Thema "Die langen Abende" von Elizabeth Strout ab 1.5.20

RuLeka

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30. Januar 2018
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„Ihr Sohn hatte seine Mutter geheiratet, wie es alle Männer - in der einen oder anderen Form- im Endeffekt tun.“
Einerseits hoffe ich zwar, dass ich nicht so bin wie meine Schwiegermutter , andererseits sehe ich zwischen meiner Schwiegertochter und mir einige Parallelen ( auch wenig schmeichelhafte )
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Mutterlos
Puh, was ist das für eine Geschichte! Ich kann mich in alles sehr gut einfühlen: ich kenne diese Besuche bei den Schwiegereltern, die sehr aufwändig sind mit kleinen Kindern. Mehrere Tage miteinander in einem Haus zu verbringen, ist eine Herausforderung - nicht zu vergleichen mit kurzen Halbtagestreffen. Sie erfordern Toleranz beider Seiten.
Allerdings haben wir alle ein herzliches Verhältnis und "nur eine Sorte" Kinder. Insofern ist es sehr harmonisch ;)

Ich verstehe Olives Vorbehalte: es ist ungewöhnlich, dass eine Frau bereits zwei kleine Kinder von zwei Männern hat und dann noch mehr will. Dennoch muss sie darüber stehen, sie alle achten. Es war Die Entscheidung von Chris.
Die Kinder machen es ihr aber auch nicht leicht: kein Gruß, kein Lächeln, kein Dank. Nur Schweigen. Da hätte ich auch keine Lust mich beliebt zu machen. Ich werfe Olive aber ihre schlechte Meinung vor: sie spricht schon im Vorfeld von schrecklichen Kindern, hat eine feste Erwartungshaltung, die sie bestätigt sehen will. Da kann man nur verlieren. Warum hat sie sich auf den Besuch nicht vorbereitet, nicht eingekauft? Das gehört doch dazu? Dass man fragt, was die Gäste gerne mögen. Die Cheerios habe ich auch gegoogelt, hatte an eine Form von Cornflakes gedacht.

Der Schal für Henry. Vor dem Hintergrund, dass Olive keinen Dank für die W-geschenke bekommen hat, ist es unverschämt, dass Ann nach weitere Gaben für die anderen Kinder fragt, auch sie hatte eine feste Erwartung, die sie beatätigt sehen will. Sie hat offensichtlich auch die Kinder schon gebrieft, bzw. haben sie mit ihren Antennen schon vor dem Besuch gespürt, dass das Klima zu Olive eher schlecht ist.

An der Frage der neuen Ehe eskaliert der mühsam gehütete Frieden. Hier mischt sich Chris in Mutters Leben auf unangebrachte Weise ein. Wenig Toleranz auf beiden Seiten.

Die Ehe der eigenen Eltern kennt man sehr gut. Insofern ist man vielleicht bereit ein ähnliches Modell zu akzeptieren wie der eigene Vater, die eigene Mutter?
Im Grunde hat Ann aber Recht: wie kann er seine Mutter für ihr neues Glück verurteilen und gleichzeitig sauer sein, dass Olive seinem so kritisch gegenüber steht.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die Kinder machen es ihr aber auch nicht leicht: kein Gruß, kein Lächeln, kein Dank. Nur Schweigen.
An den Kindern sieht man , wie daheim über die Oma geredet Wird. Das Ganze erscheint mir wie ein lästiger Pflichtbesuch.
Natürlich hätte Olive auch an kleine Geschenke für die anderen Kinder denken können. Aber hier war sie enttäuscht, dass keine Reaktion auf ihre Weihnachtsgeschenke kommt. Ihr steht der leibliche Sohn von Chris auch näher. Dass der selbstgestrickt Schal nach dem Besuch in einer Ecke liegenblieb, zeugt auch nicht gerade von Wertschätzung. Bei diesem Familientreffen kam es nicht zu einer Annäherung. Alle zeigen wenig Einfühlungsvermögen .
 

RuLeka

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Der Titel „ Mutterlos“ wirkt auf mich doppeldeutig: Ohne Mutter sein und Das Los einer Mutter. Ob es diese Assoziation im Englischen auch gibt, weiß ich nicht.
 
