Erste Etage

Helmut Pöll

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Buchinformationen und Rezensionen zu Über uns: Roman von Eshkol Nevo
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Familienvater Arnon aus der ersten Etage erzählt die Geschichte seiner Familie. Es beginnt mit der Aneinanderreihung alltäglicher Begebenheiten, Senen aus dem Ehe- und Familienalltag. Er erzählt von den alten Nachbarn, Hermann und Ruth, die ab und an Tochter Ofri beaufsichtigen.
Doch dann passiert etwas. Eines Tages geht Hermann, der erste Zeichen von demenz zeigt, mit Ofri spazieren und kehr nicht zurück .der Vater findet sie in der Obstplantage. Hermann hat seinen Kopf auf dem Oberschenkel des Mädchens. Der Vater vermutet Missbrauch, doch die Polizei, die den Vorfall untersucht, verneint... aber das Misstrauen bleibt.
 

Leseglück

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Wem erzählt Arnon seine Geschichte? Dem Autor? Jedenfalls finde ich er erzählt im Alltagsjargon. Das ist leicht zu lesen und oft witzig! Wie er sich bei der Psychologin aufregt, wie sich das Ehepaar selbst in die Tasche lügt, was die Bezahlung der Nachbarn angeht usw.

Ein "Jecke" ist übrigens ein deutscher Jude, der nach Israel ausgewandert ist. Die Nachbarn werden als Jecken bezeichnet. Offensichtlich werden denen besondere Eigenschaften - wie z.B. Stolz zugeschrieben.

Arnon ist auch deshalb so wütend auf die Nachbarn weil er sich eine Mitschuld gibt an dem vermeintlichen Missbrauch...nur weil er ein gutes Rad beim Spinning bekommen wollte, hat er seine Tochter zu dem dementen Nachbarn gegeben, der zu der Zeit allein war, also ohne seine Ehefrau. Das hätte er wirklich nicht tun sollen. Ich bin bespannt ob wir definitiv erfahren werden, ob ein sexueller Übergriff stattgefunden hat oder nicht...
 

Helmut Pöll

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Helmut Pöll

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@Leseglück -unter Bezug auf Deinen Spoiler:
Ich glaube nicht, dass wir definitiv erfahren werden, was tatsächlich geschehen ist. Was ich für mich herauslese ist, dass wir letztlich niemanden wirklich gut kennen und jeder für eine Überraschung gut sein kann, mit der man überhaupt nicht rechnen.
 

Querleserin

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Ich habe die erste Etage jetzt fertig gelesen und wir erfahren weder, wem er die Geschichte erzählt. Nur, dass es ein Freund ist, den er schon über ein Jahr nicht mehr gesehen hat und dass dieser ein Schriftsteller ist. Dürfen wir jetzt alles über den Inhalt schreiben, oder muss ich alles in Spoiler setzen? Zur Sicherheit:
Dass Arnon sexbessen ist, wie seine Aylet behautet, bewahrheitet sich zumindest am Ende. Er lässt sich von der Enkelin der Wolfs (eine Anspielung auf den bösen Wolf?) verführen und läuft Gefahr, dass diese den Seitensprung seiner Frau verrät. Die Geschichte endet offen:
"und jetzt kommt der Schluss. Und der muss gut sein. Denn auch so hat die Hauptperson schon genug gelitten und anderen genug Leid zugefügt."
Er verlangt vom Autor (?) ein gutes Ende der Geschichte. Mal abwarten, ob wir über die anderen Etagen das Ende dieser Geschichte mitbekommen.
Der Schreibstil gefällt mir gut, ich musste auch mal lachen zwischendrin, noch mehr habe ich aber den Kopf über Arnons paranoide Verdächtigungen geschüttelt. Der versuchte Mord an Herrmann geht wirklich zu weit...
 

wal.li

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Ich habe mich auch gefragt, wem Arnon die Geschichte erzählt. Ich dachte an einen Bruder oder Freund, bei dem er sich lange nicht gemeldet hat und der Schriftsteller ist.

Die Geschichte von Arnon und Ayelet ist ganz schön heftig, wobei es ja unklar bleibt, was tatsächlich passiert ist, wie kleine Tochter kann es nicht ausdrücken und Herrmann ist zu krank. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass Arnon und seine Frau das ältere Ehepaar etwas ausgenutzt haben, wenn sie ihre Tochter mal abgeben wollten. Arnon wirkt nicht sehr sympathisch, aber was, wenn er doch richtig liegt?

Ich stelle mir vor, dass man in den weiteren Etagen, die wahrscheinlich andere Hauptthemen haben, beiläufig etwas zu den anderen Geschichten erfährt, so dass man schließlich eine runde ganze Story hat.
 

