Erster Leseabschnitt: Seite 9 - 82

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Habe mein aktuelles Buch ausgelesen, und bin direkt gestartet......

Zu Beginn war ich sehr verwirrt. Als ich aber verstanden habe, dass der Autor uns anhand der kurzen Passagen am Zwiegespräch einiger Verstorbenen teilhaben lässt, war ich doch fasziniert. Ein paar kuriose Sterbeanekdoten werden da zum Besten gegeben, aber auch einige tragische. Über einen Mann, der mit seiner Lust nicht weiß wohin, kann man ja schmunzeln, aber das Schicksal des kleinen Willie, Lincolns Sohn, geht schon zu Herzen.
Alles in allem bin ich sehr gespannt wie es weitergeht, habe jedenfalls noch nie etwas vergleichbares gelesen.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Alles in allem bin ich sehr gespannt wie es weitergeht, habe jedenfalls noch nie etwas vergleichbares gelesen.
Dem kann ich mich nur anschließen. Die Verwirrung legte sich erst Schritt für Schritt. Bis ich begriffen habe, dass der kursiv mittig gesetzte Namen für jene Figur steht, die gerade geredet bzw. erzählt hat.
Nach der ersten Erinnerung eines Gestorbenen (hans vollmann) erfahren wir, wie der kleine Willie gestorben ist. Auch das ist sehr interessant montiert. Aus zeitgenössischen Quellen re-konstruiert Saunders das Bankett, die Krankheit Willies bis hin zu seiner Beerdigung und auch Lincolns Reaktion, als der Kleine stirbt - so dass er tatsächlich nach der Beerdigung noch einmal den Friedhof aufsucht und so verhindert, dass Willie die Erde verlässt (?), wie es alle Kinder tun.
Die montierten Textstellen ergeben tatsächlich ein lesbares Ganzes, das ist, wenn die Quellen authentisch sind, eine echte Fleißarbeit, sie so zu arrangieren, dass man meint, einen Fließtext zu lesen.

Witzig fand ich das Kapitel V, in dem die Anwesenden des Banketts den Mond beschreiben:
"goldene Mond, der pittoresk über der Szenerie hängt" - "In jener Nacht schien kein Mond" (28)
Will der Autor uns darauf aufmerksam machen, dass man diesen Erinnerungen nur bedingt trauen kann?
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Dem kann ich mich nur anschließen. Die Verwirrung legte sich erst Schritt für Schritt. Bis ich begriffen habe, dass der kursiv mittig gesetzte Namen für jene Figur steht, die gerade geredet bzw. erzählt hat.
Nach der ersten Erinnerung eines Gestorbenen (hans vollmann) erfahren wir, wie der kleine Willie gestorben ist. Auch das ist sehr interessant montiert. Aus zeitgenössischen Quellen re-konstruiert Saunders das Bankett, die Krankheit Willies bis hin zu seiner Beerdigung und auch Lincolns Reaktion, als der Kleine stirbt - so dass er tatsächlich nach der Beerdigung noch einmal den Friedhof aufsucht und so verhindert, dass Willie die Erde verlässt (?), wie es alle Kinder tun.
Die montierten Textstellen ergeben tatsächlich ein lesbares Ganzes, das ist, wenn die Quellen authentisch sind, eine echte Fleißarbeit, sie so zu arrangieren, dass man meint, einen Fließtext zu lesen.

Witzig fand ich das Kapitel V, in dem die Anwesenden des Banketts den Mond beschreiben:
"goldene Mond, der pittoresk über der Szenerie hängt" - "In jener Nacht schien kein Mond" (28)
Will der Autor uns darauf aufmerksam machen, dass man diesen Erinnerungen nur bedingt trauen kann?

Bei der Schilderung des Mondes ging mir ähnliches durch den Kopf. Denke auch, dass der Autor deutlich machen wollte, wie unterschiedlich Wahrnehmungen und Erinnerungen sein können
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich wüsste auch nicht mit welchem Buch ich diesen Roman vergleichen soll @Sassenach123 - dieser Chor von Stimmen.

Die Gestalten im Bardo finde ich gruselig, makaber und auch ein bisschen komisch. Besonders Hans Vollmann, nackt, aufgedunsen und mit Dauererektion. Dann Roger Bevins der aus Augen, Nasen und Händen besteht. Der Grund warum sie im Bardo feststecken, hat sich sozusagen in ihrer Gestalt manifestiert. Hans Vollmann wollte noch mit seiner jungen Frau eine körperliche Beziehung eingehen, nachdem er so lange darauf verzichtet hatte...Es ist schon makaber, dass er am Tag vor dem ersten Mal von einem Balken erschlagen wird. Roger Bevins erkennt im Moment seines Selbstmordes, dass das Leben sehr reich an Erfahrungen ist und mit allen Sinnen erlebt werden will.