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30. Dezember 2015
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Vielen Dank für eure vielfältigen Beiträge zu Mutterlos, hatte echt Probleme mit diesem Kapitel, das hat mich extrem befremdet, vielleicht auch, weil wir sowohl mit meinen Eltern als auch Schwiegerletern ein sehr gutes Verhältnis haben.
Noch ein Nachtrag zu Kayley: Vielleicht will sie das Geld letztlich doch nicht, weil sie sich schuldig fühlt?
Der Titel „ Mutterlos“ wirkt auf mich doppeldeutig: Ohne Mutter sein und Das Los einer Mutter. Ob es diese Assoziation im Englischen auch gibt, weiß ich nicht.
Interessante Assoziation. Im Deutschen könnte man es auch als „Mutter, los“ - raus aus den Vorurteilen, hinein ins Familienleben lesen.
Obwohl das andere besser passt ;)
 

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Hilfe

Die Larkins tauchen auch in „Mit Blick aufs Meer“ auf. Olive besucht Mrs Larkin und erfährt so von deren Demenz, auch das schreckliche Verbrechen, das deren Sohn begangen hat, wird thematisiert.
Nun ist Mr Larkin Opfer eines Verbrechens geworden, Drogensüchtige haben sein Haus angezündet, so dass er verbrannt ist - ein schrecklicher Tod. Im Mittelpunkt des Kapitels steht Suzanne, die Tochter, die kaum noch Kontakt mit ihren Eltern hat. Vor zwei Jahren hat sie eine Vollzeitpflege organisiert, nachdem sie erkannt hat, dass ihr Vater ihre Mutter misshandelt, da er sie in ihrem dementen Zustand nicht mehr ertragen hat. Jetzt erbt Suzanne die Reste des Hauses und das Vermögen des Vaters. In ihrer Trauer wendet sie sich an Bernie,
(„hilf mir“) den Anwalt ihres Vaters, um mit jemandem über ihre Eltern und ihr Verhältnis zueinander zu sprechen. Sie glaubt, ihr Vater erkenne ihren Beruf nicht an, womit sie richtig liegt, auch wenn Bernie ihr das nicht sagt. Sie gesteht Bernie auch, dass sie eine Affäre hatte, wobei er ihr rät, diese geheimzuhalten, wenn sie denn vorbei sei.
Für Suzanne ebenfalls unerträglich ist, dass ihre Mutter, die inzwischen in einem Pflegeheim ist, sie für tot hält und nicht mit ihr spricht, obwohl sie Suzanne Lieblingskuscheltier „adoptiert“ hat. Auch über ihren Bruder, der ruhig gestellt ist, berichtet sie, davon, dass sie herausgefunden hat, dass ihr Vater mindestens eine Affäre hatte. Suzanne wirkt verzweifelt und erhofft mehr als nur Trost von Bernie?
Im 2.Teil des Kapitels wechselt die Perspektive zu Bernie, der über Sein Verhältnis zu Mr Larkin reflektiert und sich als sein Anwalt von dessen „Machenschaften“ beschmutzt fühlt. Auch Bernies Vergangenheit, seine Eltern sind im Konzentrationslager ums Leben gekommen, kommt zur Sprache. Interessant ist das Telefongespräch zwischen Bernie und Suzanne, indem sie von ihrem Glauben sprechen und sich dadurch gegenseitig helfen. Suzanne hat sich trotz ihres Elternhauses, mit dem sie fast keine positiven Erinnerungen verbindet (!), so etwas wie Unschuld bewahrt.
Unter diesen Umständen- Alkoholismus, eventuell sexueller Missbrauch ihres Bruders durch die Mutter, Geringschätzung durch den Vater, ein Wunder.
 

Literaturhexle

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Die Geschichte empfand ich für Suzanne als sehr bedrückend. Schutt an allen Enden!
Man kann ihr nur raten, dass sie ihre Ehe nicht auch noch riskiert, da stimme ich mit dem Anwalt überein, auch wenn sie am besten diese Affäre gleich gelassen hätte...

Mr Larkin wirkt durch die Reflexionen des Anwalts ja eher wie ein rücksichtsloser Kauz. Die Investements in Südafrika sind das eine, die zur Abtreibung abgefundene Geliebte das andere....

