Thema "Der Klang der Zeit" von Richard Powers

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S. 76 ff. Mein Bruder als Hänsel und In Trutina

2 Auftritte von Jonah. Als Hänsel tritt er als (als nicht mehr so unschuldiger) Junge in einer urdeutschen Rolle auf. Überwindet die Musik den Widerspruch zwischen Kostüm und Hautfarbe? Für seine Eltern sicherlich, sie sind begeistert. Für andere Zuschauer nicht.

Die Jungen werden langsam erwachsen und lösen sich langsam auch von ihren Eltern. Äußerer Hinweis dafür ist, das Jonah bei einem Besuch zu Hause die Rolle des Dirigenten übernimmt und seiner Mutter sogar Anweisungen gibt. Diese nimmt sie allerdings nicht am. Er soll seine Lieder singen, sie singt ihre.

Bei einem öffentliche Auftritt bricht Jonahs Stimme - doch auch daraus macht er einen Triumph.
 
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S. 89 ff. Ende 1843 - Anfang 1935

Ein Zeitsprung und wieder wechselt der Erzähler. Jetzt geht es um Delias Familiengeschichte, von der Zeit der Freilassung ihres Ur-ur-ur-Großvaters bis zu Delia. Hier wird klar, woher Jonah seine Begabung hat. Delia ist eine begnadete Sängerin. Sie kann ihr Potential aber nicht ausschöpfen, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht am Konservatorium aufgenommen wird. Dass die Schule keine schwarzen Schüler aufnimmt, haben sie und ihr Vater offenbar nicht gewusst. Es wird dieses Mal auch nicht offen gesagt, sondern vorgeschoben, dass bereits alle Plätze belegt seien.

Interessant fand ich, dass sich die Einstellung von Delias Vaters ändert, als er erfährt, dass und warum seine Tochter abgelehnt wurde. Er war ja ursprünglich nicht einverstanden, dass Delia „bloß“ Sängerin werden wollte. Jetzt unterstützt er sie und zahlt die Gebühren für eine andere Gesangschule.

Bewegend fand ich den frommen Spruch der Unterdrückten (S. 99): „Wie viel wir schon erreicht haben, obwohl sie uns lebendig begraben. Wie viel wir noch erreichen könnten, mit nur ein klein wenig mehr Raum zum Leben.“ - Bedrückend, wenn man sich schon mit wenig zufrieden gibt und nicht einmal traut, nach den Sternen zu greifen...
 
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Für andere Zuschauer nicht.
Ich habe es eher so verstanden, dass die Qualität seines Gesangs über jeden Zweifel erhaben ist und die Leute nur lauschen, ohne "den Misston" zu sehen.

Geschmerzt hat mich, dass die Mutter sich überschminkt hat für die Vorstellung und dass der Vater die Vorbeilaufenden beschwichtigen müsste, als die Mutter ihre Söhne umarmt. ("Es ist alles in Ordnung ...")

Sehr angetan bin ich von Powers' Formulierungskunst. Es macht Spaß, die Sätze auf der Zunge zergehen zu lassen: Der Sturz über die Niagarafälle als Sinnbild für den Stimmbruch und sowas.

Gefallen haben mir auch Earl und Thad. Schön, dass sich die Vier verstehen. Bitter sind natürlich die Umstände, WARUM die Stroms aus dem Schlafsaal ausquartiert werden müssten.

Jetzt geht es wieder in die Vergangenheit mit anderer Erzählperspektive. Ich bleibe gespannt!
 
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S. 107 ff. A Tempo

Interessanter Titel! Mir war zunächst unklar, auf welcher Zeitebene der Abschnitt spielt. Aber gegen Ende wurde mir klar, das Joey aus seiner Sicht in höherem Alter erzählt und dabei mehrere Zeitsprünge durchgeht. Joey referiert frühere Gespräche mit seinem Vater über das Wesen der Zeit und die Physik - recht philosophisch und nicht immer leicht verständlich.
 
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S. 116 ff. August 1955

Zu Anfang dieses Abschnitts dachte ich, hier gehe es um Jonah! Doch eigentlich geht es um den Lynchmord an dem 14jährigen Emmett Till (die Zeittafel am Ende des Buches habe ich erst hier entdeckt und schätzen gelernt.)

Hat Powers das beabsichtigt, dass man Emmett zunächst mit Jonah gleichsetzt? Jedenfalls hat mich die Geschichte von Emmett besonders getroffen und Jonah hätte ja tatsächlich das gleiche passieren können.

Die Eltern streiten, ob sie den Jungs von dem Lynchmord erzählen sollen. Sollen sie durch Abschirmung beschützt oder durch Information auf das Böse vorbereitet werden? Jonah und Joey sind sich später uneins darüber, wer von beiden welche Position vertreten hat.
 
