Erster Teil: In Marygreen

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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So, ich hab angefangen und bin (bisher) gefesselt - bin auf S. 50. Die teils unglaublich schöne, bildhafte Sprache unterlegt mit religiösen Metaphern ([zitat]Man sah kein einzelnes Licht, sondern nur einen Ring oder glühenden Nebel, der den Ort vor dem Hintergrund des schwarzen Himmels überwölbte...[/zitat] (erinnert nur mich das an einen "Heiligenschein"? :confused::D) und Inhalten, die Beschreibung der "Standesunterschiede" zwischen ländlicher Bevölkerung und den "Gelehrten" in der Stadt - ganz stark. Erinnert mich an Dickens :). Etwas gewöhnungsbedürftig (wie auch bei den Meyrink-Übersetzungen von Dickens) finde ich den Slang in der wörtlichen Rede - ich glaube nicht, dass die ländliche Bevölkerung im England des 19. Jahrhunderts österreichisch oder bayrisch gesprochen hat :D.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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So, ich hab angefangen und bin (bisher) gefesselt
Das kann ich nur bestätigen! Der Stil fängt einen sofort ein, die Vergleiche und Sprachbilder lassen einen innehalten (auch wenn ich den Heiligenschein nicht gesehen habe ;))
Es erinnert an Dickens, weil Jude auch eine bedauernswerte Waise ist. Sein Vergleich mit den Krähen auf dem Feld:
[zitat]So unscheinbar und bedauernswert diese Leben auch sein mochten, sie glichen dennoch sehr dem seinen.[/zitat]
Oder etwas später, als er sich einem Tagtraum hingibt:
[zitat]Doch seine Träume waren so hochfliegend wie seine Umgebung eng.[/zitat]
Ich bin auf S. 35 und freue mich aufs Weiterlesen! (Joel Dicker habe ich auf die Ohren verbannt..das war schwer auszuhalten :mad:.)
 

kingofmusic

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Das kann ich nur bestätigen! Der Stil fängt einen sofort ein, die Vergleiche und Sprachbilder lassen einen innehalten (auch wenn ich den Heiligenschein nicht gesehen habe ;))
Es erinnert an Dickens, weil Jude auch eine bedauernswerte Waise ist. Sein Vergleich mit den Krähen auf dem Feld:
[zitat]So unscheinbar und bedauernswert diese Leben auch sein mochten, sie glichen dennoch sehr dem seinen.[/zitat]
Oder etwas später, als er sich einem Tagtraum hingibt:
[zitat]Doch seine Träume waren so hochfliegend wie seine Umgebung eng.[/zitat]
Ich bin auf S. 35 und freue mich aufs Weiterlesen! (Joel Dicker habe ich auf die Ohren verbannt..das war schwer auszuhalten :mad:.)
Schön, dass wir uns da schon wieder einig sind :). Ich bin sehr gespannt, ob das Buch das hohe Niveau halten kann :).
 
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kingofmusic

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30. Oktober 2018
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:D Dieses Buch ist so köstlich; ich muss mich so amüsieren über die "Unschuldigkeit" von Jude und Arabella bei ihrem ersten Date und sein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Büchern - großartig. Und der Witz in Bemerkungen wie

[zitat]

„Eigentlich versteh ich nicht viel von Bier. Es schmeckt mir ganz gut, doch beim Lesen bekommt´s mir nicht, da mag ich Kaffee lieber. Aber das hier ist wohl in Ordnung.“ (S. 65)

[/zitat].

