Buchbranche feiert ihre Kannibalisierung als Digital-Strategie

Helmut Pöll

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Der Kunde mag es gern bequem. Er mag es bequem und übersichtlich. Er mag keine bösen Überraschungen, schon gar keine bösen Überraschungen finanzieller Art. Diesem verständlichen Wunsch sind schon vor Jahrzehnten Reiseveranstalter mit ihren „Alles inklusive“-Angeboten nachgekommen. Egal wie viel man isst oder trinkt, es wird unter dem Strich nicht teurer.

Es war nur eine Frage der Zeit bis findige Manager das beliebte Konzept der Touristikbranche auf den Buchmarkt übertrugen. Und jetzt gibt es sie, die Flatrate für E-Books. Für 10 Euro lesen bis zum Umfallen. Für den Leser ist das bequem. Aber was bedeutet das eigentlich für Verlage und Autoren?

Darüber hat sich die Autorin Nina George in einem Artikel der ZEIT Gedanken gemacht. Oft bringt ein gelesenes Buch im Rahmen der Flatrate dem Autor nur noch wenige Cent. Die Buchbranche aber, so George, mache begeistert mit und feiere die eigene Kannibalisierung als innovative Digitalstrategie.

Mehr Infos hier:
www.zeit.de: E-Books: In der Flatrate-Falle
 

supportadmin

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29. Oktober 2013
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Was Flatrate-Modelle für das Einkommen von Autoren in Zukunft bedeuten könnten, kann man sich anhand der Entwicklung in der Musikbranche gut vorstellen, die einige Jahre Vorsprung mit Flatrate Modellen hat.

Der US-Journalist David McCandless hat sehr plakativ dargelegt, was Flatrates für das Einkommen von Musikern bedeuten können. McCandless stellte die Frage, wieviel Verkäufe/Downloads nötig sind, um das US-Mindesteinkommen von $ 1260 zu erreichen. Die Antwort ist erschreckend.

Bei einem Liedpreis von 99 Cent sind über iTunes beispielsweise 1826 downloads notwendig, um auf das Mindesteinkommen von $ 1260 zu kommen. Kaufen die Hörer aber nicht bei iTunes, sondern nutzen die Spotify-Musikflatrate, dann müssen so viele Musikfreunde dasselbe Stück downloaden: 180.000.

Quelle:
www.theguardian.com: How much do musicians really make from Spotify, iTunes and YouTube?
 
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Frank1

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Ich weiß nicht, ob die Autorin des Artikels das Ganze nicht etwas zu 1-dimenzinonal sieht. Das einzige Abomodell, das ich persönlich kenne, ist Amazons Unlimited. Dort bekommt der Autor derzeit etwa 0,34 Cent pro gelesener Seite. Bei einem 350-Seiten-Buch wären das also 1,19 €. Soweit ich weiß, könnte das sogar mehr sein, als ein Verlagsautor pro verkauftem Taschenbuch erhält.
 
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Sakuko

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27. Juni 2016
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Ich denke mir die ganze Zeit, dann möchte auch niemand seine Bücher in der Bibliothek haben, da verdient man ja auch nur exakt einmal dran. Noch nicht mal Pfennige bekommt man, wenn das Buch beliebt ist und viel verliehen wird.
Und wie ist das mit der eBibliothek? Da kriegen die Autoren doch auch nichts, oder?
 
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Helmut Pöll

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ist Amazons Unlimited. Dort bekommt der Autor derzeit etwa 0,34 Cent pro gelesener Seite. Bei einem 350-Seiten-Buch wären das also 1,19 €. Soweit ich weiß, könnte das sogar mehr sein, als ein Verlagsautor pro verkauftem Taschenbuch erhält.
Ich kenne die aktuellen Zahlen leider auch nicht. Amazon Unlimited scheint dann ein Dienst zu sein, der sich (noch) rechnet. In dem Guardian-Artikel sieht man auch, dass sich die grossen Flatrate-Anbieter der Musikbranche mit einem besoners umfangreichen Angebot für die Künstler nicht mehr rechnen. Es gibt mittlerweile einige namhafte Musiker, die sich weigern ihre Werke über Flatrates anzubieten.

Bei den Autoren habe ich gestern von Andreas Eschbach einen Twitter Feed dazu gelesen, wonach seine Werke ebenfalls nirgendwo im Rahmen einer Flatrate angeboten werden. Wäre interessant zu erfahren wie er das vetraglich geregelt hat.
 