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Ich habe es eher so verstanden, dass die Qualität seines Gesangs über jeden Zweifel erhaben ist und die Leute nur lauschen, ohne "den Misston" zu sehen.
Ich habe das Kapitel gerade noch einmal durchsehen. Ich denke du hast recht, die Zuschauer haben sich offenbar von der Inszenierung gefangen nehmen lassen. Wahrscheinlich haben sich bei nur Joeys ambivalente Gefühle in den Vordergrund gedrängt.
 
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Geschmerzt hat mich, dass die Mutter sich überschminkt hat für die Vorstellung und dass der Vater die Vorbeilaufenden beschwichtigen müsste, als die Mutter ihre Söhne umarmt. ("Es ist alles in Ordnung ...")
Das war mir gar nicht so aufgefallen. Ich hatte mich nur gewundert, warum die Mutter wie ein Baby roch. Nun ist es mir klar, sie hatte sich das Gesicht mit Theaterschminke und Babypuder geweißt...
 
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Das war mir gar nicht so aufgefallen. Ich hatte mich nur gewundert, warum die Mutter wie ein Baby roch. Nun ist es mir klar, sie hatte sich das Gesicht mit Theaterschminke und Babypuder geweißt...
Haha! Ich komme mit dem Buch wirklich elend langsam voran, vielleicht nehme ich dadurch aber manchmal auch etwas mehr auf an vermeintlichen Kleinigkeiten? Bei langweiligen Büchern kann es mich nerven, dass es nicht schneller geht. Hier bin ich überwiegend so beeindruckt von den eleganten Formulierungen und der treffenden Ausdrucksweise, dass es mir gar nichts ausmacht ;)
 

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S. 89 ff. Ende 1843 - Anfang 1935
Von der Great Migration, der massenhaften Zuwanderung ehemaliger Sklaven aus dem Süden in den Norden hatte ich noch nichts gehört. Offensichtlich hielt sich vor diesem Ereignis die Rassendiskriminierung in engen Grenzen.

Herrliche Sätze!
[zitat]Sie durchlitt eine vier Monate währende Werbung, die so steril war wie ein Sprechzimmer.[/zitat]
 
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Interessant fand ich, dass sich die Einstellung von Delias Vaters ändert, als er erfährt, dass und warum seine Tochter abgelehnt wurde. Er war ja ursprünglich nicht einverstanden, dass Delia „bloß“ Sängerin werden wollte. Jetzt unterstützt er sie und zahlt die Gebühren für eine andere Gesangschule.
[zitat]Aber er brachte es nicht über sich, ihr den Weg, den sie eingeschlagen hatte, zu verbieten. Kein Daley sollte jemals wieder einen Herrn über sich haben, auch nicht den eigenen Vater.[/zitat]
Das sagt alles über die Weltanschauung dieses Vaters. Sie stehen jetzt gemeinsam "im Feuerofen" und geben ihr Bestes.
 
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A Tempo
Joey geht auf die Dreißig zu. Die Mutter ist tot. Sein Bruder hat ihn verlassen, seine Schwester lebt im Untergrund. (Im Präsens erzählt). An ihm bleibt es hängen, sich um den Vater zu kümmern. Spielt das mehr oder weniger in der Gegenwart?

Der Vater ist klapprig, evtl auch dement, diese komische Artithmetik wohl die Aufgabe seines Lebens.

Manche Sätze haben Bedeutung: de Familie des Vaters ist komplett im Holocaust umgekommen, darüber spricht er aber nicht ("Worüber wir nocht sprechen können, darüber müssen wir Schweigen.")
 
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August 1955
Der Lynchmord an dem 14 jährigen ist harter Tobak! Der Autor hat das absichtlich so gemacht, dass man zunächst denkt, es.geht um Jonah. Es HÄTTE ja auch Jonah sein können!

Die Eltern müssen die Kinder vor den Unrechtsurteil schützen. Furchtbar ist das!

Die Mutter kann nicht am Arm ihres Mannes zu dem Begräbnis gehen...

Sehr aufschlussreich der Dialog zwischen den Brüdern um diese Angelegenheit. Offensichtlich war dem Vater die Gefahr damals gar nicht so klar - er ist ja weiß.

Ein weiterer Satz von Bedeutung: "Och habe mich geopfert als sein Begleiter, habe mein Leben dadür eingesetzt, dass die Welt drausen ihn nicht verletzt . Seit einem Vierteljahrhundert trage ich meinen Bruder auf meinen Schultern." (S.130)

Der letzte Absatz gibt mir zu denken: Jonah bekommt einen Anfall. Später wird er als todgeweihter Schwindsüchtiger bezeichnet. Ist er krank?

...," zwei Brüder, deren gemeinsame Vergangenheit an diesem Tag zu Ende geht." (132)
Was heißt das ?!?
 
