Das Märchen - die Legende

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Hi people,
vor kurzem las ich den hübschen Satz "sie (Muttern) öffnete Welten, durch die Magie einsickern konnte". Dieser Satz stand wo? Genau!
Buchinformationen und Rezensionen zu Unsre verschwundenen Herzen von Celeste Ng
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Darüber habe ich eine Weile gesonnen. Magie. Das Mädchen auf der Himmelsbrücke. Linden Hills. Magie. Hm. Magie führt stracks zu Märchen. Und Märchen habe ich in meiner Kindheit und noch in meiner Jugendzeit geliebt. Danach fand ich das Leben spannender und Märchen waren abgemeldet.
Aber fast alle Menschen scheinen eine Sehnsucht nach dieser Art von Magie zu haben, sonst hätte der gute Harry Potter nicht so einen durchschlagenden Erfolg für sich verbuchen können.
Was für einen Einfluss haben Märchen auf unsere Kinder? Habt ihr euren (oder euren Enkeln) welche vorgelesen, habt ihr selber welche vorgelesen bekommen? Märchen suggerieren, dass Unmögliches möglich wird. Ist das eine gute Vorbereitung aufs Leben? Sie sagen auch, dass Böses nicht ganz so schlimm ist, weil am Ende das Gute siegt. Und vor allem, dass Magie möglich ist. Oder Wunder. Oder wie man es auch nennen möchte. Das Übernatürliche. Sollten Kinder Märchen hören/lesen/vorgelesen bekommen?

Märchen gehören zu unserer Kultur. Sie sind fester Bestandteil unseres Kulturguts. In Musa Delis Buch "Zusammenwachsen" beklagt er, dass die türkischen (und andere zugewanderte) Kinder einen Wissensnachteil hätten, weil sie die entsprechenden Märchen, Lieder, etc. nicht kennen, mit denen die deutschen Kinder ganz selbstverständlich aufgewachsen sind und die die Lehrer als bekannt voraussetzen. Warum kennen sie sie nicht? Weil sie (zum Teil) nicht in den Kindergarten geschickt worden sind (mannigfaltige Gründe, hier nicht zu hinterfragen). Sein Vorschlag, dieses Manko aufzuholen, ist, einfach auch türkisches Kulturgut (und anderes) in den Unterricht aufzunehmen. Mein Vorschlag wäre jedoch, einfach eine AG zu machen, eine sehr nette AG, kuschelig mit Kissen und allem, wo man das entsprechende Märchengut nacherzählt bekommt. Dort könnte man natürlich dann die Kinder auch einmal erzählen lassen, was sie so für Märchen erzählt bekommen. (Ich hatte kürzlich einmal ein türkisches kleines Märchen gelesen - und das ist ganz ganz anders gewesen als das, was wir so kennen). Nun ja, ich finde, das ist nicht das größte Problem, und wer lesen kann, kann diesen Kulturnachteil auch selber ausgleichen mit der Zeit.
Aber Magie .. es ist ein großer Nachteil der Welt, dass sie fehlt. Ein Schöpfungsfehler. Oder doch nicht? Jeder Zauberer wollte was anderes und schon hätten wir den großen Zambalo = Zaubererstreit. Ich stelle mir eine große Arena vor, denn selbstverständlich würden wir diesen Disput in zivilisierte Bahnen lenken alsbald und die treue Ehefrau (hoffentlich, vermutlich oder auch gar nicht) sagt ihrem Zauberer "nein, nein, nimm den roten Zauberstab, der blaue funktioniert doch gar nicht mehr richtig", während andere Ehefrauen forsch sagen, "Liebling bleib zuhause, heute mach ich mal den Zauber und bitte! verkoch den Blumenkohl nicht wieder so wie das letzte Mal." Ja, Magie fehlt auf der Welt.
Also, sollen Kinder mit Magie aufwachsen oder ohne - wie siehts aus mit eurer Einstellung zu Märchen - Legenden - Kinder - oder euch selbst?
Welches war/ist euer Lieblingsmärchen, könnt ihr euch noch erinnern?
Und verzeiht mir eventuelle Schreibfehler und haltet mir bitte nicht jeden einzelnen vor, "wie es etliche zu tun pflegten" (das ist ein Zitat), ich klopfe meine Texte ungefiltert hier hinein, ohne sie vorher durch ein Schreibprogramm abzugleichen bzw. sie vorzuschreiben, so habe ich ein unmittelbareres Gefühl und mehr Inspiration.
Eure Donnerstagswanda
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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So, sorry Wanda, nochmal. Ich war am Donnerstag auf "große (Stau-)Reise" und musste mich gestern neu sortieren....