Vor dem Hintergrund nehme ich ihm den fürsorglichen Pfleger seiner Frau auch nicht ab. In dem Mann schlummern eine Menge Aggressionen.
Die sexuelle Anspielung der dementen Mrs Larkin wirkt auf mich wieder etwas abstrus, ähnlich wie das Bruststreicheln von Kayley.... Eine Mutter, die den Sohn sexuell missbraucht? Naja, möglich ist alles.

Die Parallele zu Bernies Eltern, die Holocaust Opfer waren, empfand ich auch als reichlich weit hergeholt. Etwas zu theatralisch. Am Ende dann noch diese esoterische Glaubensfrage, die wieder eine Verbindung schafft.

Ja, was erwartet Suzanne von Bernie? Ich bin gespannt, ob die Geschichte fortgeführt wird oder ob das alles war. Olive hatte ja nur zu Beginn Suzannes Auto an der Brandruine stehen sehen.
 

RuLeka

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Mir gefiel diese Figur des Anwalts. Seine Biographie hat ihn zu einem aufrechten Menschen gemacht, nicht zu so einem windigen Rechtsverdreher, wie man ihn aus Filmen oder Büchern kennt. Er fühlt sich eher beschmutzt, wenn er von dubiosen Geschäften seiner Mandanten erfährt. Und da sehe ich die Parallele zu Suzanne. Bernie hat seine Eltern früh verloren, Suzanne hatte ein verkorkstes Elternhaus. Aber beide haben ihre „ Unschuld“ behalten . Suzanne hat zwar ihren Mann betrogen, leider deshalb aber unter Schuldgefühlen.
 
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RuLeka

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Hier knüpft Elizabeth Strout an eine sehr heftige Geschichte aus dem Vorgängerroman an . Sollte ich vielleicht nochmals lesen ; gerade im Hinblick auf die Wendung hier. Gab es dort schon Anzeichen für die kaputte Ehe der Eltern?
 

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Gab es dort schon Anzeichen für die kaputte Ehe der Eltern?
In "Mit Blick aufs Meer" ist Mrs Park in auch schon ziemlich krank. Der Besuch Olives ein Alptraum. Es stellt sich heraus, dass die beiden völlig isoliert Leben, nach dem Verbrechen des Sohnes. Die Ehe ist bereits zerstört. Ich sehe wie @RuLeka die Verbindung von Suzanne und Bernie in ihrer Unschuld und der gemeinsamen Überzeugung, es gäbe ein höheres Wesen.
 

Literaturhexle

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Licht
Diese Geschichte hat mir so richtig gut gefallen. Auch hier geht es immer wieder um das Februarlicht, eine schöne Naturerscheinung.

Cindy Coombs ist an Krebs erkrankt. In Kürze wird sie die letzte Chemotherapie haben, ihre Chancen stehen 50:50. Sie begegnet Olive beim Einkaufen, die sofort spürt, wie schwach Cindy ist. Sie hilft ihr, den Einkauf zu verstauen und zum Auto zu bringen.

Ab diesem Zeitpunkt besucht Olive die Kranke regelmäßig. Olive hat ein Talent, zwar interessiert an der Krankheit teilzuhaben, sie aber nicht zum Universum zu erheben, neben dem nichts anderes mehr existiert. Außerdem äußert sie keine Platitüden wie "Das wird schon wieder" oder "das ist doch nicht so schlimm". Das ist nämlich das, was viele tun, um "Mut zu machen" und ihre Sprachlosigkeit zu kaschieren. Olive erzählt von Ihrem Mann, dem schwierigen Verhältnis zu ihrem Sohn, später auch von einem Streit mit Jack. Aber nur nebenbei. Sie hat auch ein offenes Ohr für Cindy. Erschreckend, dass deren alte Freunde sie nicht besuchen. Allerdings ist das wohl oft so: Freunde haben Angst vor der Konfrontation mit dem Krebs und Angst, etwas Falsches zu sagen. Mir sagte mal ein Betroffener: Da lernst du, wie wenig Freunde du wirklich hast... Bitter.

Olive glaubt von sich, dass sie ein besserer Mensch geworden sei und bereut, dass sie nicht immer nett zu Henry war. In dem Zusammenhang nimmt sie Cindy ihr schlechtes Gewissen wegen weihnachtlicher Tränen. Olive ist jetzt zwei Jahre mit Jack verheiratet.