Danke an @Literaturhexle , dass du dieses Buch vorgeschlagen hast :).
 

kingofmusic

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Das kann ich nur bestätigen! Der Stil fängt einen sofort ein, die Vergleiche und Sprachbilder lassen einen innehalten (auch wenn ich den Heiligenschein nicht gesehen habe ;))
Es erinnert an Dickens, weil Jude auch eine bedauernswerte Waise ist. Sein Vergleich mit den Krähen auf dem Feld:
[zitat]So unscheinbar und bedauernswert diese Leben auch sein mochten, sie glichen dennoch sehr dem seinen.[/zitat]
Oder etwas später, als er sich einem Tagtraum hingibt:
[zitat]Doch seine Träume waren so hochfliegend wie seine Umgebung eng.[/zitat]
Ich bin auf S. 35 und freue mich aufs Weiterlesen! (Joel Dicker habe ich auf die Ohren verbannt..das war schwer auszuhalten :mad:.)
Ich hab auch noch ein sehr passendes Charakterbild (passend zu Dickens Figuren) gefunden:

[zitat]Diese angebliche Charakterschwäche deutete bereits an, dass er als ein Mensch geboren wurde, der ein großes Maß an Leid erdulden muss, bevor der Vorhang über sein nutzloses Leben fällt und anzeigt, dass wieder alles gut für ihn ist. (S.20)[/zitat].

Da steckt so viel Tragik und aber auch Gesellschaftskritik drin - noch kann ich nicht nachvollziehen, warum Hardy mit dem Buch "angeeckt" ist. Okay, aus heutiger Sicht kann man vieles von damals nicht nachvollziehen - so wird es anderen Generationen nach uns mit unserem Verhalten gehen; an endless circle of life...
 

kingofmusic

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Wie hinterhältig Arabella und naiv Jude sind und waren :rolleyes:...Das geschlachtete Schwein tat mir echt leid :-(
Na ja, der erste Teil ist durch und ich halte mich jetzt erst mal hier zurück, um nicht zu schnell voran zu preschen. Aber das Buch hält mich weiterhin gepackt...
 
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Tiram

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4. November 2014
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noch kann ich nicht nachvollziehen, warum Hardy mit dem Buch "angeeckt

Ich mache das an einer ganz bestimmten Szene fest, die erst noch kommt. Aber auch ganz allgemein stellt Hardy die Religiosität und Sexualmoral der Zeit offen infrage.

Ich hätte gerne mitgelesen, aber ich erhohle mich gerade noch von einem Krankenhausaufenthalt. So richtig nach Büchern und Diskussion steht mir noch nicht der Sinn.
Aber ich lese auf jeden Fall mit, wie ihr dieses tolle Buch für euch entdeckt. Viel Spaß noch.
 

kingofmusic

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Ich mache das an einer ganz bestimmten Szene fest, die erst noch kommt. Aber auch ganz allgemein stellt Hardy die Religiosität und Sexualmoral der Zeit offen infrage.

Ich hätte gerne mitgelesen, aber ich erhohle mich gerade noch von einem Krankenhausaufenthalt. So richtig nach Büchern und Diskussion steht mir noch nicht der Sinn.
Aber ich lese auf jeden Fall mit, wie ihr dieses tolle Buch für euch entdeckt. Viel Spaß noch.
Dann erst Mal gute Besserung und alles Gute für Dich! Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich habe den ersten Teil auch gerade beendet und teile deine Begeisterung! Da wir auf dem Weg zu den Schwiegereltern sind, werde ich wohl erst am Sonntagabend etwas dazu schreiben können. Nach wie vor sehr gelungene Formulierungen. Das böse Weib hat den rechtschaffenen Jungen in Versuchung und vom Weg ab geführt;)
Zum Glück sind sie wieder getrennt- allerdings so richtig ja auch nicht: verheiratet bleibt verheiratet! Das wird bestimmt noch Bedeutung bekommen.
Herrlich, wie sich die erste Verliebtheit beschrieben wurde :rolleyes:
[zitat]Und dann wurde ihm dieser Anflug von Scharfsinn genommen, und Jude verlor jede Urteilskraft beim Heranbrausen eines frischen und wilden Frohlockens...[/zitat]
 
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Literaturhexle

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Arabella hat ihn in die Ehe gedrängt, was ihr nur gelingen konnte, weil er so rechtschaffen war.
Ziemlich schnell erkennt Jude, dass sie nicht das ist, was sie zu sein scheint:
[zitat]Im geheimen Winkel seines Verstandes wusste er wohl, wusste nur zu gut, dass Arabella verglichen mit anderen Vertreterinnen ihres Geschlechts nicht sonderlich viel wert war.[/zitat]
Diese Erkenntnis muss einen jungen Mann enorm schmerzen, der einer Frau zuliebe seine Träume aufgegeben hat. Er fühlt sich ja auch "in der Falle sitzend".

