DER BASTARD VON TOLOSA, Abschnitt 2: Seite 161-354

Renie

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Ich bin jetzt in den 2. Abschnitt eingestiegen. Was mir sehr gut gefällt, ist die stimmungsvolle Beschreibung von Tripolis (der Ritt von Jaufré von Mons Pelegrinus zur Burg von Bertran): sehr wuselig, laut, exotische Gerüche, Völkermischmasch. Also alles, was man sich als Europäer unter einer arabischen Großstadt vorstellt. Eine ganz tolle Atmosphäre, da bekomme ich fast Fernweh.
@Ulf Schiewe: Hattest du das Glück, diese Gegend schon mal zu bereisen, z. B. während der Recherche für das Buch?
 

Ulf Schiewe

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Ich hatte es eigentlich vor, aber dauernd war da Krieg im Libanon oder Syrien. So musste ich mich anders behelfen. Reisebeschreibungen, Fotos, usw. Vieles ist dort jetzt ja zerstört in Syrien. In DIE HURE BABYLON beschreibe ich das alte Antiochia und Aleppo mit der wunderbaren Zitadelle. Weitestgehend zerstört. Das ist wirklich zum Heulen.
 

Helmut Pöll

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Ich bin jetzt in den 2. Abschnitt eingestiegen. Was mir sehr gut gefällt, ist die stimmungsvolle Beschreibung von Tripolis (der Ritt von Jaufré von Mons Pelegrinus zur Burg von Bertran):

Mir geht es wie Dir @Renie . Und ich habe immer die Bilder eines Films im Kopf. "Königreich der Himmel" von Ridley Scott. Die Stadt in diesem Film ist zwar Jerusalem und nicht Tripolis, aber die Szenen sind in beiden Städten sicher sehr ähnlich.

Tatsächlich ist ja sogar einmal (oder mehrmals?) von König Balduin die Rede. Allerdings gab es, soweit ich weiß, mehrere Balduins als Könige von Jerusalem. Von der Zeit her würde es aber passen.

In jedem Fall gäbe Dein Buch eine ebenso gute Vorlage für eine Verfilmung a la "Königreich der Himmel", @Ulf Schiewe
 

Ulf Schiewe

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Mir geht es wie Dir @Renie . Und ich habe immer die Bilder eines Films im Kopf. "Königreich der Himmel" von Ridley Scott. Die Stadt in diesem Film ist zwar Jerusalem und nicht Tripolis, aber die Szenen sind in beiden Städten sicher sehr ähnlich.

Tatsächlich ist ja sogar einmal (oder mehrmals?) von König Balduin die Rede. Allerdings gab es, soweit ich weiß, mehrere Balduins als Könige von Jerusalem. Von der Zeit her würde es aber passen.

In jedem Fall gäbe Dein Buch eine ebenso gute Vorlage für eine Verfilmung a la "Königreich der Himmel", @Ulf Schiewe
Schön, dass du bei dem Roman die richtigen Bilder im Kopf hast. Ich könnte es mir auch als Film vorstellen. Obwohl historisch gesehen der Film von Ridley Scott nicht besonders faktentreu ist. Und er spielt zur Zeit Saladdins, das ist am Ende des 11. Jh, nach dem Zweiten Kreuzzug. Aber die Bilder würden schon passen.

Was den Balduin betrifft, du hast recht, es gab mehrere. Dieser war der erste. Er und sein Bruder Gottfried von Boulogne waren unter den Anführern des Ersten Kreuzzugs. Gottfried wurde dann zum König von Jerusalem gewählt, starb aber ein Jahr später, worauf Balduin sich als sein Bruder die Krone holte, bevor andere Einspruch erheben konnten. Er war ein guter Fürst, tatkräftig und gerissen. Aus seiner Linie kamen weitere. Balduin II hatte vier starke Töchter mit einer armenischen Prinzessin. Die älteste wurde nach ihm Königin von Jerusalem - Melissende. Sie spielt in meinem Roman DIE HURE BABYLON eine Rolle. :)
 
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Renie

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Jaufré ist ein toller Typ, ein echter Held. Er ist ein großer Kämpfer, unnachgiebig gegenüber seinen Feinden, aber niemals grausam.
Mein Held schwächelt - was aber angesichts der Umstände verständlich ist.
Er ertränkt seine Trauer um Noura und sein Selbstmitleid in Alkohol. Die Bestrafung der 3 Anhänger von Ricard ist zu hart und grausam. Hinzu kommt noch die Verleumdung seines Sohnes in Frankreich. Er vernachlässigt seine Tochter. Das ist eigentlich nicht der Jaufré, den ich im 1. Abschnitt kennengelernt habe. Aber irgendwie verzeiht man ihm diese Schwächen und Fehltritte gern, zumal er sich ja wieder fängt, auch dank seines Freundes Hamid.

