Euer Fazit

Eulenhaus

Aktives Mitglied
13. Juni 2022
329
1.551
44
Das Band ist ein Familiendrama, das erst am Ende aufgelöst wird. Wie immer in Harufs Romanen treten gescheiterte, am Rande der Gesellschaft lebende Figuren auf, für die es immer wieder Lichtblicke gibt und die versuchen, das kleine Glück zu finden. Wohlwollend und mitfühlend blickt der Autor auf die Menschen in der fiktiven Kleinstadt Holt.
Die Sprache ist passend zum Landleben und zur Hauptfigur etwas derber. Für diese kann man trotz ihres schweren Schicksals keine Sympathie empfinden.
Die weibliche Protagonistin bleibt im Schatten des Vaters, der immer über sie bestimmt hat. Ediths Leben ist geprägt von harter Arbeit, Armut und Entbehrung. Ihr ausgeprägtes Verantwortungsgefühl verhindert jegliche Selbstverwirklichung. Eine solche Selbstaufgabe ist schwer nachvollziehbar, aber möglich. Das zeigen prominente Figuren wie Mutter Teresa und Florence Nightingale. Aber auch die vielen Unbekannten, die die Pflege Angehöriger oder anderer übernehmen.
 

pengulina

Bekanntes Mitglied
22. November 2022
1.341
4.451
49
68
Bis zur Hälfte dachte ich - na ja. Aber dann hat das Buch Fahrt aufgenommen und mich gepackt. Die Erzählung verläuft in Wellen, stellenweise passiert wenig, dann wieder sehr viel in sehr kurzer Zeit. Edith und John, das tragische Paar und ihre verpasste Liebe. Roy und Lyman, körperlich invalide und geistig immer weniger zurechnungsfähig. Und die Nebenfiguren. Dazu eine typische Kleinstadt. Mich hat das Buch betroffen gemacht.

Ich habe mein eigenes englisches E-Book mitgelesen.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.556
24.676
49
66
Mich hat der Roman gepackt und bewegt. Wieder stellt Haruf Menschen ins Zentrum seiner Geschichte, die vom Leben gebeutelt werden, die falsche Entscheidungen treffen, einfach, weil sie nicht anders können. Denen stellt er aber immer Menschen zur Seite, die sie unterstützen und für sie da sind.
Es war sein erster Roman, aber schon hier findet sich das, was typisch ist für ihn. Seine Beschreibung vom Alltag in Holt - dieses Mal bekommen wir einen Einblick in frühere, weitaus härtere Zeiten - seine Empathie für die Figuren, eine einfache Sprache, nahe an den Personen, sein Gefühl für Atmosphäre und Stimmungen.
Für mich reicht dieser Roman schon an seine späteren heran ( im Gegensatz zu „ Ein Sohn der Stadt“ , sein zweiter Roman).
Schade, dass dieser wunderbare Autor nicht mehr Bücher geschrieben hat.
 

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
2.164
8.963
49
Im Ganzen gesehen hat mir das Buch gut gefallen. Edith muss man einfach mögen, aber sie tut mir sehr leid und ich habe ein Problem damit, dass sie sich nicht in irgendeiner Weise wehrt und dass man nicht erfährt, was sie wirklich denkt, ob sie ihr starkes Pflichtbewusstsein nicht doch einmal in Frage stellt. Allerdings kann das der Erzähler Sanders auch nicht wissen.

Ich fand es traurig, wie ihr Leben dahinschwindet, vom Vater beschimpft und beleidigt trotz der schweren Arbeit, die sie bewundernswerterweise schafft. Zum Glück gibt es ein paar tröstliche und warmherzige Aspekte: die Nachbarn Roscoe, die ihr sehr verbunden sind, der Vater und später auch der Sohn, der Erzähler. Ob sie das Band sind, das uns hält, der warmherzige Zusammenhalt der beiden Familien? Ein tröstlicher Gedanke.​
 

