Der Prozeß, Franz Kafka

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Kafka, der gute Franzl, ist einzigartig unter den deutschen Literaten. Jeder kennt seinen Namen und wenns gut geht, "Die Verwandlung". Dennoch, muss man eins seiner Romanwerke gelesen haben und sich an ihnen abarbeiten. Sowohl Das Schloß wie auch Der Prozeß sind absolut einzigartig und lesenswert. Aber auch sehr ärgerlich. Dennoch, dennoch. Der Bildungsbürger muss ihn gelesen haben, sonst kann er kein Bildungsbürger sein:reader2.

Die Biographie-Trilogie von Reiner Stach kann ich nur empfehlen.


 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Stach ist ein super Biografieschreiber - spannend wie ein Roman!
Ich bin mitten im ersten Teil und war gestern begeistert von Stachs Ausführungen zu dem psychoanalytischen Zugang zu Kafkas Leben und Werk. Er zeigt auf, dass das Empfinden der Nicht-Zugehörigkeit zum Teil natürlich von Kafkas Beziehungen zu seinem Elternhaus herrührte; seine kindlichen Erfahrungen vor allem mit dem übermächtigen Vater aber als kausal für sein Erleben des Ausgestoßenseins, der nicht-Zugehörigkeit zu betrachten, greift entschieden zu kurz. Der Vater hat nur bestätigt, was Kafka ohnehin schon wusste.
Über Meyrink habe ich mal gelesen, dass ein Zeitgenosse ihn als "Mondkalb, das auf die Erde gefallen ist" bezeichnete. Für Kafka gilt das vielleicht noch mehr. Aber, auch das betont Stach, sein Mondkalbtum (der Ausdruck ist jetzt von mir, nicht von Stach) war eng verflochten mit dem Element der Selbstinszenierung. Alles, was Kafka äußerte, auch ausdrücklich über sich selbst, war Literatur.
 

Wandablue

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Vater aber als kausal für sein Erleben des Ausgestoßenseins, der nicht-Zugehörigkeit zu betrachten, greift entschieden zu kurz.
Da ist noch die jüdische Herkunft! Die erklärt fast alles. Oder doch sogar: alles.
Und natürlich bin ich völlig einig mit dir: Kafkas literarisches Sujet war er selber.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Da ist noch die jüdische Herkunft! Die erklärt fast alles. Oder doch sogar: alles.
Und natürlich bin ich völlig einig mit dir: Kafkas literarisches Sujet war er selber.
Mein Gatte hat sich die Balkonszene angeguckt und kommentierte, er sei von seinen Eltern in den Keller gesperrt worden und hätte sich halb tot gefürchtet, und trotzdem ist mein Gatte niemals kafkaesk geworden.
Vielleicht war der Balkon doch noch etwas schlimmer als der Keller. Aber immerhin ist der Herr Hase knapp am Kafkaesk-Sein vorbeigeschrammt.
 

Wandablue

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@Die Häsin : Bezüge auf die Serie schrappen an mir vorbei - ich sehe sie nicht an. Der Franzl hat ein Trauma erlitten, das ist klar, Familie und Judentum und die allgemeine Politik damals. Das reicht dicke. Dann musste er ständig Sachen machen, die gegen sein Naturell waren. Gut, dass Herr Haase etwas dickfelliger ist.