Dritter Teil

Literaturhexle

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2. April 2017
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Juni 1845 - Februar 1846
In diesem Abschnitt steht die mittlerweile fast 19-jährige Antonie im Mittelpunkt. In die Familie schleicht sich ein angeblich sehr wohlhabender Geschäftsfreund des Konsuls, Bendix Grünlich aus Hamburg, ein. Er scheint sehr gefällig, redet jedem, was er hören will. Tony ist von diesem Betragen angewidert. Dennoch beginnt Grünlich, um die junge Frau zu werben, sie jedoch zeigt ihm zunächst die kalte Schulter, gibt schnippische Antworten und versucht, sich ihm zu entziehen.

Die Eltern Buddenbrook fördern diese Verbindung aufs Äußerste und beim Lesen ist mir regelrecht übel geworden. Grünlich macht ihr einen Heiratsantrag, den Tony ablehnt. Von vielen Seiten wird Einfluss genommen, um sie umzustimmen. In erster Linie von den Eltern, die sie an die Verantwortung der Familie gegenüber erinnern, doch sogar der Pastor von der Kanzel predigt in dieselbe Richtung und Bruder Thomas redet ihr auch gut zu. Das Mädchen grämt sich, ist verstört, nimmt ab und kränkelt. Schließlich hat man ein Einsehen und schickt sie über den Sommer nach Travemünde zur Erholung. Dort wird sie bei Familie Schwarzkopf untergebracht. Deren etwa 20-jähriger Sohn Morten studiert Medizin und befindet sich während der Ferien zu Hause. Tony verbringt viel Zeit mit ihm. Die beiden führen vertrauliche Gespräche, in denen Morten ihr auch seine Ideale der Gleichheit und Freiheit aller Menschen offenbart. Gegen Ende der Ferien nimmt er Tony das Versprechen ab, Grünlich abzusagen und ihn am Ende seiner Ausbildung zu heiraten.

Tony erklärt sich in Folge schriftlich ihrem Vater. Dieser scheint Grünlich über die veränderte Lage zu informieren (!), denn jener taucht entsetzlich standesbewusst und arrogant im Hause Schwarzkopf auf und stutzt den Vater zurecht. Morten wird zügig zurück nach Göttingen geschickt, verabschieden können sich die beiden Liebenden nicht.

Sobald Tony wieder in ihrer gewohnten Umgebung ist, verspürt sie großes Pflichtbewusstsein der Familie gegenüber und entscheidet sich doch für eine Heirat mit Grünlich. Dieser Schritt tut beim Lesen regelrecht weh, weil man Grünlich die vorgespielte Tiefe seiner Gefühle nicht abnimmt; zu theatralisch bringt er sie vor, droht gar mit Selbstmord, wenn Tony ihn nicht erhöre....:eek:
Sobald er das Ja-Wort hat, kühlt seine Leidenschaft auch merklich ab:
[zitat]Zuweilen verwunderte sich Tony ein wenig, dass sein Glück jetzt der Verzweiflung, die er bei ihren Weigerungen an den Tag gelegt hatte, kaum zu entsprechen schien. Er betrachtete sie lediglich mit einer heiteren Besitzermiene...[/zitat]
Abschreckend empfand ich die Verhandlung über die Höhe des Brautgeldes. Man hat wahrhaft den Eindruck, dass hier eine Kuh oder ein Pferd den Besitzer wechselt. Buddenbrook verkauft seine Tochter, um selber zu mehr Einfluss und Geld zu kommen. Furchtbar!

Als bei Abreise der Brautleute Bethsy ihren Mann fragt, ob Tony wohl glücklich mit Grünlich ist, antwortet der Konsul:
[zitat]Ach Bethsy, sie ist zufrieden mit sich selbst; das ist das solideste Glück, das wir auf Erden erlangen können[/zitat]
Die Familie erwartet die Unterordnung der persönlichen Wünsche unter ein großes Ganzes, der Einzelne ist nur "das Glied in einer Kette". Das läuft völlig konträr zum heutigen Glücksbegriff und dem Recht auf Individualität und Selbstverwirklichung.

Das letzte Kapitel führt uns in eine kleine Blumenhandlung. Thomas B. besucht dort seine Geliebte Anna, mit der er seit 18 Monaten eine Beziehung führt. Beide müssen sich trennen, weil Thomas nach Amsterdam gehen wird. Auch hier kommen die Standesunterschiede zum Ausdruck, für Thomas war es von jeher klar, dass er diese Frau nicht heiraten wird. Sie ist jedoch sehr traurig.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Dieser Leseabschnitt ist für mich jetzt gefühlvoller und gefällt mir deutlich besser.

Antonie soll also heiraten, den Widerling Grünlich, und dann kam Morten … hhmm … schon etwas viel, aber mein Gott, warum nicht auch etwas Liebesschmerz. Hier wird noch etwas kommen, denke ich und ein Blick auf den Stammbaum zeigt ja auch eine gewisse Endlichkeit :p

Schockiert hat mich etwas, dass der Widerling Informationen über Morten bekommen hat, es passt aber leider in die Zeit. Ich vermute hier den Vater als Ursache, denn wenn der Pfarrer schon in der Sonntagspredigt wettert, warum nicht auch den nächsten Verrat. Auch die Frage von Tony am Ende, ob ihr Vater mit ihr zufrieden ist :( passt dazu.

Auch enthalten ist hier eine gehörige Portion Gesellschaftskritik.

Thomas hat also auch eine nicht standesgemäße Freundin, kann also Tony doch besser verstehen, als sie dachte.

Bin gespannt wie es weiter geht. :)

Und ja @Literaturhexle , du hast Recht, es wird besser. :))
 
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