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.869
7.759
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ich habe auch diesen Roman wieder sehr gerne gelesen. Ruhig, melancholisch, unaufgeregt, aber prägnant skizziert der Autor auch diesmal wieder die Charaktere. Positive wie negative Facetten treten zutage, nüchtern dargestellt ohne zu beschönigen oder zu dramatisieren und stets ohne Wertung. Auch diesmal zeichnet Haruf beileibe keine heile Welt, aber die Begegnungen sind es, die die Einsamkeit im Leben erträglich machen. Edith als Figur hätte sicher andere Möglichkeiten gehabt als zeitlebens alles zu erdulden und zu ertragen, komme wer da wolle. Aber es gibt Persönlichkeiten, die eben genauso sind, ob mir das nun gefällt oder gegen den Strich geht. Und Edith lassen die Familienbande nun einmal nicht los, bis sie sie selbst gewaltsam (auch gegen sich) kappt. Allerdings überlebt sie ihr Tun und muss nun schauen, was das Leben noch für sie bereithält.

Zu "Kostbare Tage" schrieb Bernhard Schlink seinerzeit: "Kent Haruf nimmt uns mit, wohin wir nie wollten, und bald wollen wir von dort nicht mehr weg." Nun wird die Reise leider nie mehr nach Holt führen. Sehr schade...
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.556
24.676
49
66
Nun wird die Reise leider nie mehr nach Holt führen. Sehr schade...
Das bedaure ich ebenfalls. Nun versuche ich, so viele Leser wie möglich in Kent Harufs Welt einzuführen. Meinen Brüdern habe ich schon Romane von ihm geschenkt und in meinem Lesekreis durften sich die Teilnehmer eines von drei vorgestellten Büchern zur gemeinsamen Lektüre heraussuchen, mit dem Ergebnis, dass einige weitere Bücher von ihm gelesen haben.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Ich fand ihn einen sehr bewegenden Roman und man hat gesehen zu was Pflichtbewusstsein führen kann, sogar bis zur Selbstaufgabe wie in Ediths Fall. Klar können wir da heute nicht mitreden, zur damaligen Zeit was das sicher noch extremer wie heutzutage. Von daher konnte ich in einigen Dingen Edith schon verstehen.

Schade,das ich diesen Autor erst so spät entdeckt habe und ihr inzwischen fast alle Bücher von ihm gelesen habt. Für mich war es der dritte band des Autors, aber ich bin immer wieder begeistert wie sehr er mich mit seinen Geschichten fesselt.
 

claudi-1963

Bekanntes Mitglied
29. November 2015
2.971
1.732
49
60
Zu "Kostbare Tage" schrieb Bernhard Schlink seinerzeit: "Kent Haruf nimmt uns mit, wohin wir nie wollten, und bald wollen wir von dort nicht mehr weg." Nun wird die Reise leider nie mehr nach Holt führen. Sehr schade...
Ja das stimmt mich auch sehr traurig, gerade weil ich ihn so gerne gelesen habe.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
7.321
19.035
49
48
Nach diesem ergreifenden Ende kann ich gar nichts anderes als die Höchstnote zücken. Ab und an war ich im Lauf der Lektüre "nur" bei 4 Sternen, da mir vielfach der warmherzige Ton der anderen zwei bisher gelesenen Haruf-Romane fehlte. Doch das Ende hat für mich (aus mir) alles rausgeholt und ich muss nun dringend mit den restlichen 3 Romanen meine Haruf-Sammlung komplettieren.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.355
10.667
49
49
Am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten, der gewohnte Zauber wollte sich nicht einstellen, mir erschien alles zu heftig. Doch ab dem zweiten Abschnitt war ich gefangen von der Handlung, und ich habe diesen Roman wieder sehr genossen. Bis auf einen kenne ich nun alle, und auch den werde ich lesen, er liegt schon bereit!
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.098
49
Ich kann mich euren Lobeshymnen nur anschließen. Wieder bin ich begeistert, mit wieviel Empathie Haruf seine Figuren beobachtet und beschreibt. Er enthält sich jeglicher Kritik, jeglichem Urteil. Er ist ein Geschichtenerzähler par Excellence! Ich liebe einfach diesen ruhigen, unaufgeregten Ton.

