Der Zementgarten

parden

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Seltsam mutet an, dass sich niemand vom Jugend- oder Sozialamt bisher gemeldet hat. Schließlich sind mindestens 3 der Kinder schulpflichtig (ich gehe davon aus, dass es eine solche Regelung auch in England gibt).
Es waren doch Ferien! Die gingen jetzt zu Ende, erst in der kommenden Woche sollte die Schule wieder beginnen.
 

Literaturhexle

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Es waren doch Ferien! Die gingen jetzt zu Ende, erst in der kommenden Woche sollte die Schule wieder beginnen.
Ja, das kann sein! Das habe ich dann wohl überlesen.
Mir kam die Zeit viel länger vor, wie in Zeitlupe fühlte ich mich in dem Alptraum gefangen...
Aber hat Jack nicht mehrfach gesagt, er sei nicht zur Schule gegangen...?
 

Querleserin

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Warum glaubt ihr denn, dass es überhaupt soweit gekommen ist mit dieser Familie @Momo @Querleserin ? Meint ihr es lag am Vater und seinem despotischen Regime, das keinerlei Kritik ertrug und deshalb eine normale Kommunikation unmöglich machte? Für mich gehört die Mutter in ihrer Hilflosigkeit unbedingt als Verantwortliche für die Misere dazu. Sie war den Kindern ebenfalls weder Halt, noch Orientierung. Ist natürlich viel Spekulation. Wie seht ihr das?
Die Frage danach, wie es zu den Umständen in der Familie gekommen ist, ist wirklich schwierig zu beantworten. Der Vater hat unbedingt die Regie, das sieht man auch dem Garten, den er zunächst angelegt hatte, wenige Blumen, die ordentlich und symmetrisch sein sollten und überwiegend ein angelegter Steingarten. Alles hat seine Ordnung: "Er duldete kein Gewirr." (S.15)
Das ist nicht unbedingt ein Ort für Kinder, die kreativ spielen wollen.
Erinnert ihr euch an den Witz der Kinder, als sie über die Blume sprachen, die sie im Garten erschreckt hat.
Als er nicht in der Lage ist, diesen Steingarten zu pflegen, will er alles zubetonieren, eintöniger kann man es sich kaum vorstellen. Der Vater, der den Kindern keine Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten lässt, mit dem jüngsten sogar konkurriert und diesen schikaniert, weil Tom die Liebe der Mutter eher erhält.
Gleichzeitig ist die Mutter, wie @Helmut Pöll schreibt, sehr schwach. Sie kann dem nichts entgegensetzen.
Eigentlich natürlich, dass Jack nach ihrem Tod ein Freiheitsgefühl entwickelt.
Durch die Isolation der Familie sind alle auf sich bezogen, leben fast alles innerhalb der kleinen Familie aus. Wie viele von euch schon geschrieben haben, wird Tom "missbraucht". Er muss/will das Kind sein - fällt zurück in infantile Verhaltensweisen. Wird zum Mädchen gemacht, auch wenn er das selbst unterstützt, müssten die anderen wissen, dass das in der Öffentlichkeit immer noch problematisch ist.
Man kann ihm wünschen, dass er professionelle Hilfe erhält!
Ein wirklich verstörender Roman...
 

Momo

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10. November 2014
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Warum glaubt ihr denn, dass es überhaupt soweit gekommen ist mit dieser Familie @Momo @Querleserin ? Meint ihr es lag am Vater und seinem despotischen Regime, das keinerlei Kritik ertrug und deshalb eine normale Kommunikation unmöglich machte? Für mich gehört die Mutter in ihrer Hilflosigkeit unbedingt als Verantwortliche für die Misere dazu. Sie war den Kindern ebenfalls weder Halt, noch Orientierung. Ist natürlich viel Spekulation. Wie seht ihr das?

Ja, das sehe ich auch so. Gerade als die Mutter auf dem Sterbebett liegt, hat sie ihre Kinder nicht wirklich unterstützt, sie evtl. auf den Tod vorzubereiten, hat ihnen eher Angst gemacht. Sie wusste sehr wohl, dass ihre Tage gezählt sind.

Was den Vater betrifft, glaube ich, dass er zu Gewalt neigt. Ich habe mich gefragt, wie sich dieses unterwürfige Verhalten der Mutter erklären lässt, weil sie vielleicht von ihm geschlagen wird. Andererseits hatte der Vater auch gute Seiten. Er, als ein Herzkranker, lässt den Garten zuzemtentieren, damit seine Frau nach seinem Ableben nicht so viel Arbeit mit dem Garten hat.
 

Helmut Pöll

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Was den Vater betrifft, glaube ich, dass er zu Gewalt neigt. Ich habe mich gefragt, wie sich dieses unterwürfige Verhalten der Mutter erklären lässt, weil sie vielleicht von ihm geschlagen wird.
Ja, das könnte gut sein @Momo . oder sie hat Angst, dass er seine Wut an den Kindern ausässt.

P.S. gerade habe ich nochmal geschaut, wann der Roman erschienen ist. Das war 1978. Die Geschichte spielt also frühestens Anfang der 1970er jahre in England, d.h. die Eltern sind Kriegsgeneration. Vielleicht erklärt das auch das unterordnende Selbstbild der Mutter. @Momo
 

Helmut Pöll

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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Zementgarten von Ian McEwan
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Ich frage mich gerade, warum Jack so wütend auf Derek reagiert. Ist das nur die Grundwut der Pubertät, oder was anderes? Es könnte sein, dass er Angst hat, dass dieser Derek Judie mit nimmt und ihre kleine "Restfamilie" komplett auseinanderbricht.
 
