Drittes Kapitel

Leseglück

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Settembrini ein Drehorgelmann (wie Hans meint) oder ein Zauberer wie ihr meint...hmm ich finde er ist ein Philosoph. Er ist ja Humanist und hat Sendungsbewusstsein, er tritt eher wie ein Lehrer auf. Als jemand der Interesse daran hat sich mit Hans geistig auseinander zu setzen und ihn aus seiner Sicht zu einem richtigen Denken zu erziehen.
Aber das schöne an dem Roman ist ja, dass er verschiedene Interpretationsebenen zulässt wie ich finde.
 

Literaturhexle

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hmm ich finde er ist ein Philosoph.
Da würde ich dir nun zustimmen. Der erste Auftritt Settembrinis wirkte auf mich einem Magier gleich. Jetzt hatte er ja schon mehrere Einsätze: er schwadroniert gerne u d philosophiert. Selbst Hans bemerkte an einer Stelle, dass man ihm kein Stichwort liefern dürfe, weil sonst die langen Belehrungen folgen. (Selbstverständlich hat Mann das weit schöner formuliert.)
Die "rot gekleidete Frau von reicher Körperlichkeit", ist das nicht vorzügliche deutsche Sprache...? :rolleyes:
Heute würde man sagen: Sie ist fett. :(
 
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Krischan

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Ich glaube, eine manchmal etwas makaber anmutende Todessehnsucht spielt hier wie dort eine Rolle - DFW mit seinen schweren Depressionen - und die Suizide in der Mannschen Familie häufen sich ja auch bemerkenswert ... allerdings erst später!
Und zu #Literaturhexle
Manchmal merkt man Thomas Manns Sprache an, dass er nicht gerade ein großer Verehrer der Damenwelt war, finde ich.
 
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Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich stehe auf dem Schlauch: Wer ist DFW?
Ich habe von David Foster Wallace nur mal ein oder zwei Erzählungen gelesen. Zu der Zei tals er von der Presse, z.B. ZEIT so sehr gelobt wurde( ich glaube vor ca. 6 Jahren) Der Roman: unendlicher Spaß war da nach langjähriger Übersetzungsarbeit auf Deutsch erschienen. Ein massiver Wälzer, den ich immer mal in der Bücherei anschaue und dann doch nicht mitnehme. Soll eines der genialsten Bücher der letzten Jahrzehnte sein, geschrieben von einem Ausnahmetalent.
 
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Krischan

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ISoll eines der genialsten Bücher der letzten Jahrzehnte sein, geschrieben von einem Ausnahmetalent.
Ich habe es damals gekauft, aber mein Sohn hat es sich geschnappt, alle haben damals darüber geredet, aber ich habe es nie zu Ende gelesen. Wallace ist 2008 durch Suizid umgekommen, in einer depressiven Phase, er beschreibt seine Depressionen auch in diesem Buch. Wäre too much für mich! Aber ich sehe in der Todessehnsucht, die durch manche Abschnitte des Zauberbergs ›weht‹ eine Gemeinsamkeit - in der Familie Mann hat es ja auch mehrere Suizide gegeben, das hat wahrscheinlich Gründe ....
 
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Literaturhexle

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Manchmal merkt man Thomas Manns Sprache an, dass er nicht gerade ein großer Verehrer der Damenwelt war, finde ich.
Lol
Dieser kleine Rückblick zu seinem Schulkameraden Hippe hat doch auch etwas homophiles... Wie er ihn über Monate anschaut.... sich schließlich einen Bleistift leiht.... Die Späne desselben verwahrt....
Ich habe letztens in den Tod in Venedig hineingehört, der als Hörbuch sber zu kompliziert ist. Auf alle Fälle fühlte ich mich an die Beschreibungen des jungen Burschen erinnert.
Es wundert mich, dass Thomas Mann sich diese Anspielungen leisten könnte. Homoerotik muss doch auch damals eine unaussprechliche Sache gewesen sein?
 