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Helmut Pöll

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Genau aus diesem Grund hat meine Agentur bei Neuverträgen den Passus eingefügt, dass die AutorInnen Flatratemodellen ausdrücklich zustimmen müssen (was ich nicht tun werde).
Da bin ich auf die weitere Entwicklung sehr gespannt, @Nicole Neubauer . Flatrate-Modelle, in denen die bekannteren Namen zunehmend fehlen, werden auch für die Leser uninteressant, trotz günstigem Preis.
 
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Frank1

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Bei mir sieht es sogar umgekehrt aus. Ich würde gerne bei Unlimited teilnehmen, doch das kann man leider nur, wenn man sein eBook exklusiv über Amazon anbietet. Will man sein eBook auch als .epub über andere Anbieter vermarkten, ist man bei Unlimited draußen. Wie ich oben vorgerechnet habe, ist das zumindest für unbekannte Autoren durchaus attraktiv. Im KDP-internen Forum schreiben öfters mal Autoren, dass sie per Unlimited mehr verdienen als über direkte Verkäufe. Andererseits verzichten sie dafür eben auf Verkäufe an die Nutzer anderer Reader.
 
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Marley

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Wenn einige Spler gerade durch Ausleihen über die Runden kommen mit ihren Büchern - warum sollten sie dann ihre Arbeitskraft in einen stressigen ... ja was? Halbtagsjob? Vollzeitjob? "da draußen" investieren. So ganz verstehe ich das Jammern nicht. Wer oder was will es den Autoren vorschreiben? Es ist und bleibt ein Geschäftsmodell. Es geht nicht um Literatur.

Nina George ist nicht das Sprachrohr der Autoren oder Musiker. Warum nur kommt es immer wieder so rüber?
 
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Nicole Neubauer

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Da bin ich auf die weitere Entwicklung sehr gespannt, @Nicole Neubauer . Flatrate-Modelle, in denen die bekannteren Namen zunehmend fehlen, werden auch für die Leser uninteressant, trotz günstigem Preis.

Ich habe selbst einmal in Kindle Unlimited gestöbert, weil ich für meine Kindle-Software auf dem Tablet einen Gratis-Zugang bekommen habe. Ehrlich gesagt fand ich das Angebot unsortiert, teilweise ziemlich seltsam, und habe nach langer Suche wenig gefunden, was ich herunterladen hätte wollen. Was zum Beispiel überhaupt nicht vorkam, war Gegenwartsliteratur. Ich prophezeie, dass sich die Flatratemodelle selbst totlaufen werden, weil auch bei den Verlagen/Verwertern zu wenig Geld hängenbleibt.

In der Musikbranche haben sich viele Musiker schon öffentlichkeitswirksam aus den Flatrates zurückgezogen.
 
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Sebastian

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Bei den Autoren habe ich gestern von Andreas Eschbach einen Twitter Feed dazu gelesen, wonach seine Werke ebenfalls nirgendwo im Rahmen einer Flatrate angeboten werden. Wäre interessant zu erfahren wie er das vetraglich geregelt hat.

Das bezieht sich dann aber offensichtlich tatsächlich nur auf seine geschriebenen Bücher. Die Hörbücher kann man sich auf Spotify völlig umsonst anhören, solange man mit der Werbung leben kann.
 

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Klara Bellis

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23. März 2014
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Ich wollte den Artikel gerade hier verlinken, hinke aber schon wieder der Zeit hinterher. Sie schreibt auch über die vielen Kostenlosangebote. Im Grunde sind es so viele, dass kein Mensch mehr Geld für Bücher bezahlen müsste, wenn er denn nicht gerade auf der Suche nach einem ganz speziellen ist. Wenn man die Zahlen zu sehr an sich ran lässt, nimmt es mir fast den Mut, Geld für meine veröffentlichten Sachen zu verlangen, da es ja eh keinen Sinn zu haben scheint.
(Zu KU von Amazon kann ich nur sagen, dass es bei mir ebenfalls ca. die Hälfte der Einnahmen ausgemacht hatte und dass ich, wenn ich mich nicht verrechnet habe, für eine Ausleihe sogar etwas mehr als für den Verkauf eines E-Books bekommen hatte, da mein Buch recht viele Seiten hat.)