Helmut Pöll

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Die Geschichte von Arnon und Ayelet ist ganz schön heftig, wobei es ja unklar bleibt, was tatsächlich passiert ist, wie kleine Tochter kann es nicht ausdrücken und Herrmann ist zu krank.
Die Situation im Krankenhaus mit Hermann ist einfach zu krass. Arnon ist mir, bei allem Verständnis für seine Situation, unsympathisch. Er scheint ein ziemlicher Choleriker zu sein.
Ich habe mir schon überlegt, ob die Hausbewohner aus Etage 2 und 3 vielleicht etwas beobachtet haben, was die Geschehnisse in der Plantage vielleicht aufklären könnte. Was meint ihr?
 

Leseglück

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Die erste Etage habe ich nun zu Ende gelesen

Arnon ist mir leider wenig sympathisch. Er scheint beim Erzählen auch nicht immer ganz ehrlich zu sein. Zum Beispiel nimmt er doch die Enkelin von Hermann nicht nur täglich zum Strand mit, um sich Informationen über die Sache in den Plantagen zu verschaffen! Er ist von ihr offensichtlich erregt. Letztendlich hat er jetzt Sex mit einer Minderjährigen, noch dazu mit der Enkeltochter desjenigen Mannes, den er pädophiler Handlungen an seiner Tochter verdächtigt. Die Geschichte dreht sich also. Er selbst sieht sich aber ständig als Opfer. Auch am Sex mit der Minderjährigen macht er nur sie verantwortlich. Als erwachsener Mann wäre es sein Job gewesen, gegenüber der Enkelin des Nachbarn klare Grenzen zu ziehen...Verlangen hin oder her. Übrigens weiß ich nicht genau wie alt diese Französin ist. Ich glaube das wird offen gelassen.

Interessant wäre es mal darüber nachzudenken, ob Arnon irgendwie Probleme mit seiner männlichen Identität hat. Er versucht seine Frau und seine Tochter zu beschützen aber bei beiden versagt er? Seine Frau braucht seinen Schutz nicht (die Geschichte beim Militär) und seine Tochter überlässt er einem dementen alten Mann...

Interessant finde ich, dass immer wieder Erinnerungen an die Militärzeit auftauchen. Bei uns spielt das Gott sei Dank weniger eine Rolle. Der Militärdienst scheint doch ein wichtiges Element in der Biographie von Israelies zu sein.
 

Helmut Pöll

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Der Militärdienst scheint doch ein wichtiges Element in der Biographie von Israelies zu sein.
Das ist er @Leseglück . Ich habe mal mit ein paar Israelis im Urlaub geplaudert. Mit 18 müssen alle einrücken, die Männer drei Jahre, die Frauen etwas weniger. Und mit dem Wehrdienst hier (bzw. den es hier gab) ist das angesichts der Dauerkrise wohl auch nicht zu vergleichen. Anschließend werden alle bis zum 50. Lebensjahr einer Reserveeinheit zugeordnet, wo sie bis zu 5 Wochen im Jahr zur Verfügung stehen . Das Militär spielt also im Leben von fast allen eine wichtige Rolle.
 

Helmut Pöll

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Da hätte er eine klare Grenze ziehen müssen... ich hoffe, dass wir in den anderen Etagen etwas mehr darüber erfahren.
Das sehe ich ganz genau so wie Du @Querleserin . Was ich mich auch frage, wie diese Familien aus dem ersten Stock wohl von außen wirken. Vermutlich ganz normal und unauffällig.

Meint ihr denn, dass Hermann was gemacht hat oder dass er einfach nur ein dementer, rührseliger, aber unschuldiger Opa ist?
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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So, die ersten Seiten sind gelesen, entschuldigt, dass ich jetzt erst einsteige, aber ich war etwas länger als gedacht mit dem Roman von Celeste Ng beschäftigt.
Ich fühle mich direkt wie in einem Gespräch, einer Erzählung eines guten Bekannten. Die Vermutung, dass es hier der Autor sein soll dem alles berichtet wird, liegt nahe. Zumal der Erzähler sein gegenüber bittet, nichts in seinen Büchern zu verpacken.
Für mich war nach wenigen Seiten bereits greifbar, dass der Leser nun eine unschöne Geschichte über Herrman und Ofri offenbaren wird. Bin gespannt um was genau geht.

Werde mir eure Beiträge aber erst durchlesen, wenn ich die komplette Etage beendet habe. Die Gefahr etwas wichtiges vorwegzunehmen ist sonst einfach zu groß
 
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Das sehe ich ganz genau so wie Du @Querleserin . Was ich mich auch frage, wie diese Familien aus dem ersten Stock wohl von außen wirken. Vermutlich ganz normal und unauffällig.