Insofern war die Lösung, dass Arabella's Familie auswandern wollte, eine elegante Lösung. Jude kommt wieder auf seinen ursprünglichen Pfad zurück:[zitat]Er konnte seinem bösen Stern Widerstand leisten und seinen ursprünglichen Absichten folgen .[/zitat]
Es sind diese herrlichen Sätze, die den Roman so lesenswert machen. Hoffentlich geht es so weiter :)
 

kingofmusic

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Diese Erkenntnis muss einen jungen Mann enorm schmerzen, der einer Frau zuliebe seine Träume aufgegeben hat. Er fühlt sich ja auch "in der Falle sitzend".
Ja, meistens ist es ja eher umgedreht - die Frauen geben ihre Träume auf. Ich glaube nicht, dass es viele Männer im England des 19. Jahrhunderts gab, die sich so haben "einlullen" lassen.
Was mich etwas irritiert: auf dem Buchrücken steht, dass Arabella ihren gemeinsamen Sohn aus Australien schickt - aber sie war doch gar nicht schwanger o_O...Na ja, wir werden es erfahren, was es damit auf sich hat hi hi.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich musste mich an den anfangs sehr beschreibenden Stil erst wieder gewöhnen, habe nun aber auch recht gut in den Roman hineingefunden.

Ich fand die Szene mit dem Ei, das am Busen ausgebrütet werden sollte, ganz köstlich. Kein Wunder, dass der arme Jude Arabella danach verfallen war. Etwas so zartes, das Leben hervorbringt, an so einer brisanten Stelle zu tragen, hat ihm wohl total den Kopf verdreht.

Sehr schön fand ich auch, dass Arabella bereits in der Hochzeitsnacht ihren falschen Zopf am Spiegel aufgehängt hat. Dass diese Frau nicht das war, was sie anfangs vorgab zu sein, schwante in dem Moment wohl auch Jude. Und dass Arabella dann noch zugeben musste, sich „geirrt“ zu haben, gab ihm den Rest.

Seinen Gemütszustand hat seine Tante gut zum Ausdruck gebracht: „Wir ham was im Blut, was uns widerborstig macht, wenn wir zu was gezwungen wern, was wir ohne Zwang gern tun würden.“ Jude fühlte sich auf‘s Glatteis geführt, jedenfalls vom Schicksal, wenn nicht sogar von Arabella.
 

kingofmusic

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Ich musste mich an den anfangs sehr beschreibenden Stil erst wieder gewöhnen, habe nun aber auch recht gut in den Roman hineingefunden.

Ich fand die Szene mit dem Ei, das am Busen ausgebrütet werden sollte, ganz köstlich. Kein Wunder, dass der arme Jude Arabella danach verfallen war. Etwas so zartes, das Leben hervorbringt, an so einer brisanten Stelle zu tragen, hat ihm wohl total den Kopf verdreht.

Sehr schön fand ich auch, dass Arabella bereits in der Hochzeitsnacht ihren falschen Zopf am Spiegel aufgehängt hat. Dass diese Frau nicht das war, was sie anfangs vorgab zu sein, schwante in dem Moment wohl auch Jude. Und dass Arabella dann noch zugeben musste, sich „geirrt“ zu haben, gab ihm den Rest.

Seinen Gemütszustand hat seine Tante gut zum Ausdruck gebracht: „Wir ham was im Blut, was uns widerborstig macht, wenn wir zu was gezwungen wern, was wir ohne Zwang gern tun würden.“ Jude fühlte sich auf‘s Glatteis geführt, jedenfalls vom Schicksal, wenn nicht sogar von Arabella.
Ja, die Eiszene fand ich auch köstlich und skurril - auf den Gedanken muss man erst mal kommen :D.
 