Die beiden reden über die Angst vor dem Tod, auch da reagiert Olive sehr sensibel. Auch das Thema Weiterleben ohne den Ehepartner wird erörtert: "Aber ich verspreche ihnen, er wird sie in den Himmel heben, sie werden eine Heilige sein." (S. 161)

Auch Cindys Schwägerin Anita hat ihr Herz am rechten Fleck. Obwohl sie selbst zahlreiche Probleme hat, kommt sie regelmäßig zu Besuch. Sie kann lachen und ist eine ähnliche Natur wie Olive, sie tun Cindy gut.

Nach der letzten Chemo sollen die Haare wieder wachsen. Wir können Cindy die Daumen drücken ;)
 

RuLeka

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Diese Geschichte ist großartig. Elizabeth Strout versteht es sehr gut, die Gefühlslage der Figuren verständlich zu machen. Sie zeigt die verschiedenen Stimmungen, die ein Todkranker hat, die Wut, die Angst vor dem Tod, die Sorgen um die Familie. Die Angehörigen, die die Schwere der Krankheit nicht wahrhaben wollen. Und hier beweist Olive mal wieder, dass sie die richtigen Worte finden kann. Sie hat keine Hemmungen, unangenehme Dinge anzusprechen. Bei ihr muss Cindy nicht die starke Frau spielen, wird nicht mit Platitüden abgefertigt. Olive spricht nicht davon, dass alles wieder gut wird, sondern redet von der Angst vor dem Sterben, die jeder Mensch hat. Aber irgendwann steht das jedem bevor. „...selbst wenn Sie sterben - die Wahrheit ist doch, wir anderen sind nur ein paar Schritte hinter Ihnen. Zwanzig Minuten hinter Ihnen, so sieht‘s doch aus.“ Wie banal, wie wahr! Eine Wahrheit, die jeder aber verdrängt.
Das Reden über die Krankheit, über den Tod, das vermeiden die meisten Menschen, wenn sie mit Schwerkranken sprechen. Doch das sind die Themen, die diese beschäftigen.
Außerdem öffnet sie mit wenigen Worten Cindy die Augen für die Nöte, in denen ihr Mann steckt. Es ist nicht einfach Nachlässigkeit, warum Tom immer wieder vergisst, den Weihnachtskranz abzuhängen. Nein, Tom ist einfach so verzweifelt über die Krankheit seiner Frau.
Wie schön, dass diese Geschichte mit dem wunderbaren Februarlicht endet, „...das Gold dieses letzten Lichts, das die Welt öffnete.“ Ein Hoffnungsstrahl...
 

RuLeka

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Auch hier zeigt sich eine verwandelte Olive im Vergleich zum Vorgängerbuch. „Weil ich in letzter Zeit nämlich manchmal das Gefühl habe - nur selten, ganz selten,...- ein besserer Mensch geworden bin, und es macht mich ganz krank, dass Henry nichts mehr davon hat.“ Sie hat ein schlechtes Gewissen, weil sie oft so lieblos mit ihm umgegangen ist. Und sie weiß nun, was sie mit Jack anders machen möchte. Einfach öfter mal den Mund halten. Guter Tipp, auch und vor allem für ältere Ehepaare.
 

RuLeka

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Erschreckend, dass deren alte Freunde sie nicht besuchen. Allerdings ist das wohl oft so:
Diese Erfahrung hat ein guter Freund von uns auch machen müssen. Es gibt schon Freunde, die trotzdem kommen, aber nicht wenige ( gerade die, mit denen er früher viele Feste gefeiert hatte), die wegblieben. Aber es ist die Angst, wie gehe ich damit um und die Furcht, mit dem eigenen Tod konfrontiert zu werden.
 

Literaturhexle

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Der Spaziergang
Der 69-jährige Denny Pelletier hat drei erwachsene Kinder mit bereits eigenen Familien. Eines Abends muss er nochmal raus an die frische Luft, ihn treibt etwas um. Er meint, irgendetwas stimme mit seinen Kindern nicht. Es wundert ihn, dass alle so früh geheiratet haben. Die anderen, unter anderem der Nachbarsjunge Woodcock, hat seine hübsche Braut viel später geheiratet.