Meint ihr denn, dass Hermann was gemacht hat oder dass er einfach nur ein dementer, rührseliger, aber unschuldiger Opa ist?
Ich hoffe auf deine zweite Variante. Arnon scheint selbst "sexbesessen" zu sein, wie seine Frau ihm vorwirft, und ich glaube, er sieht Gespenster. Dass Ofri danach verstört ist, mag auch mit der Situation vorher zusammenhängen. Sie erlebt einen hilflosen Erwachsenen, der verzweifelt ist und keine Orientierung mehr hat und der seine Blase nicht mehr kontrollieren kann. Vor allem das Bild, das sie bei der Psychologin gezeichnet hat, hat mich überzeugt. Arnon Reaktion ist völlig überzogen.
 

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Also ich glaube auch nicht, dass Hermann sexuell übergriffig war...Arnon steigert sich da in was rein. Vielleicht weil er ein schlechtes Gewissen hat weil er seine Tochter einem dementen Mann zur Betreuung gegeben hat. Allerdings habe ich keine richtige Erklärung für die Verhaltensauffälligkeiten...
 
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Anjuta

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8. Januar 2016
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Das Wort, das mir zu der Ersten Etage einfällt ist in erster Linie: Selbstmitleid. Davon trieft der Erzähler nur so und das macht ihn, das macht Nevo bewusst - sehr unsympathisch.
Höhepunkt dieses Eindrucks ist die folgende Stelle:
S. 80:
"Und den Richter wird nicht interessieren, dass sie es war, die mir von ihrem Vibrator erzählt hat, den sie in Paris liegen gelassen hat, und dass sie sich ausgezogen hat, ohne dass ich sie auch nur berührt hätte.
Das ist wie mit Gaza. Kein Mensch auf der Welt interessiert sich dafür, dass sie uns jahrelang mit ihren Kassam-Raketen beschossen haben, bevor wir da reingegangen sind, um aufzuräumen."

Dieser Vergleich - also wirklich!?! Das hätte sich Nevo wirklich sparen können. Das ist nun wirklich zu dick aufgetragen und eine Nummer zu groß!
Wenn Nevo uns hier in diesem Haus ein Abbild des modernen Israel geben will, dann hat er nicht gerade ein besonders gutes Bild davon.
Aber mal sehen: es gibt ja mehrere Teile und da kommt ja auch noch das Personal der anderen Etagen. Ich bin weiter offen ....
 
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Endlich habe ich auch die erste Etage gelesen. Ich bin völlig verwirrt, was ich von dem Roman halten soll... Da ist dieses Ehepaar, das Geld sparen will und das Kind einem Nachbarn überlässt, dem man es besser nicht überlassen sollte - zuverlässig ist etwas anderes. Der Erzähler scheint mir völlig überspannt zu sein. Er kommt von einem Extrem zum anderen, hat seine Gefühle (in mehreren Beziehungen) nicht im Griff, wirkt cholerisch. Die Aktion mit Der Französin ist doch ohne Worte! So blöd kann Mann doch gar nicht sein. Dass das Mädel psychisch gestört ist, musste ihm doch auch zuvor schon klar sein. Die Konsequenz geschieht ihm nur recht, Mitleid habe ich null. Im Grunde interessiert es mich - im Gegensatz zu euch - nicht, was zwischen dem Nachbarn und Ofri stattgefunden hat. Und ich kann euch nicht erklären, warum das so isto_O.
Das ist alles so ..... ???

Das ist leicht zu lesen und oft witzig!
Nein. War für mich nicht witzig. Eher nervig ;)
Also ich glaube auch nicht, dass Hermann sexuell übergriffig war...Arnon steigert sich da in was rein.
Ja. Sehe ich genauso!
 
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Literaturhexle

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Der Erzähler ist ein seltsamer Kauz, der seine Version der Geschichte erzählt. Dabei gibt er ja auch Negatives von sich preis: dass er als Selbständiger gescheitert ist zum Beispiel; dass er weinte, als er keinen Kredit mehr bekam.
Auch die Schilderung seines Sexuallebens mit Hang zu Sadomaso (auch in den Träumen über die Französin)... eigenartig.
Dass er den alten Mann gewürgt hat, zeigt ja auch, dass er zur Gewalt neigt.

Im literarischen Quartett kam heraus, dass diese erste Etage für das Unterbewusste steht, die anderen werden das wohl noch ergänzen. Warten wir's ab!
 
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Nein. War für mich nicht witzig. Eher nervig ;)
Ich glaube ich weiß was du meinst. Es ist nervig wie er versucht, seine ganzen Fehler zu verteidigen. Das ging mir auch so. Aber teilweise fand ich das auch schon so überzogen, dass ich grinsen musste.
In dieser Etage geht es ja um das "Es" im Sinne Freuds...da ist also das Ausleben der Triebe angesagt, einschließlich Verdrängung.
 
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