Anne Reinecke

Momo

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10. November 2014
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Hallo, guten Tag Anne Reinecke,

Leinsee hat mir, uns, allen aus der Leserunde gut gefallen. Wir habe mit einer Ausnahme alle mit fünf Sternen votiert. Eine davon mit vier Sternen. Trotzdem gibt es noch Fragen zu dem Buch, eine davon möchte ich gerne stellen.

Mich hat neben den anderen Figuren auch die Figur Tanja beschäftigt, die eine Freundschaft mit einem viel älteren Mann eingegangen ist und ich mich gefragt habe, was haben Tanjas Eltern dazu für eine Meinung? Wieso haben Sie so wenig über Tanjas Herkunft geschrieben?

Dankeschön schon mal!
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Hallo,
mir hat der Roman ebenfalls sehr gut gefallen.
Besonders originell fand ich die Farben die Sie ins Leben gerufen haben. Ich habe während des Lesens immer auf den Bezug, die Erklärung gewartet. Was hat Sie dazu bewogen? Gibt es einen Hintergrund oder einfach nur ein stilistisches Mittel?
Ach ja, das muss ich noch eben loswerden.....das Schaf war genial, wirklich köstlich.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hallo Anne Reinecke!
Schön, dass Sie hier sind!
Ich habe "Leinsee" absolut genossen, schon mit den ersten Sätzen, der Szene im ICE, war ich gefangen. Besonders begeistert hat mich der Schreibstil, dieses gezielte Setzen der Worte, die stellenweise so viel Tiefe haben und dann wieder die Leichtigkeit einer Komödie... Einfach großartig!!!

Wie kommt man auf so eine Geschichte? Etwas Ähnliches habe ich noch nicht gelesen. Stand da jemand Pate? Kann man sich diese besondere Beziehung, die sich so sensibel und fein entwickelt, ausdenken? Wo zunächst ja wirklich nicht die Sexualität im Fokus steht?

Zumindest muss Ihrerseits eine große Liebe zur Kunst vorhanden sein: Die Bedeutung der Farben als Überschrift, dieses auf sich selbst bezogene Künstler-Ehepaar, das Werk der drei Stiegenhauers...

Wir hatten unglaublich viel Gesprächsstoff mit dem Buch, die Leserunde hat viel Spaß gemacht.
Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg als Schriftstellerin. Das nächste Buch wird ein "Must-Read" für mich sein!
Herzliche Grüße
 
26. März 2018
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www.annereinecke.de
Vielen Dank!

Was Tanjas Eltern zu ihrer Tochter und Karl sagen würden? - Ich glaube nicht, dass Tanja ihren Eltern so etwas erzählen würde. Und auch Karl hält ja Abstand zu ihrem Umfeld. Ich gehe also davon aus, dass die Eltern nichts von Karl wissen.

Ich habe so wenig über Tanjas Herkunft erzählt, weil ich es wichtig für die Geschichte finde, dass Karl nur das über sie weiß, was sie ihm von sich zeigt und zeigen will, dass er sie nicht bedrängt oder stalkt. Tanja sucht ja auch einen Freiraum bei Karl, und den gibt er ihr. So wird Tanja nur darüber charakterisiert, was Karl von ihr sieht und darüber, was sie tut.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Eltern waren für mich insofern von Interesse, als dass ich mich gewundert habe, dass Tanja mit jungen 15 Jahren zu diesem deutlich älteren Mann ziehen darf (zumindest temporär). Wenn man die Person nicht kennt, müsste man als Elternpaar da ja schon Bedenken haben, dass das Kind ausgenutzt werden könnte.
Andererseits ist Tanja stark und wehrhaft, sie weiß, was sie (nicht) will. Das wiederum wissen auch die Eltern.
Die Alternative ist, dass Tanjas Eltern ebenso wenig präsent sind wie seinerzeit die von Karl...

@Momo: ich glaube, allein die Tatsache, dass wir so intensiv über Tanjas Eltern nachdenken, zeigt der Autorin, dass sie alles richtig gemacht hat ;)
 
26. März 2018
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Vielen Dank!

Ich wollte ein bildstarkes, vielleicht auch filmisches Buch schreiben mit einem Protagonisten, der neben seiner Sensibilität für Geräusche auch eine besondere Wahrnehmung von Farben mitbringt, schließlich habe ich ihn mir als bildenden Künstler ausgedacht. So sind mir die Farben beim Schreiben quasi von selbst in den Text geflossen. Sie dann auch in die Überschriften zu heben und daraus eine Struktur zu bauen, war der zweite Schritt, nicht der erste. Das Bild, das ich dabei im Kopf hatte, war die Geschichte als Teppich, der mit verschiedenfarbigen Fäden gewebt ist, die dann mit ihrer Anordnung und ihren Kontrasten etwas erzählen.

