Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger

Zurecht ein Klassiker?

  • Ganz klar auch heute noch ein Klassiker!

    Stimmen: 3 37,5%
  • Seinerzeit schon (1945) - heute eher nicht mehr...

    Stimmen: 2 25,0%
  • Vollkommen überbewertet!

    Stimmen: 3 37,5%

  • Umfrageteilnehmer
    8

parden

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13. April 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Fänger im Roggen von Jerome D. Salinger
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Holden ist ein ganz normaler amerikanischer Jugendlicher, der Schulstreß hat und schließlich vom Internat fliegt. Nebenbei liest er gerne Bücher und macht die ersten Erfahrungen mit der Liebe.
Ein amüsant zu lesender Roman über das Erwachsenwerden.

Der sechzehnjährige durch New York irrende Holden Caulfield ist zu einer Kultfigur ganzer Generationen geworden. "Der Fänger im Roggen" war J. D. Salingers erster Roman, mit dem er weltweit berühmt wurde. Allein im Rowohlt Taschenbuch wurden anderthalb Millionen Exemplare verkauft.

An diesem Buch scheiden sich ja die Geister. Viele finden das Buch überbewertet. Ich beginne es gerade zu lesen im Rahmen einer Leserunde - und mich würde interessieren, was Ihr zu diesem Buch zu sagen habt... Kennt Ihr es? Welche Meinung habt Ihr Euch darüber gebildet? Zurecht ein "Klassiker"?
 
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Reaktionen: Helmut Pöll

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Mein Lieblingsbuch! Immer wieder großartig. Meiner Meinung nach überhaupt nicht überbewertet, sondern zeitlos und witzig. Ja, zurecht ein Klassiker. Wenn das kein klassiker ist, dann gibt es keine, @parden
 
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Reaktionen: parden

supportadmin

Administrator
29. Oktober 2013
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Das Erstaunliche an Salinger ist ja, dass diesem Buch nichts mehr folgte, was auch nur annähernd auf derselben Augenhöhe gewesen wäre. Ein Weltbestseller - und dann im Grunde nichts mehr. Mit 65 Millionen Exemplaren ist der Fänger im Roggen bis heute in den Top 20 der meistverkauften Bücher aller Zeiten.

In der Musik würde man sagen: ein One-Hit-Wonder, aber was für eines!
 

KaratekaDD

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13. April 2014
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In irgend einem Jugendbuch wurde mal vom Fänger im Roggen gesprochen. Den hab ich mir dann mal aus der Bibliothek geholt. Ist bestimmt 25 - 30 Jahre her. Meine Erinnerungen sind eher schwammig. Ich empfand es wohl als gut, weil hier ziemlich schnürkellos über amerikanische Jugendliche erzählt wurde. Und das im östlichen Teil Deutschlands eher selten anzutreffen.
 

parden

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So, der erste Abschnitt ist nun gelesen (Kapitel 1-9), und es ging besser, als ich nach den ersten Seiten zunächst befürchtet hatte.

Hier sollte nur weiterlesen, wer den ersten Abschnitt auch bereits beendet hat, da: SPOILERGEFAHR!

Der 16-jährige Holden Caulfield wird aus Pencey, einem Internat in Pennsylvania, verwiesen, weil er in vier von fünf Fächern durchgefallen ist. Dies ist bereits sein vierter Rauswurf!
Eigentlich soll er bis zu Beginn der Ferien in der Schule bleiben, doch er packt nach einem handfesten Streit kurzentschlossen seine Sachen und macht sich auf den Weg in seine Heimatstadt New York. Da seine Eltern noch nichts von seinem Rauswurf wissen und ihn erst drei Tage später erwarten, fährt er noch nicht gleich nach Hause, sondern steigt in einem zwielichtigen Hotel ab.

Erzählt wird aus der Perspektive Holdens, und zwar in einem ziemlich schnodderigen Jugendjargon. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, zumal Holden (was ist das überhaupt für ein Name?) ja durchweg alles doof, ekelig und piefig findet und diese negative Einstellung anfangs für mich nur schwer auszuhalten war.
Nach und nach schimmert allerdings auch der zerrissene Holden durch, der, der auf der Suche ist, der verletztliche, der nicht weiß, wohin mit seinen Gefühlen.