Ohne Magie, ja, geht! Aber ohne Geschichten, nein, geht nicht! Sprechende Tiere, Märchenschlösser und Traumreiche schließe ich jetzt mal von Magie aus.

Jeder sollte sein Kind kennen und ob es auf Magie steht, oder nicht.

Mangas! Mangas sind voll von Magie. Mag ich nicht.

Die Scheibenwelt von Pratchett würde ohne Magie nicht funktionieren, mag ich sehr.

Magie in Erwachsenenlektüre muss unbedingt funktionieren und totalen Sinn ergeben, sonst wirds lächerlich. Autoren die sich auf dieses sehr dünne Eis begeben, sollten genau wissen, wo sie ihre Schwerpunkte legen (haha!)

In Linden Hills war eigentlich wenig Magisches, eher gute Instinkte. Also wenn ein Junge aus einem Kuchen die Abwesenheit von Frau Nedeed herausschmeckt, empfinde ich das nicht als Magie.

Und was Schreibfehler angeht, bin ich äußerst dankbar für humorvolle Berichtigte, wenn es mich dann doch mal "gejuckt" hat.

In Träumen werden winzigste Nuancen der Erlebniswelt des Tages wiedergekäut und verarbeitet, empfinde ich auch nicht als magisch, sondern als äußerst praktisch und überlebenswichtig für den Verstand.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Ich mochte als Kind und Jugendliche Märchen sehr gern und habe sogar Märchenbücher aus verschiedenen Ländern gesammelt und gelesen. Erst als ich sie meinen Kindern vorgelesen habe, waren sie mir oft zu grausam.

Zur Abiturszeit war ich eingeladen zu einem Auswahlseminar der Studienstiftung. Da ich auf meinem Bewerbungsbogen "Märchen" als eine meiner Lieblingslektüren angeben hatte, konfrontierte mich ein Psychologe mit der Aussage, ich würde gerne der Wirklichkeit entfliehen und wäre potentiell suchtgefährdet. OK, unter Büchersucht leide ich tatsächlich, aber ansonsten empfinde ich diese Analyse, die mich damals total verunsichert hat, heute als Unverschämtheit. Schade, dass ich damals nur vor Schreck verstummt bin. Ich weiß nicht, was er damit erreichen wollte, aber es geht mir bis heute nach. Ob es daran liegt, dass ich heute keine Märchen mehr lesen mag? Ich weiß es nicht.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Als Kind sind mir Märchen vorgelesen worden und eine meiner frühesten Erinnerungen ist, wie ich weinend da saß, weil das arme Rumpelstilzchen sich aus Wut ein Bein ausgerissen hat.

Später gab es eine Phase, in der mein zukünftiger Mann Märchen aus aller Welt gesammelt hat und ich habe die natürlich gelesen.

Ich mochte auch sehr gerne die Märchen von Bechstein, die von Andersen habe ich geliebt genauso wie die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.

Meinen Kindern habe ich sehr viel vorgelesen, aber wenig Märchen. Obwohl das Sujet Thema in meinem Studium war und
zu unserer Pflichtlektüre gehört hat.

Und meine Schwiegertochter hatte bei ihrem Examen sonderbarerweise ebenfalls Märchen für Kinder als Thema. Aber meine Enkelkinder kennen trotzdem fast keine der klassischen Märchen.

Magie gehört zur kindlichen Denkweise. Und das finde ich richtig und wichtig. Es gibt sehr gute Kinderliteratur, in der Realität und Magisches eine gute Verbindung eingeht.

Heute komme ich in der Literatur sehr gut ohne Magie aus. Im Gegenteil, Magisches ist für mich eher ein Ausschließfaktor.
 

Wandablue

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18. September 2019
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eil das arme Rumpelstilzchen sich aus Wut ein Bein ausgerissen hat.
HahahahahHAHAHAHA - kann ich voll nachvollziehen. Der Erziehungsberechtigte war sicherlich entsetzt, Empathie mit den "Bösen". Erziehungsziel verfehlt. Aber ich zitiere auch heute noch manchmal, wenn ich in der Schlange hinter bläkenden Plagen stehe, Augenkontakt mit denselben aufnehmend "und übermorgen hole ich der Königin-Mutter ihr Kind" - worauf ich von Erziehungsberechtigten scheele Blicke bekomme, aber ist ja nicht verboten, so was zu sagen, *ggg*.
 