Es geht mir auch zu Herzen wenn der keine Willi zu Wort kommt. Tragisch auch die Szene als Lincoln die Leiche seines Sohnes in den Arm nimmt...und der Geist von Willi frustriert ist weil sein Vater ihn nicht spürt und sieht.
Wenn ich das richtig verstanden habe, wollen die Bewohner des Bardo dafür sorgen, dass Willi möglichst schnell ins Totenreich geht, was bei Kindern ja normalerweise der Fall ist. Sie scheinen nicht so an ihrem Leben du hängen.
Fast hätten sie ihn überzeugt zu gehen aber da sieht der Junge seinen Vater in den Friedhof kommen...

Ich bin fasziniert von diesem ungewöhnlichen Roman und freue mich darauf weiter zu lesen und auf eure Kommentare.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Will der Autor uns darauf aufmerksam machen, dass man diesen Erinnerungen nur bedingt trauen kann?
Das habe ich genau so verstanden, weil die Aussagen zum Teil auch gegensätzlich sind.
Immer häufiger treffen wir auf Lektüren, die uns nitvder Unzuverlössigkeit von Erinnerungen konfrontieren. Ist das Zufall oder habe ich früher einfach drüber gelesen und nicht nachgedacht?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich bin fasziniert von diesem ungewöhnlichen Roman und freue mich darauf weiter zu lesen und auf eure Kommentare.
Da ich weiß, dass du den Roman im Original liest, bin ich umso mehr begeistert, wie gut du den Inhalt erfasst hast und wiedergeben kannst. Hut ab!

Mir geht es wie euch: ich bin sehr angetan von dem Buch, es ist bislang einzigartig. Auch die verschiedenen Quellen (ich gehe auch davon aus, dass sie echt sind) sind gut eingewebt in den Text. Die Beiträge mancher Personen strotzen vor Fehlern und Ausdrücken. Das macht die Abschnitte sehr echt und authentisch.

Ich bin bis Dienstag unterwegs. Deshalb hatte ich schon einen Abschnitt voraus gelesen... Ich weiß nicht, ob ich Schritt halten können werde :(
 

Renie

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Will der Autor uns darauf aufmerksam machen, dass man diesen Erinnerungen nur bedingt trauen kann?
So weit bin ich noch gar nicht, dass ich mir Gedanken darüber mache, welche Botschaft uns der Autor mitgeben möchte ;) Ich bin nämlich noch zu sehr mit Wundern, Staunen, Schmunzeln und diverse andere Reaktionen beschäftigt.
Das ist ja lustig, dass wir alle den Einstieg ähnlich empfunden haben. Nachdem ich die Folie, in die das Buch eingeschweißt war, aufgerissen hatte, und das Buch das allererste Mal aufgeklappt habe, ist mir ein "Ach du Schande" herausgerutscht. Im ersten Moment sah das Ganze nach einem Endlosdialog aus. Die ersten Seiten habe ich gehasst, weil ich viel zu verwirrt war. Aber nach Seite 30 hat mich das Buch gepackt. Ich habe mir allerdings eine kleine Hilfestellung gegönnt und zwischendurch gegooglt. Sonst wäre ich verzweifelt. Mittlerweile mag ich das Buch gar nicht mehr weglegen. Die 3 Personen Hans Vollman, Roger Bevins III. und der Reverend sind einfach zu köstlich. Es scheinen diejenigen zu sein, die am längsten unter der Friedhofsgemeinde "leben". Lustig finde ich auch diese permanenten Umschreibungen für Dinge, die mit dem Tod zu tun haben (Kranken-Kiste z. B.) Als ob es verpönt ist, darüber zu sprechen. Na ja, richtig tot sind sie ja auch nicht, sondern irgendwas zwischen Leben und Tod.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Roger Bevins erkennt im Moment seines Selbstmordes, dass das Leben sehr reich an Erfahrungen ist und mit allen Sinnen erlebt werden will.
Die Szene hat mich richtig berührt. Die war auch frei von Komik, im Moment des Todes zu erkennen, was man alles aufgibt. Da musste ich dann wieder an Camus denken, @Leseglück, so wirkt diese Lektüre doch nach ;)

Auch die verschiedenen Quellen (ich gehe auch davon aus, dass sie echt sind) sind gut eingewebt in den Text.
Die Kunst ist, dass es Saunders gelingt aus den einzelnen Quellen einen Text zu machen, der kohärent wirkt. Das ist wirklich eine Kunst und sehr amüsant zu lesen.

Na ja, richtig tot sind sie ja auch nicht, sondern irgendwas zwischen Leben und Tod.
Die drei "Hauptfiguren" sind wirklich skurril ;) Scheinbar gelingt es einigen nicht ins Totenreich zu wechseln, weil sie aus irgendwelchen Gründen noch ans Leben gebunden sind. Ich hoffe, das wird noch irgendwann deutlicher.
 