Dabei geschieht von der Handlung her eher wenig, die Situation erklärt sich jeweils v.a. aus Dialogen und der Darlegung der Gedanken Holdens.
Das Schulversagen scheint jedenfalls nicht der Dummheit Holdens zuzuschreiben zu sein, sondern eher einer stummen Rebellion. Da er sich weigert, den ganzen "David-Copperfield-Mist" zu schreiben, erfahren wir nichts über seine Eltern (außer dass seine Mutter sich ziemlich aufregen kann) und seine Familie (außer dass sein Bruder tot ist und er noch eine kleine neunjährige Schwester hat, die er wohl mag). Aber vielleicht kommt da ja noch was...

Bisher weiß ich noch nicht genau, was dieses Buch zum Klassiker macht, aber auch das kann sich ja noch in den zwei kommenden Abschnitten entpuppen.
 

KaratekaDD

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Wenn man überlegt, wann der Roman geschrieben wurde und dass ein Jugendlicher "öffentlich" in seiner Rebellion beschrieben und wahrgenommen wird, dann ist das wohl ein Klassiker. Ich denke mal, dass es zum Zeitpunkt des Erscheinens wohl eher keine solchen Stoffe in den USA gab.
 
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Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Ja, da stimme ich @KaratekaDD zu. Was meiner Meinung nach die Wirkung mit ausmacht ist, dass man zuerst einmal denkt 'und jetzt?'. Es sind ja keine Familientragödien, die da geschildert werden, es geschieht ja nichts Spektakuläres. Es sind 'nur' die Befindlichkeiten eines Jugendlichen, die da sehr einprägsam geschildert werden. Und genau darum bleibt Holden auch im Kopf. Das Thema ist einfach zeitlos. Erwachsen werden in einer Umwelt mit doofen Erwachsenen, die nie was kapieren. Das war vor 2000 Jahren nicht anders.
 

Sascha Bulazel

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20. März 2014
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Also ich halte den "Fänger" für überbewertet (sorry). Ich habe irgendwann einmal gelesen, dass sehr viele Psychopathen das Buch gelesen hätten und davon beeinflusst wurden - ich war also interessiert und habe es gekauft (nicht dass ich mich zum Psychopathen entwickeln wollte :). Ich gestehe, dass es mir selten so schwer fiel, nicht in einen ohnmachtsähnlichen Tiefschlaf zu verfallen. Ich fand die Story wirklich langatmig und schlussendlich nichtssagend. Als Vergleich muss für mich "Katz und Maus" von Grass herhalten, auch wenn die Bücher nicht direkt vergleichbar sind...
 

parden

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"Katz und Maus" von Grass kenne ich leider nicht, von daher kann ich mich zu diesem Vergleich nicht äußern.

Ich habe nun einen weiteren Abschnitt des Buches gelesen und bin ebenfalls nicht ganz so begeistert. Es ist einfach ermüdend, gefühlte 300 Mal zu lesen:
  • Das macht mich fertig
  • Das macht mich depressiv
  • Das macht mich traurig
Holden hält alle Erwachsenen und auch die meisten Jugendlichen für verlogene Ärsche. Nur ein Pferd ist menschlich. Kindern gegenüber ist er allerdings aufgeschlossener. Die sind wohl noch nicht verdorben.

Die Frage, die sich mir stellt: wieviel hat diese Übersetzung noch wirklich mit dem Originaltext gemein?!

Bei Wikipedia steht nämlich folgendes:

Die ursprüngliche erste deutsche Übersetzung wird häufig Heinrich Böll zugeschrieben. Dies ist jedoch nur zum Teil korrekt, da bald nach Erscheinen des Buches in den USA (1951) das Buch von der Schweizerin Irene Muehlon übersetzt wurde und unter dem Titel Der Mann im Roggen erschien. Allerdings geschah dies nicht anhand der amerikanischen Originalversion, sondern auf Basis einer bereits überarbeiteten englischen Variante. Zudem wurde die jugendliche Sprache nicht in der Form übernommen und ganze Textpassagen vollständig gestrichen. Erst 1962 wurde diese deutsche Übersetzung von Heinrich Böll „durchgesehen“, nachdem die Rechte von einem deutschen Verlag gekauft worden waren. Dieser nutzte als Vorlage seiner Arbeit die Penguin-Ausgabe. In dieser hatten die Lektoren des britischen Verlages bereits mehr als 800 Änderungen am Text vorgenommen. Im Jahre 2003 wurde das Buch von Eike Schönfeld neu übersetzt, um eine etwas zeitgemäßere Version des Klassikers auf den Markt zu bringen.

und weiter:

Der auffällige Sprachduktus (Idiolekt) des Ich-Erzählers führte neben Begeisterung auch zu Kritik. Das Buch wurde in einigen angelsächsischen Ländern zunächst sogar verboten – es enthält in der Originalausgabe 255-mal den Ausdruck goddamn sowie 44-mal das vulgäre fuck.

