Erik Neutsch

Tiram

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4. November 2014
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Erik Neutsch wurde am 21. Juni 1931 in Schönebeck, Kreis Calbe a./S., preußische Provinz Sachsen, geboren.
Er stammte aus einer Arbeiterfamilie. Nachdem er die Oberschule besuchte und das Abitur bestand, trat er 1949 der SED und der FDJ bei. Anfang der 50er-Jahre studierte er Gesellschaftswissenschaften und Journalistik an der Universität Leipzig. Er verließ die Uni als Diplom-Journalist und arbeitete anschließend bis 1960 in der Kultur- und Wirtschaftsredaktion der Zeitung „Die Freiheit“ in Halle/Saale.

Im Anschluss war Neutsch als Schriftsteller und Journalist tätig, trat 1960 dem Schriftstellerverband der DDR bei (von 1963 bis 1965 war er Vorsitzender des Bezirksverbandes Halle) und wurde 1963 Mitglied der SED-Bezirksleitung Halle/Saale. 1966 spielt er in dem mehrteiligen Fernsehfilm „Columbus 64“ von Ulrich Thein sich selbst. 1970/71 leistete er ein freiwilliges Jahr als Politoffizier bei der Nationalen Volksarmee.

Erik Neutsch war vielseitig. Er schrieb Romane, Erzählungen, Kinderbücher, Essays, Gedichte und Drehbücher. Sie setzten sich durchweg mit gesellschaftlichen Problemen des real existierenden Sozialismus auseinander, waren aber stets parteitreu. Sein wohl bekanntester Roman und auch der größte Erfolg war das Buch Spur der Steine, in dem sich der Arbeiter Balla auf einer Großbaustelle vom Nonkonformisten zum angepassten Mitglied der sozialistischen Gesellschaft entwickelte. Mit einer Auflage von über 500.000 Exemplaren war es eines der erfolgreichsten Bücher der DDR-Literatur; die Verfilmung durch Frank Beyer mit Manfred Krug wurde 1966 drei Tage nach der Uraufführung vom Spielplan abgesetzt und erst 1989 nach der Wende wieder aufgeführt. Auch sein Roman „Auf der Suche nach Gatt“ wurde erst fünf Jahre nach Fertigstellung 1973 veröffentlicht.
Sein erklärtes Hauptwerk war „Der Friede im Osten“, an dem er seit 1970 bis zum Lebensende schrieb. Das Schlußkapitel des 5. Bandes blieb unvollendet; den bis 1990 konzipierten 6. Band „Jahre der ruhigen Sonne“ konnte Neutsch nicht mehr verfassen.
Seit 1974 gehörte er als ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR an; seit 1990 war er Mitglied des Verbandes deutscher Schriftsteller.
1994 erschien sein erster Roman nach der Wende: „Totschlag“. Darin geht es um die Folgen von ungelösten Eigentumsproblemen nach der Wiedervereinigung.

Neutsch war zweimal verheiratet und lebte zuletzt in Halle-Dölau. Aus seiner ersten Ehe mit Helga Neutsch, geb. Franke, (verstorben 1996) hat er zwei Töchter: Marita Neutsch, geb. 1954 (Autorin von „Auf der Spur meiner Träume“) und Corinna Schmidt, geb. Neutsch, geb. 1962 (Autorin von „Lea wünscht sich einen Hund“).
Marita Neutsch pflegt zur Erinnerung an ihren Vater einen Blog: http://erik-neutsch.de/

Erik Neutsch starb am 20. August 2013 in Halle (Saale), Sachsen-Anhalt.

Fünfzehn IMs behielten ihn im Auge, seine Stasi-Akte ist 500 Seiten stark. Es machte ihm bis zuletzt zu schaffen, dass er sich Mitte der 70er-Jahre an den Kampagnen gegen Stefan Heym, Wolf Biermann und Rainer Kunze beteiligte.
Im 4. Teil von „Der Friede im Osten“ schloss er sich der DDR-Lüge an, dass die Nationale Volksarmee 1968 nicht am Einmarsch des Warschauer Pakts in der ČSSR beteiligt war – dafür schrieb er zumindest an Vaclav Havel noch einen Entschuldigungsbrief.

Zitat
„Ich für meinen Teil zog mir oft den Unmut gewisser Funktionäre zu, wenn ich meinte, statt des realen sollte man wieder mal den idealen Sozialismus auf die Fahnen schreiben, dessentwegen ich in die Partei eintrat.“