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Wandablue

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Im Gegenteil, Magisches ist für mich eher ein Ausschließfaktor.
Schon seltsam, wie sich manche Vorlieben verkehren. Magie, wenn sie gut gemacht ist, mag ich. Vor allem in SF. Ich hab da mal einen Roman gehabt, da haben die Leuts von Planet zu Planet springen können. Aber nicht von Anfang an. Da gabs dann so ne Art Initiationsritual. Und wer nicht würdig war, oder so, der fiel dabei runter. Tot. Hin. Servus.
 

Wandablue

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Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald...

Hä? Hatten die keine Handys dabei? Wo gibts noch so große Wälder? War das Lebkuchenhaus glutenfrei?
Bei den Eltern hätte ich das Jugendamt informiert.;)
Vorlesen macht man ab vier bis sieben. Höchstens. Da haben die noch kein Handy, wenigstens die nicht, die vernünftige Eltern haben.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Keine eigenen, aber sie können die Handys ihrer Eltern schon mit 4 Jahren perfekt bedienen und kriegen Wutanfälle, wenn man sie ihnen wegnimmt, ohne für adäquaten Bespaßungsersatz zu sorgen.
Da helfen auch keine gut gemeinten Warnhinweise von Großtanten, die dann von den Eltern der lieben Kleinen für unfähig abgestempelt werden.
 
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Emswashed

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9. Mai 2020
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Aber zurück zum Thema. Es sind nicht mehr die klassischen Märchen, die unsere Kinder und Enkel konsumieren, es sind eher die Mangas und die stecken voller Magie.
 
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Wandablue

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Dann werden die Handys eben heute eingesetzt wie früher das Fernsehen, zur Ruhigstellung. Kindererziehung ist ja auch, richtig gemacht, mordsanstrengend. Und was Anstrengendes kann diese Generation nicht mehr aushalten. Es wäre lustig, wenn die Soldaten in der Ukraine, ihre Händys rausziehen, und Spiele spielen statt Panzer zu fahren oder zu schießen oder was sie sonst noch so machen, morden und vergewaltigen. Schickt ihnen Händys.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Wo ist die denn, Ems, die Mangamagie? Da malt man doch nur Bildchen aus (dachte ich). Alle anderen dürfen auch mitreden, wenn sie wollen.
Im Buchhandel spielen Mangas eine immer, immer wichtigere Rolle, was auch an der Pandemie und den Vorlieben im Lockdown liegt. Es ist gerade eines der heißesten Themen überhaupt. Ich habe mir jetzt eine Manga-Vertreterin in den Buchhändler-Unterricht eingeladen, die mich unterstützen soll, weil ich selbst fast keine Ahnung davon habe. In den letzten Monaten stelle ich fest, dass immer mehr kleinere Buchhandlungen, die ich als eher konservativ beschreiben würde, ein erstes, schüchternes Mangaregal mit einem Grundsortiment einkaufen. In 6 bis 12 Monaten kann ich euch berichten, wie die Versuche ausgegangen sind, meine Azubis halten mich auf dem Laufenden. Spannend!

Ich finde es übrigens klasse, wenn die Jugendlichen Manga lesen und in die Buchhandlungen kommen. Sie nehmen dann dort auch ein Weihnachtsgeschenk für die Oma mit und in ein paar Jahren vielleicht auch andere Bücher. Bloß nicht die Nase rümpfen!
 

Barbara62

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19. März 2020
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Dann werden die Handys eben heute eingesetzt wie früher das Fernsehen, zur Ruhigstellung. Kindererziehung ist ja auch, richtig gemacht, mordsanstrengend. Und was Anstrengendes kann diese Generation nicht mehr aushalten. Es wäre lustig, wenn die Soldaten in der Ukraine, ihre Händys rausziehen, und Spiele spielen statt Panzer zu fahren oder zu schießen oder was sie sonst noch so machen, morden und vergewaltigen. Schickt ihnen Händys.
Meine Enkel sind 18 und 7 Monate alt und haben sehr verantwortungsbewusste Eltern. Aber es ist erschreckend, wie die Kinder bereits in diesem Alter auf Handys in ihrer Umgebung reagieren. Der Kleine fällt fast aus dem Kinderwagen, wenn er in der Straßenbahn jemanden mit Handy sieht. Ich hätte das nie geglaubt, wenn ich es nicht selbst erleben würde.