darüber nachdenkt, im Urlaub gemeinsam mit ihrem Freund ein Haus zu mieten, zeigt doch, wie frei sie sich im Grunde bewegen kann.

Andererseits frage ich mich, ob nicht genau das das Problem ist. Die Vielzahl der Lebensmodelle, die sich ihr bieten würden (immer verglichen mit den Generationen davor, nicht mit unserer!), ist für sie vielleicht mehr Schrecken als Verheißung. Sie wünscht sich Glamour und Blinkiblinki, und als sie das nicht bekommt bzw. die Hohlheit dann doch erkennt, kehrt sie einfach dahin zurück, wo sie hergekommen ist.

Ich muss wohl einige Passagen nochmal lesen, um zu einem Urteil zu kommen. Wie gesagt, beeindruckt mich jedenfalls die Klarsicht und sprachliche Meisterschaft. Ich hatte vorher noch nie von dieser Autorin gehört und werde sicher noch ein, zwei weitere Bücher von ihr lesen.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
2.228
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Thüringen
Ich habe mittlerweile auch die Besprechung des Buches im SRF Literaturclub gesehen und habe gemerkt, dass ich mit der sehr geteilten Meinung zum Buch von Milo Rau über weite Strecken übereinstimme. Er hat gleich zu Beginn, bei aller Anerkennung des schriftstellerischen Könnens Brookners und der Zeitlosigkeit des Einstiegs in den Roman, gesagt: "Ich will, wenn ich lese, mehr leben und nicht weniger leben." Diesen Satz muss ich mir mal merken.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
2.554
12.487
49
47
Ich finde das Nachwort wertvoll und klug, vor allem in Bezug auf Anita Brookner als Person. Allerdings musste ich erst heraussuchen, wer Daniel Schreiber ist. Hätte man ruhig dazuschreiben können.

Der Roman insgesamt hat mir leider nicht besonders gut gefallen. Ich mag den Beginn, als ich hoffte, die Verbindung aus Kunst, Psychologie und dem spannenden Handlungsort könnte mich ansprechen. Doch die eindimensionalen Charaktere gaben das für mich nicht her. Weder die vermeintlich charismatischen Alix und Nick, noch die Protagonistin, über die ich mich nur ärgerte und wunderte.

Den Schreibstil fand ich altmodisch - auch für 1983. Die Handlung war für mich über weite Strecken ermüdend. Irgendwo stand, Anitas bekanntester Roman wurde als Fernsehfilm verfilmt. Das passt für mich auch zu diesem Buch: nur Fernsehen, aber kein Kinoniveau.

Ich gebe 2,5 Sterne und runde wie immer auf.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
6.400
23.940
49
66

Literaturhexle

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2. April 2017
19.240
49.144
49
Allerdings musste ich erst heraussuchen, wer Daniel Schreiber ist. Hätte man ruhig dazuschreiben können.
Ach, Christian, es sind doch meistens Literaten, die Nachworte schreiben. Würde man erklären, wer er ist, würde man das Nachwort als solches doch schon entwerten, wenn man dessen Schreiber erst vorstellen muss;)
Ich indessen wusste schon vor dem Schauen des Literaturclubs, das er ein Buch über das Alleinsein aus männlicher Sicht geschrieben hat:

Buchinformationen und Rezensionen zu Allein von Daniel Schreiber
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Mir hat das Nachwort sehr gut gefallen, weil es weitgehend meine Eindrücke gekonnt in Worte fasst. Schreiber erläutert noch einmal, warum Fanny so ist, wie sie ist: Sie lebte mit ihrer Mutter schon völlig zurückgezogen in dieser musealen Wohnung zusammen. Das prägt. Ein Ausbruchsversuch war bereits misslungen, was vorsichtig macht. Für mich ist das Wesen und Verhalten Fannys unter diesen Bedingungen sehr nachvollziehbar. Solch eine Frau schwingt ihren BH nicht in die Kameras;) - Swinging Sixties hin oder her!

Mich hat der Roman über weite Teile sehr gefesselt. Das liegt einesteils an der klugen, etwas verschrobenen Protagonistin, die unglaublich präzise ihre Empfindungen und Beobachtungen schildern kann, andernteils aber auch an der schönen, wie ihr sagt "aus der Zeit gefallenen" Sprache. Ich mag Klassiker und ich mag auch diesen Roman, der keine inneren Begeisterungsstürme hervorgerufen hat (das fiele schon wegen des melancholischen Themas schwer), mich aber von seiner Machart her sehr fasziniert und, wie gesagt, gefesselt hat. Ich werde wohl aus der Reihe scheren und die 4,5 Sterne wohlgesonnen zu 5 aufrunden.
Dieser Roman hat mir deutlich besser gefallen als die Mesalliance.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
4.289
10.416
49
49
Das Nachwort zeigt auf warum die Autorin sich auf diese Art an den Roman herangemacht hat und was ihre Beweggründe sind, doch gefallen hat es mir trotzdem nicht. Ich bin mit Frances und ihrer ganzen Einstellung nicht warm geworden. Das an sich ist nicht mal das schlimmste, das ergeht mir bei anderen Romanen auch manchmal so, doch dort gibt es dann meistens eine Entwicklung die mir gefällt, die ich begrüße, auch wenn es mir die Hauptperson nicht sympathischer macht, finde ich dann Gefallen an der Handlung.
Über die. Wertung grübel ich leider noch ein wenig, will das Buch nicht komplett zerreißen, der Stil der Autorin als solches hat mir ja ganz gut gefallen….
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
4.552
16.305
49
Rhönrand bei Fulda
So, nun hat der innere Kampf ein Ende. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass das Buch, trotz aller berechtigten Kritikpunkte , mir wirklich Lesefreude beschert hat - mehr sogar als das danach gelesene "Der Keim", das hier in der Runde (glaube ich) wesentlich besser beurteilt wurde. Ich muss wohl mit dem Widerspruch leben und gebe dem Buch vier Punkte.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.400
23.940
49
66
Ich bin heute nochmals Wesentliches im Buch durchgegangen und habe mich bei der Rezension gequält. Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck bei mir. Einerseits kann ich die literarische Qualität sehr wohl würdigen, doch Spaß machte die Lektüre nicht. Ich habe nun innerhalb kurzer Zeit drei Romane von Anita Brookner gelesen. Das war vielleicht nicht klug. Sie ähneln sich schon sehr..
Hier hat mich allerdings die Ich- Erzählerin mehr genervt.
Das Nachwort von Daniel Schreiber hat mich in vielem, was meine eigene Sichtweise betrifft, bestätigt. Die Parallelen zu Jane Austen hätte ich nicht gezogen. Die Frauenfiguren dort sind weltoffener und nicht so widersprüchlich.
Für mich sind es vier Punkte geworden.
 
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Reaktionen: alasca und Die Häsin

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29. März 2022
2.536
9.571
49
53
Mainz
Mir hat das Nachwort noch einmal zur besseren Einordnung des Werkes geholfen.
Ein Buch, das mich sprachlich-stilistisch überzeugt hat. Inhaltlich finde ich hier ein brilliantes Psychohramm einer einsamen Frau vor. Dennoch stieß mein Verständnis für Frances mitunter an seine Grenzen, da sie im Grunde ja genau weiß, was ihr gut tut und was nicht, letztlich aber zu zögerlich Konsequenzen zieht.
Für mich ein klares 4 Sterne Buch.