DER BASTARD VON TOLOSA, Abschnitt 4: Seite 482-592

Renie

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In dem 4. Abschnitt erfährt man unheimlich viel über Geschichtliches, insbesondere dem Leben auf einer Burg. Hochinteressant! Das ist fast schon wie Geschichtsunterricht - nur besser (wenn ich da an den Geschichtsunterricht denke, dem ich ausgesetzt war :rolleyes:)! Der Aufbau einer Burg, insbesondere mit dem Frauenbereich, war mir so nicht bekannt. Fast schon erinnert mich der Frauenbereich an einen Harem, Ähnlichkeiten gibt es auf alle Fälle.
Mir gefällt auch, wie das Verhältnis zwischen Jaufré, Berta und ihren Untergebenen dargestellt wird. Das hat wenig mit "Herren und Dienerschaft" zu tun, wie man es vielleicht erwartet hätte. Der Umgang miteinander ist wie in einer großen Familie. Hier wird viel gelacht, aber auch gestritten und jeder fühlt sich für den anderen verantwortlich. Aber das ist schließlich auch der Anspruch von Jaufré. Es ist einfach toll, wie er versucht, der Verantwortung für seine "Familia" gerecht zu werden. Sein Bestreben ist, dass es allen gut geht, die zu Rocafort gehören.

Berta habe ich mir durch die bisherigen Andeutungen in dem Buch ganz anders vorgestellt. Ich dachte, sie wäre eine schüchterne Frau, die verbittert ihr Dasein auf Rocafort fristet, weil sie von ihrem Ehemann quasi sitzen gelassen wurde. Das ist wohl auch das Bild, das Jaufré von ihr hatte. Aber, welch' Überraschung! Berta ist eine taffe Frau, die die Burg und ihre Leute im Griff hat. Sie bietet Jaufré die Stirn und scheut sich auch nicht, ihm die Meinung zu geigen. Außerdem sieht sie noch gut aus. Ich bin gespannt, ob Jaufré und Berta sich am Ende wieder kriegen. Ich hoffe es zumindest!

Es gibt eine Sache, in diesem Leseabschnitt, der mich verblüfft hat: "Bei meinem Ableben wäre Raol mein Nachfolger in allen Dingen. Er erbt Land und Titel. Aber solange er unverheiratet ist, hat sein Munt das Sagen." S. 567
Erstaunlich, dass man verheiratet sein muss, um als mündig anerkannt zu werden und sein Erbe antreten zu dürfen. Ich hätte gedacht, dass Frauen, damals als eher zweitrangig angesehen werden. Bertra ist für mich eine Ausnahme.
 

Ulf Schiewe

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Mir gefällt auch, wie das Verhältnis zwischen Jaufré, Berta und ihren Untergebenen dargestellt wird. Das hat wenig mit "Herren und Dienerschaft" zu tun, wie man es vielleicht erwartet hätte. Der Umgang miteinander ist wie in einer großen Familie. Hier wird viel gelacht, aber auch gestritten und jeder fühlt sich für den anderen verantwortlich. Aber das ist schließlich auch der Anspruch von Jaufré. Es ist einfach toll, wie er versucht, der Verantwortung für seine "Familia" gerecht zu werden. Sein Bestreben ist, dass es allen gut geht, die zu Rocafort gehören.

Im frühen Mittelalter ist ja der Adel so entstanden, dass Bewaffnete sich Land genommen haben und die Bauern unter ihre Kontrolle gebracht haben (vereinfacht gesagt). Aber viele freie Bauern (die es ja auch im Buch gibt) haben sich freiwillig dem Herrn unterworfen, damit er ihnen Schutz gewährt. Es gab ja keine Polizei. Und auch die Gerichtsbarkeit lag beim Herrn. So entstand das Konzept der Familie, die ja viel mehr war als die reine Verwandtschaft. Alle, die vom Herrn abhängig waren, gehörten zur Familie. Es war also eine Schutzgemeinschaft. Der Lord brauchte die Bauern und kümmerte sich um sie und sie brauchten ihn. Das war natürlich ein sehr patriarchalisches Konzept, aber innerhalb dieser Treue- und Schwurgemeinschaft hielt man zusammen. Das ist, was ich hier zeigen wollte. Natürlich später, je mächtiger die Herren wurden, je weiter entfernten sie sich von den Bauern, die besonders später scheußlich ausgebeutet wurden. Besonders wenn der Herr sie nicht mehr zum Krieg brauchte, sondern sich rein auf Söldner verließ und seinen Besitz von Verwaltern managen ließ.


Berta habe ich mir durch die bisherigen Andeutungen in dem Buch ganz anders vorgestellt. Ich dachte, sie wäre eine schüchterne Frau, die verbittert ihr Dasein auf Rocafort fristet, weil sie von ihrem Ehemann quasi sitzen gelassen wurde. Das ist wohl auch das Bild, das Jaufré von ihr hatte. Aber, welch' Überraschung! Berta ist eine taffe Frau, die die Burg und ihre Leute im Griff hat. Sie bietet Jaufré die Stirn und scheut sich auch nicht, ihm die Meinung zu geigen. Außerdem sieht sie noch gut aus. Ich bin gespannt, ob Jaufré und Berta sich am Ende wieder kriegen. Ich hoffe es zumindest!
Frauen wie Berta blieben zurück, wenn ihre Männer in den Krieg zogen und sie mussten lernen, Burg und Besitz zu verwalten. Auch, wenn sie für ihre unmündigen Söhne herrschen mussten. Diese Frauen waren oft ziemlich resolut, manche führten sogar Krieg. Überhaupt hatten die Frauen im 12. Jh mehr Rechte als in späteren Zeiten. Am schlimmsten ging es ihnen eigentlich in der Renaissance und Neuzeit.

Es gibt eine Sache, in diesem Leseabschnitt, der mich verblüfft hat: "Bei meinem Ableben wäre Raol mein Nachfolger in allen Dingen. Er erbt Land und Titel. Aber solange er unverheiratet ist, hat sein Munt das Sagen." S. 567
Erstaunlich, dass man verheiratet sein muss, um als mündig anerkannt zu werden und sein Erbe antreten zu dürfen. Ich hätte gedacht, dass Frauen, damals als eher zweitrangig angesehen werden. Bertra ist für mich eine Ausnahme.
Ja, das war so. Die Munt lag normalerweise beim Vater, nicht nur gegenüber seinen Kindern, sondern auch gegenüber seiner Frau. Er hatte also das Sagen in allen Dingen. War die Frau Witwe und heiratete erneut, erhielt der Stiefvater die Munt.