Querleserin

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Geprüft nicht...aber ich habe gelesen, dass die Quellen teilweise echt und teilweise fiktiv sein sollen. Das erscheint mir auch naheliegend.
Es steht auch im Klappentext: die Geschichte und der Literatur, reale wie erfundene...

Und in einer Rezension von Zeit-Online habe ich gefunden:

[zitat]Echte und erfundene Quellenzitate dokumentieren das reale Sterben von Lincolns Sohn und den wachsenden Widerstand gegen Präsident Lincolns Politik im Bürgerkrieg gegen die Konföderierten. Der Tod seines Sohnes beeinflusst Lincolns Haltung zum Töten im Krieg.[/zitat]
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Das habe ich genau so verstanden, weil die Aussagen zum Teil auch gegensätzlich sind.
Immer häufiger treffen wir auf Lektüren, die uns nitvder Unzuverlössigkeit von Erinnerungen konfrontieren. Ist das Zufall oder habe ich früher einfach drüber gelesen und nicht nachgedacht?
Ich glaube, solche Lektüre ist den Zeichen der Zeit geschuldet - ich sage nur "Fake News"...Aber klar, Erinnerungen sind subjektiv und wandeln sich im Lauf der Zeit.
 
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kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Mich würde wahnsinnig interessieren, welche Quellen real und welche fiktiv sind. Es gibt so ergreifende Passagen in dem Buch - ganz großes (Kopf-)Kino, das George Saunders hier in der Lage ist anzuschmeißen.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Mir ging es am Anfang wie Renie. Ich habe das Buch aufgeklappt und dachte: ach du Schande - ich mag keine Stücke. Aber das Buch hatte mich schon nach 3 Seiten gefangen, nachdem ich herausgefunden hatte, dass die kursiven Namen unter dem Absatz angeben, wer gerade spricht, denkt oder erinnert. Der Anfang ist ja auch ziemlich saftig - hier werden gleich jede Menge intime Details ausgepackt.

Ich finde die Szenen im Bardo bislang am fesselnsten. Vollmann und Bevins wissen, dass sie tot sind - trotzdem darf das Wort und alles was damit zusammenhängt nicht erwähnt werden. Was ist mit Elizabeth? Sie starb offenbar als Kind, ist aber noch im Bardo und jetzt ein Ofen? Bin verwirrt, aber das klärt sich bestimmt noch.

Sehr rührend fand ich auch die Szene, als Lincoln den Leichnam seines Sohne in den Arm nimmt...

Die realen und fiktiven Quelltexte dazwischen, welche die Sphäre der Lebenden beschreiben, sind wirklich gut arrangiert. Leider haben die Urheber keinen so hohen Wiedererkennungswert. Einige tauchen zwar wiederholt auf. Aber es scheint keine Rolle zu spielen, von wem welches Zitat stammt. Bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht.
 
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nineLE

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4. November 2019
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Mir ging es am Anfang wie Renie. Ich habe das Buch aufgeklappt und dachte: ach du Schande - ich mag keine Stücke. Aber das Buch hatte mich schon nach 3 Seiten gefangen, nachdem ich herausgefunden hatte, dass die kursiven Namen unter dem Absatz angeben, wer gerade spricht, denkt oder erinnert. Der Anfang ist ja auch ziemlich saftig - hier werden gleich jede Menge intime Details ausgepackt.

Ich finde die Szenen im Bardo bislang am fesselnsten. Vollmann und Bevins wissen, dass sie tot sind - trotzdem darf das Wort und alles was damit zusammenhängt nicht erwähnt werden. Was ist mit Elizabeth? Sie starb offenbar als Kind, ist aber noch im Bardo und jetzt ein Ofen? Bin verwirrt, aber das klärt sich bestimmt noch.

Sehr rührend fand ich auch die Szene, als Lincoln den Leichnam seines Sohne in den Arm nimmt...

Die realen und fiktiven Quelltexte dazwischen, welche die Sphäre der Lebenden beschreiben, sind wirklich gut arrangiert. Leider haben die Urheber keinen so hohen Wiedererkennungswert. Einige tauchen zwar wiederholt auf. Aber es scheint keine Rolle zu spielen, von wem welches Zitat stammt. Bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht.
Na, das war mir ja vollkommen klar, dass du das Buch klasse findest :p:D:rolleyes:...
Ich dachte auch zunächst puh na großartig, das geht ja gar nicht, beschloss aber mich einzulesen, schließlich habe ich mit derart von Stücken ja kein Problem, im Gegenteil, das könnte erfrischend sein. Bei Harry Potter Band acht, das ja auch so ähnlich aufgebaut ist, war´s ja auch großartig. Erstmal weiterlesen und auf den hier beschriebenen Sog warten, dachte ich....
aber es änderte sich nicht, dieses Gefühl, leider.
 
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