Auch ich habe den ersten Abschnitt nun beendet und muss sagen, es ist schon eine besondere Erzählweise, derer sich Erich Hackl bedient. Mosaikartige Erinnerungsfetzen, wie
@Anjuta es beschrieb, trifft es ganz gut. Es wirkt dadurch auch unglaublich distanziert, gleichzeitig aber auch eindringlich. Dass dies zusammengeht, verblüfft mich immer wieder. Ein wenig analytisch, wie da so die Ängste von Mutter und Tochter geschildert werden - die Angst vor der Entdeckung, aber auch das Angwiesensein auf die Anwesenheit Reinholds werden so gut komprimiert dargestellt und fassbar. Nicht nur Reinhold tut etwas für Lucia und ihre Mutter, auch Regina setzt sich dafür ein, dass ihr Retter nicht eingezogen wird und geht dafür einige Risiken ein.
Ein wenig irritiert war ich über den Wechsel der Perspektive, der hier immer wieder mal kurzzeitig vorgenommen wird. Meist erzählt Hackl nahezu nüchtern von 'das Kind', 'das Mädchen' usw. - plötzlich heißt es aber 'wir', an einer anderen Stelle 'ich', um gleich darauf wieder ins Nüchtern-Neutrale zu wechseln. Warum macht er das?
Ich denke, Regina hatte Glück, dieser Gruppe anzugehören, die aus eigenständig denkenden Individuen bestand: halb Pazifisten, halb Kommunisten. Alles potentielle Kandidaten fürs KZ. Zwar hat es die meisten der Gruppe irgendwohin verschlagen, aber Reinhold blieb in Wien und sah es wohl als selbstverständlich an, seine Hilfe anzubieten.
Wie
@Sassenach123 kam mir auch der Vergleich mit Anne Frank, doch empfinde ich diese Unterkunft für Regina und ihre Tochter doch um einiges 'großzügiger'. Fast täglicher Kontakt zu Reinhold, 'nur' zwei Personen im Versteck - dazu noch Mutter und Tochter -, zumindest die Mutter verlässt zwischendurch das Versteck und hat Außenkontakte, besucht Bekannte und telefoniert, durch die schalldichten Wände und Decken besteht deutlich weniger Entdeckungsgefahr usw. Nein, schönreden will und kann ich die Situation nicht, und vier Jahre im Versteck sind für das Mädchen eine große Belastung, die o.g. Ängste tragen dazu natürlich bei. Aber es gibt jeden Tag etwas zu tun, sie werden 'gebraucht', haben Ablenkung und einen Anreiz, morgens überhaupt aufzustehen. Ich denke, das ist nicht zu unterschätzen. Dass Lucia sich nach anderen Kindern sehnt, nach Luft und Spiel, ist natürlich verständlich.