G

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Gast
Ich musste mich an den anfangs sehr beschreibenden Stil erst wieder gewöhnen, habe nun aber auch recht gut in den Roman hineingefunden.

Ich fand die Szene mit dem Ei, das am Busen ausgebrütet werden sollte, ganz köstlich. Kein Wunder, dass der arme Jude Arabella danach verfallen war. Etwas so zartes, das Leben hervorbringt, an so einer brisanten Stelle zu tragen, hat ihm wohl total den Kopf verdreht.

Sehr schön fand ich auch, dass Arabella bereits in der Hochzeitsnacht ihren falschen Zopf am Spiegel aufgehängt hat. Dass diese Frau nicht das war, was sie anfangs vorgab zu sein, schwante in dem Moment wohl auch Jude. Und dass Arabella dann noch zugeben musste, sich „geirrt“ zu haben, gab ihm den Rest.

Seinen Gemütszustand hat seine Tante gut zum Ausdruck gebracht: „Wir ham was im Blut, was uns widerborstig macht, wenn wir zu was gezwungen wern, was wir ohne Zwang gern tun würden.“ Jude fühlte sich auf‘s Glatteis geführt, jedenfalls vom Schicksal, wenn nicht sogar von Arabella.

Mir ging es da ähnlich wie dir. Ich musste mich auch erstmal an den Stil gewöhnen. Nachdem dies erfolgte, gefällt mir das Buch recht gut.

Jude finde ich interessant, wie er langsam seinen Weg findet, ist schön beschrieben. Sein Interesse, sein Brennen gefällt mir sehr.

Arabella, hhmm, ja, wie ihr euch denken könnt, mein Fall ist sie nicht, aber Jude muss wachsen, muss erwachsen werden und dabei hilft sie ihm sehr. Und im Erkennen, dass es auch recht berechnende Menschen gibt. Aber er findet wieder sein Ziel und geht hoffentlich gestärkt aus dieser Erfahrung.

Mit der Beschreibung der Beschränkungen der Ehe wird sich Hardy keine Freunde gemacht haben. Mutig!

Was mir ebenso gefällt ist der schon etwas schräge Humor eines Hardy, englischer Humor eben, schööön!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Etwas gewöhnungsbedürftig (wie auch bei den Meyrink-Übersetzungen von Dickens) finde ich den Slang in der wörtlichen Rede - ich glaube nicht, dass die ländliche Bevölkerung im England des 19. Jahrhunderts österreichisch oder bayrisch gesprochen hat :D.

Der Slang reißt mich nicht so sehr vom Hocker, ist in meinen Augen etwas gewöhnungsbedürftig. Aber gut. Man gewöhnt sich an vieles. :D
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich hab auch noch ein sehr passendes Charakterbild (passend zu Dickens Figuren) gefunden:

[zitat]Diese angebliche Charakterschwäche deutete bereits an, dass er als ein Mensch geboren wurde, der ein großes Maß an Leid erdulden muss, bevor der Vorhang über sein nutzloses Leben fällt und anzeigt, dass wieder alles gut für ihn ist. (S.20)[/zitat].

Da steckt so viel Tragik und aber auch Gesellschaftskritik drin - noch kann ich nicht nachvollziehen, warum Hardy mit dem Buch "angeeckt" ist. Okay, aus heutiger Sicht kann man vieles von damals nicht nachvollziehen - so wird es anderen Generationen nach uns mit unserem Verhalten gehen; an endless circle of life...

Durch seine gesellschaftskritischen Romane wird er sich sicher Feinde gemacht haben. Wer kritisiert stößt an. Wer weiß wie dies damals in bigotten Kreisen war?
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
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Durch seine gesellschaftskritischen Romane wird er sich sicher Feinde gemacht haben. Wer kritisiert stößt an. Wer weiß wie dies damals in bigotten Kreisen war?
Heutzutage würden sich wahrscheinlich nicht mehr so viele Leute drüber aufregen - außer die Hardcorehardliner und "Ewiggestrigen" der großen Kirchen...:D