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Krischan

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Homoerotik muss doch auch damals eine unaussprechliche Sache gewesen sein?
Ja, mit Sicherheit, sie wurde ja sogar geahndet! § 175 wurde doch erst (1994?) bei uns abgeschafft. Aber Thomas Mann war ja mehr ein Gedanken›täter‹. Wie sagt Hans zu seinem Vetter: ›Siehst du wohl, dass es in der Literatur auf die schönen Worte ankommt?‹ Und mit schönen Worten lässt sich alles ausdrücken ... Man kann sich etwas dabei denken oder auch nicht! Ich habe als Grundschülerin mal für eine Lehrerin geschwärmt, wenn ich heute mein Tagebuch von damals lese, könnte ich befremdet sein über die Gedanken, die ich da äußere, aber so was ist völlig normal, wobei man mit dem Ausdruck ›normal‹ ja auch sehr behutsam umgehen muss, was man heute wohl auch weitgehend tut ...
 

Helmut Pöll

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Zu der Zei tals er von der Presse, z.B. ZEIT so sehr gelobt wurde( ich glaube vor ca. 6 Jahren) Der Roman: unendlicher Spaß war da nach langjähriger Übersetzungsarbeit auf Deutsch erschienen. Ein massiver Wälzer, den ich immer mal in der Bücherei anschaue und dann doch nicht mitnehme. Soll eines der genialsten Bücher der letzten Jahrzehnte sein, geschrieben von einem Ausnahmetalent.
Ich habe das Buch schon vor längerer Zeit gelesen und kann die Begeisterung darüber in keiner Weise nachvollziehen. Natürlich sind die Geschmäcker verschieden, vielleicht sind mir auch die entscheidenden Stellen entgangen. Für mich war "Unendlicher Spaß" primär "unendliche Langeweile". Sicher gibt es eine Reihe schöner Ideen in dem Buch, aber insgesamt war es doch eine Aneineinanderreihung von Belanglosigkeiten, meiner Meinung nach.

In garstigen Momenten denke ich mir: man nehme Anekdoten aus dem amerikanischen Hinterland (die alle unsere Vorurteile über gewisse US-Bürger bestätigen), möglichst ungekürzt in der Länge des Ulysses, möglichst von einem Autor mit massiven psychischen und Drogenproblemen, schon hat man die Mixtur beisammen, bei der der Applaus des deutschen Hochfeuilletons so sicher ist wie das Amen in der Kirche.
 

Helmut Pöll

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Es wundert mich, dass Thomas Mann sich diese Anspielungen leisten könnte. Homoerotik muss doch auch damals eine unaussprechliche Sache gewesen sein?
Bestimmt. Heute sind sich die Thomas-Mann-Experten darüber einig, dass der Meister eine ziemliche Vorliebe für junge Männer hatte. Weiß man das, dann finden sich Anspielungen in fast allen seinen Geschichten. Am Offensichtlichsten ist das natürlich in "Tod in Venedig", wo es im Grund ja nur "darum" ging. Heute fällt uns das auf, weil das Thema nicht mehr unter den Teppich gekehrt wird. Ich könnte mir aber vorstellen, dass damals viele einfach darüber hinweg gelesen haben.
 

Helmut Pöll

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Aber ich sehe in der Todessehnsucht, die durch manche Abschnitte des Zauberbergs ›weht‹ eine Gemeinsamkeit - in der Familie Mann hat es ja auch mehrere Suizide gegeben, das hat wahrscheinlich Gründe ....
Die Todessehnsucht, die man bei Thomas Mann öfter findet, hat sicher Gründe, vielleicht in den ungelebten Teilen seines Lebens. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er hinter seiner großbürgerlichen Fassade oft ziemlich unglücklich gewesen ist, ähnlich einem Zirkuspferdchen, das lustlos vor der begeistert applaudierenden Menge seine Kunststücke vollführt.
 

Krischan

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[QUOTE="Helmut Pöll, post: 47202, member: 7"In garstigen Momenten denke ich mir: man nehme Anekdoten aus dem amerikanischen Hinterland (die alle unsere Vorurteile über gewisse US-Bürger bestätigen), möglichst ungekürzt in der Länge des Ulysses ...