Beim Spazieren denkt er über seine Vita nach. Als Französisch-Stämmiger würde er Frenchy genannt, was ihn nie störte, seine Kinder aber empörte. An der Stelle taucht Olive auf, die zitiert wird: "Dieses Land sollte mal ein Schmelztiegel sein, aber er hat seine Temperatur nie erreicht...". Die Kinder und er sind sich nicht einig in der Frage. Auch sonst fühlt er sich vernachlässigt von Ihnen und fragt sich, ob Sie ihm etwas vorwerfen. Die vier Kinder leben weit entfernt.

Denny hat schwer und früh arbeiten müssen, erst in der Mühle, dann im Bekleidungshaus.
"Als Denny den Fluss erreichte,(...) erschien ihm sein Leben wie ein Stück Rinde auf diesem Fluss, das einfach ohne einen Gedanken dahintrieb. Auf den Wasserfall zu." (S. 173)
Er erinnert sich an die Schulfreundin Dorothy Paige. Sie war eine Schönheit, unendlich begabt und von allen Jungen umschwärmt. Auch er unterhielt eine zarte Freundschaft mit ihr, war verwundert, dass Sie sich für ihn interessierte.
Denny heiratete kurz nach der Schulzeit. Von Dorothy hörte er, dass sie sich nach Abschluss des Studiums umgebracht habe. Ein Schock. Angeblich soll der Vater sie sexuell missbraucht haben.

Auf dem Nachhauseweg findet er einen jungen, stöhnenden Mann. Er kümmert sich um ihn, ruft die Rettung. Es stellt sich heraus, dass er mit Drogen zugedröhnt ist. Er hat ihm das Leben gerettet - vorerst, wie einer der Sanitäter betont. Es handelt sich um den Woodcock-jungen, über den er kurz vorher noch im Zusammenhang mit der besseren, späteren Hochzeit nachgedacht hatte...

Das öffnet ihm die Augen: "Die Kinder sind nicht das Problem. (...)Das Problem war er selbst."(S. 178)

Auch eine wunderbare Geschichte, die man vielleicht noch besser verstehen kann, wenn man älter ist;)
 

RuLeka

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Der Spaziergang
Der 69-jährige Denny Pelletier hat drei erwachsene Kinder mit bereits eigenen Familien. Eines Abends muss er nochmal raus an die frische Luft, ihn treibt etwas um. Er meint, irgendetwas stimme mit seinen Kindern nicht. Es wundert ihn, dass alle so früh geheiratet haben. Die anderen, unter anderem der Nachbarsjunge Woodcock, hat seine hübsche Braut viel später geheiratet.

Beim Spazieren denkt er über seine Vita nach. Als Französisch-Stämmiger würde er Frenchy genannt, was ihn nie störte, seine Kinder aber empörte. An der Stelle taucht Olive auf, die zitiert wird: "Dieses Land sollte mal ein Schmelztiegel sein, aber er hat seine Temperatur nie erreicht...". Die Kinder und er sind sich nicht einig in der Frage. Auch sonst fühlt er sich vernachlässigt von Ihnen und fragt sich, ob Sie ihm etwas vorwerfen. Die vier Kinder leben weit entfernt.

Denny hat schwer und früh arbeiten müssen, erst in der Mühle, dann im Bekleidungshaus.
"Als Denny den Fluss erreichte,(...) erschien ihm sein Leben wie ein Stück Rinde auf diesem Fluss, das einfach ohne einen Gedanken dahintrieb. Auf den Wasserfall zu." (S. 173)
Er erinnert sich an die Schulfreundin Dorothy Paige. Sie war eine Schönheit, unendlich begabt und von allen Jungen umschwärmt. Auch er unterhielt eine zarte Freundschaft mit ihr, war verwundert, dass Sie sich für ihn interessierte.
Denny heiratete kurz nach der Schulzeit. Von Dorothy hörte er, dass sie sich nach Abschluss des Studiums umgebracht habe. Ein Schock. Angeblich soll der Vater sie sexuell missbraucht haben.