Hamid ist ein toller Typ mit einer eigenen Geschichte, sehr sympatisch, ein guter Freund, der sich nicht scheut, Jaufré die Meinung zu sagen – auch, wenn sie unangenehm ist. Ich habe mich über seine Entscheidung, mit nach Frankreich zu kommen gefreut. Das dürfte auf jeden Fall interessant werden: ein Moslem unter „Ungläubigen“. Ich bin gespannt, wie er und die Bewohner von Castel Rocafort miteinander zurecht kommen.
 

Ulf Schiewe

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Du siehst, Renie. Unser Held ist nicht ohne Fehl und Tadel. Ein Mensch eben.

Wie fandest du die Welt in Tripolis?
Und was hältst du von Bertran?
Und seine Tochter, die ihn locke rum den Finger wickelt?
 

Renie

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Du siehst, Renie. Unser Held ist nicht ohne Fehl und Tadel. Ein Mensch eben.

Wie fandest du die Welt in Tripolis?
Und was hältst du von Bertran?
Und seine Tochter, die ihn locke rum den Finger wickelt?

zu Tripolis:
Mir ging es da ähnlich wie @Helmut Pöll. Ich kenne zwar nicht den Film "Königreich der Himmel". Trotzdem musste ich immer an Kino denken. Als Europäer, der noch nie im Orient war, hat man immer eine romantische Vorstellung von Städten dieser Gegend: laut, wuselig, farbenfroh, multi-kulti, fremde Gerüche. Ich muss sagen, dass du, @uweschiewe, diese Vorstellung sehr gut umgesetzt hast. Ich finde es schon ein bisschen schade, Tripolis zu verlassen.

zu Bertran:
Bei Bertran bin ich noch zwischen Sympathie und Antipathie hin und her gerissen. Im ersten Leseabschnitt, als die Soldaten um Bertran herum in einen Hinterhalt geraten und anschließend das Dorf geplündert haben, war er für mich noch das "Greenhorn", das noch nicht kampferprobt ist. Bei der Plünderung war ich überrascht, das er seine Männer von den Vergewaltigungen abgehalten hat. Das wirkte auf mich zunächst sehr "menschlich", für ihn war es christlich. Wobei ich mich doch frage, warum vergewaltigen unchristlich ist und das Morden und Plündern des Dorfes noch als christlich durchgeht. Aber gut, wir sind ja bei den Kreuzzügen. Da wird mit eigenen Maßstäben gemessen.
Mit dem Ende des 2. Abschnittes entwickelt sich das Bild von Bertran für mich jedoch ins Negative. Man darf einfach nicht vergessen, dass er im Outremer "gestrandet" ist und nun versucht, sein "Königreich" aufzubauen. Er ist zwar kein Kriegsheld, aber seine Talente liegen wahrscheinlich eher in der Politik und im Intrigenspiel. Dafür benutzt er die Menschen, die ihm ergeben sind. Ich denke nur an die Aufgabe, die er Jaufré mit auf den Weg gibt, als dieser wieder nach Frankreich geht.

zu Adela:
Adela hat wenig von einer 11-Jährigen. Sie wirkt auf mich viel älter. Bei ihr vermisse ich die Unbeschwertheit eines Kindes. Aber wahrscheinlich mussten die Kinder in der damaligen Zeit früher erwachsen werden. War es nicht auch so, dass Mädchen sehr früh verheiratet worden sind?
Auf jeden Fall hat sie einen sehr starken Willen (kein Wunder, bei den Eltern :rolleyes:), so dass sie ihren Vater dazu bewegen kann, das Outremer zu verlassen, um sich seiner Vergangenheit zu stellen.
 

Ulf Schiewe

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Hallo Renie,

danke für deine ausführlichen Antworten. Was die Plünderungen angeht, so war das zu der Zeit etwas ganz Normales. Zunächst mal gab es keine logistische Versorgung wie bei modernen Armeen. Die Krieger "lebten vom Land", wie man das nannte. Plündern nach Futter und Nahrung war also, wie man sich in Feindesland bewegte. Dabei wurden natürlich auch die Bauern um ihr Geld und Wertsachen gebracht, denn Krieger bekamen wenig oder keinen Sold. Das war noch bis ins 17. Jh üblich. Das dabei auch gleich die Frauen vergewaltigt wurden, war auch üblich. Dass ein Bertran da "christliche Skrupel" zeigt, ist vom Autor eigentlich unserer heutigen Empfindlichkeit geschuldet, der wahre Bertran hätte nichts dagegen gehabt. :)