Ediths Schicksal berührt. Es steht für zahlreiche Frauenschicksale ihrer Zeit. Männer hatten das Sagen. Von klein auf wird sie in die Rolle der Dienenden, Sorgenden und Gehorchenden hineinerzogen. Ihre Mutter war diesbezüglich schon ein trauriges Beispiel für sie. Ich empfinde Ediths Geschichte als absolut glaubwürdig. Der Bruder bleibt bis zum Schluss ihr Augenstern. Sie hat überlegt und diese Lösung als die die beste für ihn befunden. Aus Solidarität will sie ihn begleiten.
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
848
3.402
44
Mir gefällt einfach die Kraft, die Haruf im "normalen Leben" entdeckt. Es ist eigentlich keine besondere, außergewöhnliche Geschichte, sondern eine, die uns in der Generation meiner Großmütter vermutlich sehr häufig begegnen könnte: Einsamkeit auf dem Land, ein untergeordnetes Leben, harte Arbeit, fremdbestimmt, nicht wertgeschätzt, als Selbstverständlichkeit wahrgenommen - letzteres wird erst durch den Erzähler aufgefangen, dessen Bericht über Edith eigentlich eine kleine Liebeserklärung ist, ihr in ihrem gescheiterten Leben(salter) noch ein kleines Denkmal setzt. Das finde ich das eigentlich sehr Berührende an diesem Roman. Wir fokussieren uns sehr auf Ediths hartes und entbehrungsreiches, aufopferungsvolles Leben und übersehen dabei vielleicht, dass es allein durch Sanders Anwesenheit ein besseres war.
 

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
3.056
9.738
49
Ich mochte den Roman sehr, in dem Haruf mal wieder die menschliche Verfasstheit unters Brennglas legt. Das Raue, die Elemente des klassischen Westerns, die Haruf verarbeitet, und dieses Frauenleben, das sich nicht so sehr dem gesellschaftlichen Druck, sondern vor allem kompromisslos gelebten Werten beugt - das hat mich sehr berührt. So anachronistisch uns das vorkommen mag in unserer Gesellschaft, die dem Gott der Selbstverwirklichung huldigt: Der Roman feiert mit der Größe seiner Heldin die Größe und Allgemeingültigkeit ihrer Prinzipien - ohne den Preis dafür zu verschweigen.

Meine Rezension kann das hoffentlich würdigen. Unter 5 Sternen geht das wirklich nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ich bin bei Haruf natürlich versucht, dieses Buch mit seinen anderen zu vergleichen. Das ist hierbei etwas unfair, weil es einerseits sein Erstling ist und andererseits unterschlägt, dass selbst das schlechteste Buch Harufs immer noch besser ist als die Romane vieler anderen Autoren. Insofern würde ich sein Debüt zwar nicht als All-Time-Favorite bezeichnen, komme aber nicht umhin, dennoch fünf Sterne zu vergeben.

Der raue, teils rustikale Ton hat mich anfänglich irritiert und etwas befremdet. Er passt jedoch gut zu Sanders, muss ich zugeben. Die Geschichte hat mich mehr und mehr für sich eingenommen. Auch mit ein paar Wochen Abstand muss ich feststellen, dass die Geschichte nachhallt.

Ich bin ebenfalls etwas traurig, dass ich nun kein „neues Lesefutter“ dieses Autors mehr vor mir habe. Bei mir wird es also irgendwann auf einen Reread hinauslaufen.
 
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Reaktionen: kingofmusic

Lesehorizont

Bekanntes Mitglied
29. März 2022
2.579
9.749
49
53
Mainz
Während ich an der Rezi sitze, kommt wieder alles neu hoch: die ganzen Emotionen während der Lektüre. Das Buch hat mich wirklich sehr ergriffen und hallt nach. Ich denke, es werden defintiv 5 Sterne. Ich werde morgen nochmal drüber schauen und sie dann hochladen. ;)