Auf dem Nachhauseweg findet er einen jungen, stöhnenden Mann. Er kümmert sich um ihn, ruft die Rettung. Es stellt sich heraus, dass er mit Drogen zugedröhnt ist. Er hat ihm das Leben gerettet - vorerst, wie einer der Sanitäter betont. Es handelt sich um den Woodcock-jungen, über den er kurz vorher noch im Zusammenhang mit der besseren, späteren Hochzeit nachgedacht hatte...

Das öffnet ihm die Augen: "Die Kinder sind nicht das Problem. (...)Das Problem war er selbst."(S. 178)

Auch eine wunderbare Geschichte, die man vielleicht noch besser verstehen kann, wenn man älter ist;)
Wie immer sehr schön zusammengefasst. Ich bin immer zu spät dran damit. Aber wir arbeiten fast wieder im Normalbetrieb und evtl. findet diesen Monat noch mein realer Lesekreis statt. D.h. ich habe weniger Zeit.
 
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RuLeka

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Eine sehr kurze Geschichte dieses Mal, aber trotzdem sehr aussagekräftig. Wer kennt das nicht? Da ist man unzufrieden, unglücklich mit seiner Situation und denkt an all die, die vom Leben bevorzugt wurden. Schaut man aber oftmals genauer hin, findet sich bei den vermeintlich Glücklicheren mehr Elend als bei sich selbst.
Denny gefällt sein Leben nicht mehr. Er überlegt, was falsch lief. Warum hört er von seinen Kindern zu wenig? Er vermisst den Lärm, der früher im Haus herrschte. Jetzt ist es sehr still geworden, seit die Kinder weg sind. Das fällt ihm umso mehr auf, seit er und seine Frau nicht mehr arbeiten gehen und den ganzen Tag daheim sind. Es gibt auch so wenig Gesprächsstoff zwischen ihnen. Doch die Erinnerung an die schöne Dorie und ihr schreckliches Ende und das Zusammentreffen mit dem „ extrem nett aussehenden Jungen von den Woodcooks“ , der zugedröhnt über einer Bank hängt, zeigen ihm, dass es keinen Grund zur Klage gibt. Seine Kinder haben alle studiert, einen guten Job und eine wohlgeratene Familie. Natürlich finden sie nicht mehr so viel Zeit, die Eltern zu besuchen.
Denkt er am Anfang des Spaziergangs noch, dass „ ...sein Leben wie ein Stück Rinde auf diesem Fluss, ...ohne einen Gedanken dahintrieb“, so merkt er später, dass es falsch ist , „...schon jetzt um sein zu Ende gehendes Leben“ zu trauern. Schließlich ist es noch längst nicht vorbei.
Und wie zur Bekräftigung dieses Gedankens erwartet ihn seine Frau mit einem Lächeln und winkt ihm zu.
 

Literaturhexle

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Er vermisst den Lärm, der früher im Haus herrschte. Jetzt ist es sehr still geworden, seit die Kinder weg sind.
Ich musste bei dieser Szene an meinen Vater denken. Mein Bruder und ich wohnten jeweils über 300 km vom Elternhaus entfernt in gegensätzlicher Richtung. Man kam einfach nicht mehr so oft zusammen.

Irgendwann, deutlich über 70 erzählte mein an sich wenig sentimentaler Vater, er würde sich die Zeit zurückwünschen, in der wir alle noch zu Hause waren. Das seien doch die schönsten Jahre gewesen.

Diese Gedanken kann ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen. Allerdings hoffe ich, dass unsere Kinder sich mehr in der Nähe niederlassen. Beeinflussen kann man das allerdings nicht. Es kommt, wie es kommt.
 

Literaturhexle

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Eine sehr kurze Geschichte dieses Mal, aber trotzdem sehr aussagekräftig.
Sie hat wirklich Kurzgeschichtenqualitäten. Man denkt nach darüber. Es ist schön, dass wir uns gemeinsam austauschen, jeder sieht etwas anderes.
@RuLeka: es macht nichts, wenn du nicht zusammenfasst. Tina und mir hilft das, man sammelt die Gedanken ;)
Außerdem bleibt es erhalten und ich plane, den ersten Band in nicht allzu langer Zukunft noch einmal zu lesen. Dann kann ich auf diese Aufzeichnungen hier zurückgreifen.

Ich räume jetzt die Küche auf und dann fasse ich das nächste Kapitel zusammen.