Apropos ›Ulysses‹: Mir ist dabei prompt eine kleine Anekdote aus meinen Ausbildungsjahren eingefallen, die leider gar nichts mit unserem ›Zauberberg‹ zu tun hat, die sich aber in der Hansestadt Lübeck begeben hat, wenigstens das …. Ich bitte um Nachsicht!
Als junge Bibliothekspraktikantin - im Erstberuf war ich Dipl.Bibliothekarin, - habe ich schon früh Leserberatung in einer großen Öffentlichen Bücherei in Lübeck machen dürfen, was mir viel Spaß gemacht hat. Aber nicht immer! Es gab da einen kleinen, glatzköpfigen älteren Herrn, der mir ständig in den Ohren lag, ich möge ihm doch Bücher mit ›S-tellen‹ raussuchen, was er damit meinte, war mir schon klar. Aber solche Bücher - wie zum Beispiel ›Der Wendekreis des Krebses‹ standen damals bei uns im sogenannten ›Giftschrank‹ unter Verschluss ... Ich habe den armen Mann immer wieder mit seichten Liebesromanen abgespeist, die ihm sicher nicht behagten, aber er blieb am Ball.
Eines Tages platzte mir der Kragen, und ich habe ihm entschlossen den ›Ulysses‹ von James Joyce in die Hand gedrückt. ›Daran wird er sich die Zähne ausbeißen‹ dachte ich. Von wegen! Einige Wochen später war er wieder da und teilte mir glückstrahlend mit: ›Frollein, das Buch hatte ja nicht nur S-tellen, das war ja dorch und dorch. Haben Sie noch mehr von diesem Jo-icke?‹ Nun, ich habe dabei etwas gelernt: Unterschätze nie deine Leser! Unter uns Praktikantinnen hatte der Mann aber seinen Spitznamen weg: ›Jo-icke‹!
 

Krischan

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Ist das Werk denn wirklich sooooo schlüpfrig, dass es in den Giftschrank gehört? Ich hatte mal das Hörbuch begonnen, was aber zu konfus. Muss man wahrscheinlich ähnlich konzentriert lesen wie unseren Zauberberg.
Also, es waren ganz andere Zeiten, aber ich zitiere ich einfach mal
kurz Wolfgang Wicht: EIN JAHRHUNDERT.-.ROMAN: ULYSSES VON JAMES JOYCE:
›Dieser Roman arbeitete mit Textpassagen von vorsätzlicher Obszönität und Blasphemie gesellschaftlicher Verlogenheit entgegen.‹ Es ist ein großartiges Buch, bestimmt, aber die Leser davor schützen zu wollen, ist absurd, aber so war das damals, man glaubt es nicht mehr! Giftschränke gibt es wohl in keiner Bücherei heutzutage mehr! Und Jo-icke hätte heute ganz andere Möglichkeiten, an ›Pornos‹ zu gelangen. Dass er sich durch den Ulysses gekämpft hat, zeugt ja von Intelligenz und Geschmack, der hat sich wahrscheinlich nicht nur die S-tellen rausgepickt, ich wollte auch das eigene Vorurteil in Frage stellen. Aber nun ja, man war halt noch sehr jung ....
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Wow du hast "Unendlicher Spaß" gelesen von DFW? Das imponiert mir, wollte ich auch immer mal lesen habe mich aber nicht rangetraut.
Nein, habe ich leider nicht :( Ich bin irgendwie bis Seite 300 gekommen und habe dann das Buch erst mal auf meine riesige Halde gelegt. So schlimm wie @Helmut Pöll fand ich es jedoch nicht und habe mir auch fest vorgenommen, nochmals einen Anlauf zu wagen. Ich empfand es weniger als Roman als mehrere mehr oder weniger unabhängig voneinander erzählte Geschichte. Die Sache mit RollstuhlfahrerInnen-Terrorgruppe - einfach klasse :D

Das Buch wäre sicherlich auch eine Herausforderung für eine Leserunde hier - vermutlich dann aber ohne @Helmut Pöll - oder ;)?
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Das Buch wäre sicherlich auch eine Herausforderung für eine Leserunde hier - vermutlich dann aber ohne @Helmut Pöll - oder
Es spricht überhaupt nichts gegen eine Leserunde, aber in diesem sehr speziellen Fall ohne mich ;). Ich habe dieses Problem wie mit David Foster Wallace aber mit einigen US-Autoren, deren Schreibstil mir überhaupt nicht zusagt, weil er in seinen ausufernden Beschreibungen für mich langweilig ist.
 
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