Sakuko

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27. Juni 2016
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NRW

Die Schienensee ist ein seltsamer Ort. Kilometerweise Schienen durchziehen das Land, verwickelt wie ein Wollknäuel, dass die Katze in den Pfoten hatte. Übereinander, Nebeneinander, verbunden mit Weichen, Drehteller, Kreuzungen in verschiedenen Spurweiten. Und dazwischen Erde, durch die sich gefährliche Raubtiere graben: Riesige Maulwürfe, Schildkröten, Armeisenlöwen, fleischfressende Würmer. Nur auf wenigen steinernen Inseln ist man sicher vor diesen Raubtieren, und auf den Zügen, die die Schienensee befahren.
Es ist die Geschichte von Shamus Yes ap Sooran, ein junger Mann ohne Ziel. Seine Cousins, die ihn aufgezogen haben, haben ihm deswegen einen Job als Doktorlehrling auf einem Maulwurfer besorgt, ein Zug der gigantische Maulwürfe jagt und das Fleisch, Fell und Leder verkauft.
Doch was Sham wirklich interessiert ist Salvage, Technologie aus den früheren Zeiten. Aber als er in einem verunglückten Zug etwas findet, dass ihn zu etwas völlig undenkbarem weist muss er herausfinden, was er wirklich sein möchte.

Das Buch spielt in einer dystopischen Welt, einer Mischung aus Steampunk, Abenteuerliteratur und Fantasyelementen.
Tatsächlich beginnt das Buch als ziemlich offensichtliche Parodie auf Moby-Dick, aber es bleibt nicht einfach eine ad-absurdum geführte Literaturkopie. Nein, das Buch hat tatsächlich einige sehr tiefsinnige und interessante Twists im Angebot.

Es wird öfters auf die Metaebene gewechselt und die 4te Wand durchbrochen. Das Buch redet selbst über Spannungsbogen und Autorentscheidungen. Es werden auch viele Tropes aus Abenteuerliteratur auf die Schippe genommen. z.B. haben in dieser Welt viele Kapitäne ihre "Philosophie", riesige, tierische Nemeses, die sie jagen, und die ein bestimmtes Konzept oder eine bewundernswerte Charaktereigenschaft symbolisieren.

Auch die Sprache ist etwas eigentümlich, wirkt sie doch oft etwas altmodisch, fast hochgestochen, aber gleichzeitig verkürzt, fast schon abgehackt. Außerdem wird 'and' grundsätzlich als & geschrieben, was die Verwinkelung der Schienen beschreiben soll. Entsprechend wird & häufiger gebraucht als im üblichen Sprachgebrauch.
Trotzdem lässt sich das Buch sehr gut und flüssig lesen.

Ich fand sehr gut, wie hier mit verschiedenen klassischen Autoren gespielt wurde, wie verschiedene Erwartungen aufgebaut und verworfen wurden und bekannte Motive teilweise neu verarbeitet oder auf eine andere Ebene gehoben wurden.
Das Buch ist für ein Jugendbuch definitiv anspruchsvoll und tiefgreifend, aber auch wenn man nicht alle literarischen Wegzeige versteht, so ist es trotzdem ein unterhaltsames, spannendes und sympatisches Buch in typischer China Mieville Manier.