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Haha! Ich komme mit dem Buch wirklich elend langsam voran, vielleicht nehme ich dadurch aber manchmal auch etwas mehr auf an vermeintlichen Kleinigkeiten? Bei langweiligen Büchern kann es mich nerven, dass es nicht schneller geht. Hier bin ich überwiegend so beeindruckt von den eleganten Formulierungen und der treffenden Ausdrucksweise, dass es mir gar nichts ausmacht ;)
Da hast du recht. Dieses Buch steckt so voller Details, trotzdem hat es seine eigene Spannung.
 

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Mein Bruder als Äneas(S. 133-158)
Jonah hat den Stimmbruch gut überstanden. In Folge wird er vom Schulleiter persönlich unterrichtet, seine Stimme ist weiterhin großartig.

Die Beziehung zu Kimberly Monera festigt sich, ist dem Schulleiter Janos aber ein Dorn im Auge.Als die beiden "erwischt" werden, verlässt Kimberly kurz darauf ohne Erklärung die Schule. Jonah kann das schwer ertragen. Er ist sicher, dass es an seiner Rasse liegt und Kimberlys Vater interveniert hat.

Jonah leidet heftig, fühlt diese Ungerechtigkeit und streitet sich mit Joey.

Ohne Voranmeldung ist ihr Vater zur Schule gekommen: Völlig eingefallen berichtet er, dass ihre Mutter bei einem Brand ums Leben kam.
 
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April-Mai 1939
Zurück zu Delia, die beim Konzert der Anderson war: ihre Mutter spürt die Veränderung des Mädchens, die durch die Liebe verursacht wird. Delia gibt lange nichts preis, verabredet sich heimlich, bis sie von der Mutter konkret zur Rede gestellt wird.

Zunächst versucht Nettie es mit Humor: " lass mich raten? Er hat kein Geld..."

Dass er ein weißer Jude ist, ist ein Schock! "Keiner von uns..."

[zitat]und in den Jahrhunderten, die sie plötzlich trennten, gehörte auch sie nicht mehr dazu.[/zitat]

Die Familie scheint den Kontakt ja auch abgebrochen zu haben. Hier werden die Gräben deutlich, die sich auf BEIDEN Seiten aufgetürmt haben. Auch ein Weißer ist nur ein Weißer. Als individuelle Person wird er nicht gesehen.
 
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Bist du bei mir (S. 167ff)
Eine sehr bewegende Trauerfeier. Sehr viele Menschen mit sehr vielen Hauttönen sind da. Jedes Kind trauert anders, die kleine Ruth ist besonders betroffen, weil sie das brennende Haus gesehen hat und nicht helfen konnte.

Delias Familie ist nicht dabei. Sie werden eine eigene Trauerfeier in Philadelphia abhalten.

Es wird viel gesungen. Die Jungs werden von einem geheimnisvollen Mann begrüßt, der die Mutter gut zu kennen schien. JoJo begegnen ihm mit Skepsis...

Als sie ihrem Vater den Gruß ausrichten, stellt sich heraus, dass es ihr Onkel Michael war, Delias Bruder. Der Vater rennt, möchte ihn erwischen. Er ist aber schon weg.
 
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Die Beziehung zu Kimberly Monera festigt sich, ist dem Schulleiter Janos aber ein Dorn im Auge.Als die beiden "erwischt" werden, verlässt Kimberly kurz darauf ohne Erklärung die Schule. Jonah kann das schwer ertragen. Er ist sicher, dass es an seiner Rasse liegt und Kimberlys Vater interveniert hat.

Jonah leidet heftig, fühlt diese Ungerechtigkeit und streitet sich mit Joey.
Das war eine schlimme Erfahrung für Jonah. Bislang konnte er mit seiner Leistung überzeugen und wurde als Musiker akzeptiert. Für ihre weißen Töchter ist er ihnen aber nicht gut genug.
 

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Ohne Voranmeldung ist ihr Vater zur Schule gekommen: Völlig eingefallen berichtet er, dass ihre Mutter bei einem Brand ums Leben kam.
Da glaubt man, Jonah sei gerade das schlimmste widerfahren, das man sich denken kann, da kommt es für beide Jungen noch schlimmer. Und dann ist das Kapitel einfach zu Ende!
 

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Hier werden die Gräben deutlich, die sich auf BEIDEN Seiten aufgetürmt haben. Auch ein Weißer ist nur ein Weißer. Als individuelle Person wird er nicht gesehen.
Die Ausgrenzung existiert auf beiden Seiten, wobei man sich noch fragen kann, ob die Ausgrenzung von Seiten der Farbigen nicht eine Reaktion auf die Diskriminierung und Ausgrenzung durch die Weißen ist. Schlimm ist auch, dass Delia aus ihrer Familie/Gruppe verstoßen wird, weil sie sich mit einem von der anderen Seite eingelassen hat. Jetzt sind Delia und David von beiden Seiten verstoßen und auf sich allein gestellt....