Rezension Die schwarze Orchidee / The black Orchid - Annis Bell

Sakuko

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27. Juni 2016
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NRW
Buchinformationen und Rezensionen zu The Black Orchid von Annis Bell
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Lady Jane wird von ihrer guten Freundin Alison in die abgeschiedene Gegend von Northumberland gerufen, wo sie wegen Schwangerschaftskomplikationen bettlägerig bei ihrer Cousine Charlotte festsitzt. Alison vermutet eine Gefahr für ihre Cousine, die in letzter Zeit kränklich ist und deren Mann sich nur noch für seine seltenen Orchideen interessiert.
Jane reist gegen den ausdrücklichen Willen ihres Mannes David dorthin um Alison beizustehen, während dieser in London dem Tod eines kommerziellen Orchideengärtners nachgeht.

Ich habe die Übersetzung des deutschen Titels ins Englische gelesen. Nach einen etwas holprigen Start mit ein paar eindeutig zu deutschen Satzbauten in der Einleitung ist die Übersetzung wirklich gut und ließt sich wie ein Original.

Ich war sehr neugierig auf dieses Buch, da ich selbst Biologie studiert habe und außerdem ein besonderes Faible für viktorianische Krimis habe.
Leider konnte sich das Gefühl nicht halten und mir fehlen fast alle Elemente, die ich sonst an viktorianischen Krimis zu schätzen weiss: eine Gruppe Charaktere und ihre Beziehungen in der Tiefe kennen zu lernen, eine sympathische Ermittlerin und die Möglichkeit mit zuraten, wer der Täter ist.

Mein Problem mit dem Buch ist zum einen, das die Charaktere alle sehr flach bleiben und daher ziemlich stereotyp rüber kommen. Ich hatte einfach oft das Gefühl, dass ich schon oft über diese Personen gelesen habe:
Der grimmige, ältere Ehemann, der sich nur für sein Hobby interessiert, die junge, liebenswerte Ehefrau, die sich langweilt und nichts hat als ihre Kinder, der kleine Junge mit den sadistischen Tendenzen, die kühle Gouvernante die ein Geheimnis verbirgt.
Keiner der Charaktere scheint mehr als eine Dimension verdient zu haben und entsprechend wirkt auch vieles einfach vorhersehbar.

Hinzu kommt, das Jane mir als Charakter auch nur mäßig sympathisch ist. Ihr extremer Eigensinn, der für ihre Zeit einfach ungewöhnlich und überzeichnet ist, hat mich gestört, und auch wenn ich ihre humanitären Tendenzen befürworte, fand ich ihre dickköpfige und übermäßig direkte Art einfach nicht passend.
Ich fand sie auch als Ermittlerin sehr ineffizient. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie die Geschichte jemals weitergebracht hat. Ich habe bei ihr das Bild eines Elefanten im Porzellanladen. Sie hat sich ihre Informationen nicht durch subtile Befragung, clevere Hinweise oder Vertrauensgewinn besorgt. Sie fragt einfach direkt und bekommt entweder eine Antwort, oder blitzt halt öfters ab.

Ihr Mann David zeigt sich da bei seinen Ermittlungen schon effizienter und ist mir ehrlich gesagt auch wesentlich sympathischer als Jane es ist. Allerdings sind seine Stellen auch düsterer und auch er zeigt kein besonderes Maß an Subtilität, was mich vermuten lässt, das die Autorin das einfach nicht darstellen kann.

Allerdings kommen wir damit auch zu meinem letzten Problem. Es gibt kaum rote Heringe in diesem Buch. Vor der großen Auflösung gibt es generell wenig Hinweise, die einem als Leser etwas bringen. Ich konnte nicht mitraten oder mitfiebern, weil mir einfach die Informationen fehlten.
Klar, David findet ein paar Informationen, aber eigentlich ermittelt er in einem völlig anderen Fall, dessen einziger Bezug zu sein scheint, dass beide mit Orchideen zu tun haben. Erst ganz am Ende ergibt sich eigentlich überhaupt, dass und wie die Fälle überhaupt etwas miteinander zu tun haben, obwohl sich David, Jane und die Beteiligten Polizeibeamten alle irgendwie von Anfang an sicher sind, dass diese Dinge zusammen gehören.

Auch gibt es immer wieder sehr lange Briefe, die ein Orchideenjäger an Charlottes Ehemann geschrieben hat. Die fand ich ehrlich gesagt zu anstrengend und sie haben mich eher an Abenteuerliteratur erinnert. Viel zu langatmig für Briefe, wurde immer wieder über Probleme bei der Beschaffung von 2 seltenen Orchideen geschrieben, detaillierte Schilderungen von Scharmützeln mit Einheimischen und anderen Jägern, schlechte Wetterverhältnisse, Unwirksamkeit, Krankheiten, etc.

Alles in allem ist das Buch zwar gut geschrieben und liest sich flüssig, aber mir fehlte über lange Strecken doch stark die Motivation weiter zu lesen, weil ich wieder die Charaktere noch das Mysterium fesseln fand.