Zur Person Bertran. Der war ja eigentlich der Erstgeborene und hätte Graf von Toulouse werden sollen. Die Annullierung der Ehe seines Vater hatte ihn zum Bastard gemacht. Und sobald sein Vater tot war, hat man ihn praktisch vertrieben und nach Outremer verbannt. Dass er immer noch daran interessiert ist, sein Erbe in der Heimat vielleicht doch noch anzutreten, finde ich normal. Würde ich auch tun. Außerdem ist er ja eigentlich ziemlich widerwillig nach Tripolis gegangen. Dennoch ist dort durch ihn eine neue Dynastie entstanden. Sein kleiner Sohn hat ihn später als Graf von Tripolis beerbt. Dei Sache hat aber noch ein dramatisches Nachspiel 40 Jahre später, aber das erzähle ich unter anderem in DIE HURE BABYLON. :)

Was Adele angeht, so habe ich sie mir als 11-jährige vorgestellt, wie ich als Vater Kinder kenne. In dem Alter sind sie gern etwas altklug und vorlaut, meinen schon, sie wüssten alles. Heute laufen sie mit Handies in der Schule rum und tragen Markenklamotten. Aufklären muss man die nicht mehr. Natürlich hatten die im 11. Jh keine Handies, aber naseweis waren sie bestimmt auch schon. :)
 

Renie

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Bei Bertran muss ich mittlerweile zurück rudern. Je weiter ich in deinem Buch komme, @Ulf Schiewe, desto mehr gewinnt Bertran für mich. Da seine Männer ja große Stücke auf ihn halten, kann er nicht so unsympatisch sein, wie ich zuerst den Eindruck hatte. Vielleicht wächst er mir ja noch ans Herz.;)
 

Ulf Schiewe

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Bei Bertran muss ich mittlerweile zurück rudern. Je weiter ich in deinem Buch komme, @Ulf Schiewe, desto mehr gewinnt Bertran für mich. Da seine Männer ja große Stücke auf ihn halten, kann er nicht so unsympatisch sein, wie ich zuerst den Eindruck hatte. Vielleicht wächst er mir ja noch ans Herz.;)
Nein, Bertran ist kein schlechter Typ. Heute würde man sagen, er ist mehr Politiker als General. :)
 

Ulf Schiewe

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Der Gaul. Ja, heute ist es abwertend. Ich dagegen benutze das Wort synonym zu Pferd. Der Grund? Jaufré und seine Kameraden sind Krieger. Natürlich achten sie ihre Tiere, die sind schließlich überlebenswichtig. Aber es sind Männer im Krieg, die eine etwas schnoddrige Sprache pflegen. Da benutze ich selten "Ross". Das ist zu pompös. Pferd ist okay und Gaul auch.

Um zu illustrieren, dass ich damit nicht falsch liege:
Das französische cheval (woher ja chevalier stammt) oder caballo (spanisch), cavallo (portugiesisch), etc., stammen alle vom umgangssprachlichen, lateinischen cavallus ab, was so viel wie Klepper bedeutet, eben Gaul. Das eigentlich lateinische Wort ist ja equus. Also haben auch schon früher die Krieger ihr Pferd Gaul genannt und dadurch wurde es zum Begriff für einen ganzen Adelsstand, den Chevaliers, den Reitern von Kleppern. Eigentlich ganz lustig, oder?

Ja, die Sporen und die Fersen. Da war ich nicht immer konsequent.

Was die Frauen betrifft, so hast du recht, im 12. Jh hatten sie mehr Rechte als später. Das ist zum Teil im fränkischen Recht begründet, bei dem Frauen nach ihren Brüdern erben und herrschen durften. Aber es hat sicher auch mit der militarisierten Gesellschaft zu tun. Wenn die Herren in den Krieg ritten, wie hier im Roman, kümmerten sich die Frauen um den Besitz. Sie herrschten auch für ihre unmündigen Söhne, wenn der Burgherr gefallen war. Frauen spielten eine bedeutendere gesellschaftliche Rolle als später. Sie wurden auch in der Troubadourlyrik besonders geehrt, auch wenn diese Frauenfiguren in der Dichtung natürlich ein überspitztes und nicht sehr realistisches Ideal darstellten. Nachdem später aber die Fürsten und selbst die Ritter nicht mehr selbst kämpften, sondern Söldner für sich kämpfen ließen, verloren auch die Frauen ihre Bedeutung als Hüter der Burg.

Interessant, wie die Zwänge von Kriegen die Rolle der Frau beeinflusst haben. Wir haben das ja hautnah in den beiden Weltkriegen erlebt, wo Frauen in den Munitionsfabriken und später beim Trümmerabräumen ihre gesellschaftliche Stellung verbessern konnten. Wenigstens etwas Positives ist da aus Kriegen entstanden. :) In der Folge des Buches wird das noch deutlicher werden.

Ansonsten vielen Dank fürs aufmerksam Lesen und die interessanten Fragen.
 
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