Deutscher Buchpreis 2022 - Von der Longlist über die Shortlist zum Gewinner

alasca

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Letztes Jahr hat Südafrika gewonnen mit Damon Galgut ( Das Versprechen) und davor Irland mit Douglas Stuart (Shuggie Bain)
Beides ganz tolle Romane! WR geprüft;)
Stimmt. Habe ich beide gelesen, waren großartig. Ich war gerade auf dem Booker-Portal und hab mich dann irgendwohin verklickt, wo das behauptet wurde. Schwerer Anfall von Leichtgläubigkeit! :monocle :think :oops:
 
G

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(wollen wir nicht einen neuen Faden für den Booker aufmachen?)

Ich habe mir mal die Liste der früheren Gewinner angeschaut. Die beiden Preisträger 2019 (Margaret Atwood, Bernardine Evaristo) habe ich gern gelesen, mit dem Milkman (2018) konnte ich nichts anfangen, Hilary Mantel ist auch so überhaupt nicht mein Fall, The Finkler Question auch nicht. Hollinghurst, Enright, Banville und Barnes hingegen mochte ich.
 

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Ich hatte eher damit gerechnet, dass Blutbuch den Schweizer Buchpreis gewinnen könnte und war gestern begeistert-überrascht. Es ist keines der üblichen Familienabrechnungsgeschichten bis zurück zu den Großeltern, auch wenn es um Großmutter und Mutter geht, denn dann hätte ich es nicht lesen wollen. Es ist ein ungemein vielschichtiges Buch, ungewöhnlich, mit vielen Brüchen, für mich tatsächlich "Gegenwartsliteratur" im eigentlichen Sinn und ja, kann man lesen, muss aber nicht - für mich war es ein spannendes, sehr interessantes Leseerlebnis. Den Aktionismus bei der Preisverleihung fand ich "gut gemeint", aber etwas zu gewollt. Hat mich nicht gestört, aber in diesem Rahmen wirkte es für mich inszeniert.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Danke für deinen Eindruck @Circlestones Books Blog ! Endlich mal jemand, der es gelesen hat.
Den Aktionismus bei der Preisverleihung fand ich "gut gemeint", aber etwas zu gewollt.
So habe ich es auch empfunden. Das intellektuelle Publikum vor Ort kann damit umgehen, aber ob so eine extrovertierte Persönlichkeit der queeren Community einen Gefallen damit tut? Ich weiß es nicht. Viele Teile der Bevölkerung sind (leider) noch nicht soweit und Kim wirkt auch auf mich reichlich klischeemäßig. Ein paar brauchbare Worte hätte ich dazu nett gefunden. Bin halt noch konservativ;)
 

Die Häsin

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Danke für deinen Eindruck @Circlestones Books Blog ! Endlich mal jemand, der es gelesen hat.

So habe ich es auch empfunden. Das intellektuelle Publikum vor Ort kann damit umgehen, aber ob so eine extrovertierte Persönlichkeit der queeren Community einen Gefallen damit tut? Ich weiß es nicht. Viele Teile der Bevölkerung sind (leider) noch nicht soweit und Kim wirkt auch auf mich reichlich klischeemäßig. Ein paar brauchbare Worte hätte ich dazu nett gefunden. Bin halt noch konservativ;)
Heute morgen bei Facebook las ich massenhaft Kommentare in Richtung "die Conchita Wurst der Literatur".
Ich lasse das mal so stehen. Queer sein ist eines, ein so offensichtlich inszeniertes Erscheinungsbild, das wie dem Showbusiness zugehörig daherkommt, ist für mich was anderes. Ich will es nicht verurteilen, da sei Gott vor, aber ich gestatte mir die Freiheit, es einfach nicht recht ernst nehmen zu können.
 

Literaturhexle

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Ich will es nicht verurteilen, da sei Gott vor, aber ich gestatte mir die Freiheit, es einfach nicht recht ernst nehmen zu können.

Ich verurteile da auch nichts, halte mich für genauso fortschrittlich wie das Publikum im Frankfurter Römer. Aber ich kenne diverse Leute, die da ihre Glossen drüber machen...
Insofern stellt sich mir die Frage, ob das nicht zuviel des Guten auch in den Augen der Queeren war. Das würde mich interessieren.
 

Maria Braig

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. Queer sein ist eines, ein so offensichtlich inszeniertes Erscheinungsbild, das wie dem Showbusiness zugehörig daherkommt, ist für mich was anderes. Ich will es nicht verurteilen, da sei Gott vor, aber ich gestatte mir die Freiheit, es einfach nicht recht ernst nehmen zu können.
Genau das ist es, was mich an solchen Inszenierungen verärgert.

Es ist ja gut und enorm wichtig, wenn das Thema queer, insbesondere hier auch nonbinär, mal in den Vordergrund gerückt wird. Allerdings kann das auch kontraproduktiv sein, wenn solche Inhalte dann als scheinbar allgemeingültig gelesen werden. Dazu kommt für mich immer die Frage: Muss sich ein nonbinärer / queerer Mensch als Paradiesvogel präsentieren (mag sein, Kim ist einfach so, das sei Kim unbelassen) - wir queeren Menschen sind im Durchschnitt doch alle ziemlich durchschnittlich und ich denke, das auch mal zu zeigen, würde die Akzeptanz auf der Straße eher fördern.
 