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Ich bin noch nicht ganz durch, daher halte ich mich etwas bei euren Beiträgen zurück.
Nach dem Tod der Mutter herrscht zwar eine gewisse Trauer, vor allem bei Tom und Sue, den jüngeren Kindern, aber mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als Jack und Julie im Keller den Zement anrührten.
Eine Szene im Buch gibt mir Rätsel auf. Sie wirkt so normal, so als wäre diese Szene aus einer intakten Famile entsprungen. Ich denke da an die Situation als die Eltern ihre Kinder instruiert haben, was zu tun ist, als sie auf eine Beerdigung mussten. Es wurde Essen vorgekocht, geraten was bei einem Brand geschehen soll, auch der Vater zeigte sich besorgt und fürsorglich. Diese Situation haben die 4 Kinder zwar für sich ausgenutzt, dennoch war ich erstaunt, dass auch scheinbar gute Ansätze vorhanden sind seitens der Eltern.
 
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Helmut Pöll

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s wurde Essen vorgekocht, geraten was bei einem Brand geschehen soll, auch der Vater zeigte sich besorgt und fürsorglich. Diese Situation haben die 4 Kinder zwar für sich ausgenutzt, dennoch war ich erstaunt, dass auch scheinbar gute Ansätze vorhanden sind seitens der Eltern.
Man weiss natürlich nicht, ob die Sorge des Vaters nicht primär dem Haus galt. Und natürlich kann es auch in solchen kaputten Familien ein paar lichte und weniger schlimme Momente geben. Ich persönlich fand das eigentlich überhaupt nicht so fürsorglich, sondern dachte mir: komisch, dass es da auch nie um den Trauerfall ging. Da ist doch jemand gestorben, der letzte (!) Verwandte, aber kein Wort über den/die, eher war dieser Todesfall etwas unglaublich Lästiges.
 
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@Helmut Pöll
Stimmt, von der Seite habe ich es noch gar nicht gesehen, dass die Fürsorge nicht den Kindern galt......
Die Art der Trauerbewältigung spiegelt sich ja bei dem Verhalten der Kinder, sie haben ja nichts anderes gelernt
 
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Literaturhexle

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Ich frage mich gerade, warum Jack so wütend auf Derek reagiert. Ist das nur die Grundwut der Pubertät, oder was anderes? Es könnte sein, dass er Angst hat, dass dieser Derek Judie mit nimmt und ihre kleine "Restfamilie" komplett auseinanderbricht.
Für mich ist das ganz klar Eifersucht. Schon ziemlich am Anfang des Buches hatte Jack beim Betrachten seiner großen Schwester erotische Empfindungen. Hinzu kommt, dass noch nie jemand aus der Familie einen Freund hatte oder ein Geschenk bekommen hat. Für mich klar Eifersucht ;)
 

Helmut Pöll

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Da im hochkatholischen Bayern heute Feiertag ist konnte ich "Der Zementgarten" auch fertig lesen. Puh, was für eine Geschichte, verstörend und doch eine, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht.

Irgendwie war klar, dass es so ausgehen musste, alles andere wäre langfristig in einer Tragödie geendet.
 

Sassenach123

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Nun bin ich auch durch. Letztendlich habe ich euren Beiträgen nichts mehr hinzuzufügen, dennoch muss ich sagen, dass es mich immer wieder überrascht, dass McEwan trotz der Perversität und seiner makabren Art auch eine emotionale Seite in mir anspricht. Die Szene wo Jack den Frosch beerdigt war für mich zum Beispiel so ein Moment. Dort war er für mich der verletzliche Junge, das Kind, welches auch um seine Eltern hätte trauern müssen.
Das Ende lässt den Leser auf der einen Seite zwar aufatmen, die Kinder bekommen nun Unterstützung, aber wie wird das genau aussehen? Tom ist noch klein, bei ihm wird es vielleicht ohne größere Narben vonstatten gehen, bei den älteren Kindern stelle ich mir dies schwieriger vor.......
Derek hat richtig gehandelt, um ehrlich zu sein, mochte ich diesen Charakter des Buches überhaupt nicht, ich war die ganze Zeit von dem Gedanken zerfressen warum er nicht endlich etwas unternimmt, warum hat er so lange gewartet? Kann für mich nur mutmaßen, dass er die Hoffnung hatte bei Julie zu landen und so die Zustände in Kauf genommen hat.
 

Helmut Pöll

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Das Ende lässt den Leser auf der einen Seite zwar aufatmen, die Kinder bekommen nun Unterstützung, aber wie wird das genau aussehen? Tom ist noch klein, bei ihm wird es vielleicht ohne größere Narben vonstatten gehen
ich glaube, dass alle Kinder ziemlich beschädigt sind. Wie sehr dieser Mangel der Bezugspersonen sich später bei dem kleinen auswirken wird, ist schwer zu sagen, dass kann man vermutlich erst 15 Jahre später sagen. Aber sicher werden sie auseinander gerissen, Tom wird zu einer Pflegefamilie oder ins Heim kommen...