Davon ist ja nun wirklich nichts mehr vorhanden... :confused:o_O
 

Dorothea Kenneweg

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16. April 2014
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Bei mir liegt die Lektüre auch schon lange zurück, ich könnte das Buch aber ruhig mal wieder lesen, denke ich. Ich glaube, man muss wirklich auf die Übersetzung aufpassen. Und am besten das Original lesen. Außerdem muss man sich ein bisschen in die Zeit versetzen, in der es geschrieben wurde.

Vielfach wird "Der Fänger im Roggen" erwähnt, wenn über Wolfgang Herrndorfs "Tschick" geschrieben wird. Was meint Ihr, hat das Buch auch das Potential zum Klassiker? Ich meine: ja.
 
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KaratekaDD

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13. April 2014
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Das ist ja wirklich sehr interessant, was Anne da ausgegraben hat. Aber auch die Übersetzung aus 2003 ist dann schon wieder nicht das Original.

Vielleicht hilft ja hier ein Spezialist für amerikanische und englische Literatur: JAY, der den Blog SILVAE betreibt. Sehr erfolgreich übrigens und nur zu empfehlen. Man such dort einfach mal nach Salinger. Hier aber schreibt er direkt über den Fänger im Roggen.
 

parden

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So, nun ist es aus, das Buch. Das Ende war für mich überraschend, auch wenn es in jedem Fall passt. Die Reaktion seiner kleinen Schwester hat Holden irgendwie den Kopf zurecht gerückt. Als sie mit ihm abhauen wollte und auch schon einen gepackten Koffer dabei hatte, hat Holden sofort von seinem Vorhaben abgelassen.
Schön fand ich, dass der Titel des Buches aufgeklärt wurde: Holden stellt sich vor, er sei der Beschützer der Kinder, die durch ein Roggenfeld laufen und die er auffängt, bevor sie über die Klippe fallen. Als seine Schwester auf dem Karussell fährt und wie die anderen Kinder nach dem goldenen Ring greift, hat Holden zwar Angst, dass sie runterfallen könnte, aber er hat nun verstanden, dass es nicht gut ist, jemanden vor allem zu bewahren, sondern dass auch Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen müssen.
Ich hatte während des Lesens befürchtet, dass Holden womöglich versuchen würde, sich umzubringen...

Nachdem Holden selbst ständig alles hasste, deprimierend oder traurig fand (im Original fand sich zig mal "fuck" im Text), fand ich es bezeichnend, dass er sich darüber aufregte, als er "fuck you" an die Wand geschrieben sah. Irgendwie ging dieses "fuck" nun aus seinem Inneren an die Außenwelt, und er konnte sich dadurch ein wenig freimachen davon - so schien es mir...

Ein Buch über einen sehr sensiblen, orientierungslosen und suchenden, sehr verunsicherten Jugendlichen, das gleichzeitig in Bezug auf die Entstehungszeit sehr gesellschaftskritisch war (verlogene Erwachsenenwelt usw.).

Auch wenn mir Holden persönlich nicht sonderlich sympathisch war und mich das ewige "Das machte mich fertig" etc. zwischendurch richtiggehend ermüdete, finde ich den Roman angesichts der genannten Thematik des Heranwachsens und Erwachsenwerdens tatsächlich zeitlos.
Die Frage für mich ist: wäre es auch ein Klassiker geworden, wenn Salinger mit seiner Anhäufung von "goddamns" und "fucks" nicht einen Sturm der Entrüstung losgetreten hätte? So war der Roman nicht nur in aller Munde, sondern wurde sogar in einigen angelsächsischen Ländern regelrecht verboten. Und nichts ist so reizvoll wie das Verbotene...

Eine interessante Leseerfahrung in jedem Fall. Rezension folgt! :)
 

Helmut Pöll

Moderator
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9. Dezember 2013
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Ich glaube nicht, dass der Fänger im Roggen nur wegen seiner für die damalige Zeit deftigen Sprache so erfolgreich und bekannt wurde. Der "Skandal" liesse wohl ein kurzzeitiges Hochschnellen der Popularität erklären, Salingers Werk ist aber schon 50 Jahre populär. ;)