Die Häsin

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Mich stört an seinem Auftreten hauptsächlich, dass sich Kim d l'Horizon als Kunstfigur versteht, oder jedenfalls der Verlag will es so: er sei 2666 geboren, heißt es auf der Verlagsseite, und studiere u.a. Hexerei bei Starhawk. Mit anderen Worten, er ist nach seinem eigenen oder nach dem Verständnis des Verlags nicht identisch mit dem Menschen, der dahinter steht; ähnlich wie bei (wieder mal) Conchita Wurst. Ich weiß, dass diese Art alter ego im Performancebetrieb gang und gäbe ist, vor allem bei den Comedians. Ich hatte aber bisher gehofft, wenigstens die Literatur bleibt von diesem Trend verschont.

Was das Buch angeht, genügen mir die Leseproben, die ich online gefunden habe; mehr davon brauch ich net.
 
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RuLeka

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Muss sich ein nonbinärer / queerer Mensch als Paradiesvogel präsentieren (mag sein, Kim ist einfach so, das sei Kim unbelassen) - wir queeren Menschen sind im Durchschnitt doch alle ziemlich durchschnittlich
Das finde ich auch beim Christopher Street Day befremdlich. Da sieht man jede Menge schriller Vögel, die bestimmt auch nicht stellvertretend stehen für alle Queeren.
 
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Die Häsin

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Gerade beim Christopher Street Day finde ich es völlig in Ordnung, das hat ja auch immer einen Anstrich von Karneval, nach dem Motto "einmal im Jahr keine Grenzen mehr".
Aber als altmodischer Mensch wünsche ich mit im Literaturbetrieb etwas mehr Seriosität, abseits aufschreckend-sein-wollender Performance.

Nebenbei übrigens, nachdenklich gemacht hat mich auch eine Forendiskussion, die ich vorgestern unter einem Zeitungsartikel zum Thema gelesen habe. Da fiel das übliche Argument, dass nonbinäre Menschen endlich "gesehen werden wollen". Darunter meldete sich eine Ärztin zu Wort, die schrieb, dass unter ihren Patienten viele, viele Leute sind, viele davon mit strukturimmanenten Problemen, die auch gern gesehen würden und niemals eine Bühne bekommen. Und dass solche Menschen sich von dieser Art Bohei eher noch stärker entmutigt fühlen. Dies nur am Rand, ich weiß nicht, inwieweit eine solche Aussage repräsentativ ist, aber ich fühlte mich davon unmittelbar angesprochen.
 

Circlestones Books Blog

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wie bei (wieder mal) Conchita Wurst
Ich hatte die Karriere von Tom Neuwirth schon lange verfolgt, er war, noch unter seinem Namen, 2006 bei Starmania sehr weit gekommen, weil er eine großartige Stimme hat, aber man merkte damals, 2006,schon die Vorurteile ihm gegenüber. Erst später dann schuf er die Kunstfigur, bewusst und das war sein Durchbruch. Wenn er privat als Tom, er selbst, unterwegs war, blieb er in Wien oft sogar unerkannt. Ich fand den Song großartig, auch heute noch, Song und Stimme, und nicht nur, weil ich Österreicherin bin. Aber auch Tom Neuwirth bekam langsam Probleme mit sich als Kunstfigur und begann, sich davon zu lösen. Ich kann mir vorstellen, dass diese beiden Seiten der eigenen Persönlichkeit auf längere Zeit schon etwas mit dem eigenen Ich machen und dann die Frage kommt, die sich in diesem Roman auch Kim stellt, wer bin ich und wer will ich sein. Ich habe auch den ebenfalls in der Schweiz nominierten Roman "Dürrst" von Simon Froehling gelesen, der für mich noch eindrücklicher ist.

 

alasca

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13. Juni 2022
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Genau das ist es, was mich an solchen Inszenierungen verärgert.

Es ist ja gut und enorm wichtig, wenn das Thema queer, insbesondere hier auch nonbinär, mal in den Vordergrund gerückt wird. Allerdings kann das auch kontraproduktiv sein, wenn solche Inhalte dann als scheinbar allgemeingültig gelesen werden. Dazu kommt für mich immer die Frage: Muss sich ein nonbinärer / queerer Mensch als Paradiesvogel präsentieren (mag sein, Kim ist einfach so, das sei Kim unbelassen) - wir queeren Menschen sind im Durchschnitt doch alle ziemlich durchschnittlich und ich denke, das auch mal zu zeigen, würde die Akzeptanz auf der Straße eher fördern.
So sehe ich das auch. Jeder soll doch um Himmels willen nach seiner Fasson selig werden, es ist doch egal, wie oder wen man liebt, Hauptsache Liebe.

Aber bei solchen Inszenierungen habe ich das Gefühl, hier soll mir was die Nase hochgedrückt werden - der Grund dafür, dass ich mich schwertue, mich dem Thema zu nähern.
 
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