Über das Kompliment zum Schaf freue ich mich ganz besonders. Das Karlschaf liegt auch mir sehr am Herzen, und vor Ihnen hat noch niemand so explizit darauf hingewiesen. - Vielen Dank!
 
26. März 2018
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Ganz herzlichen Dank!

Für die Geschichte stand niemand Pate, die Figuren und Begebenheiten habe ich erfunden. Das ist das Schönste beim Schreiben: Sie können sich ausdenken und machen, was immer Sie wollen.
 
26. März 2018
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Ich sehe da gar nicht so eine Erklärungsnot den Eltern gegenüber. Mit 15 bleibt Tanja ja nicht über Nacht. Aus Sicht der Eltern ist sie nachmittags unterwegs, vielleicht auch mal abends, aber dann kommt sie heim. Als sie zeitweise in der Villa wohnt, steht sie kurz vorm Abitur und ist volljährig.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dann darf ich Ihnen nochmals ein ganz außerordentliches Talent bescheinigen! Für mich war die Erzählung absolut glaubwürdig.
Ach ja: und das Ende!!!
Dass man das Buch dann wirklich mit einem Lächeln auf den Lippen zuklappen konnte....
Ich bin eine Leserin, die das Happy End nicht unbedingt braucht. Aber hier fand ich es so schön. Und dann noch mit der lebenden Taube (wenn auch im Käfig). Einfach gelungen!!!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Oh Pardon. Dann habe ich das vermischt. Ich dachte, sie sei mit 15 auch schon über Nacht geblieben. Das wäre eine Freiheit, die zumindest ich meiner Tochter nicht zugestanden hätte ;)
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Hallo Anne Reinecke,
ich war ebenfalls an der Leserunde beteiligt und habe den Roman als mein persönliches Highlight des bisherigen Jahres bezeichnet. Viele Fragen, die sich mir stellten, habe sie freundlicherweise schon beantwortet. Das Lob zur Sprache möchte ich trotzdem noch einmal wiederholen. Die kurzen Sätze Karls, die uns ins eine Gedanken blicken lassen, fand ich mitreißend, ebenso wie lyrisch anmutende Sequenzen. Erfrischend und lächelnd zu lesen wie @Literaturhexle bereits geschrieben hat.
Eine Frage bleibt: Haben Sie unterschiedliche Art von Kunst, die Karl und seine Eltern produzieren, bewusst so gesetzt.
Die Eltern, die tote Dinge zermahlen und in Harz gießen, sich verschließen (?), nur als Paar existieren und Karl, der Dinge vakuumiert, weil er nichts an sich heran lassen will?
So habe ich es mir gedacht, liege ich ganz falsch?
 
26. März 2018
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Vielen Dank!

Ja, die beiden Arbeitsweisen habe ich bewusst so gesetzt. Natürlich habe ich meine ganz eigene Interpretation zur Kunst der Eltern und zu Karls Vakuumkunst und dazu, was das mit den jeweiligen Persönlichkeiten zu tun hat. Das ist aber nur meine Idee beim Schreiben gewesen und keineswegs die einzige „richtige“ Interpretation. Im Buch habe ich die Kunst unter anderem deshalb nicht näher erklärt, damit genug Platz bleibt, den die Leserinnen und Leser mit eigenen Gedanken füllen können (und müssen). Genau das haben Sie gemacht. Sie haben also alles richtig gemacht, und selbstverständlich liegen Sie mit Ihrer Interpretation nicht falsch!

Aus Ihrer Frage glaube ich aber herauszulesen, dass Sie sich eine Erklärung meiner Gedanken beim Schreiben wünschen, zumindest ein bisschen.

Weil ich dem Roman keine Interpretation hinzufügen will, versuche ich es, ganz behutsam, indem ich zwei Stellen aus dem Buch zitiere:

„Manchmal hatte er es nicht ausgehalten, die Dinge wieder zurückzulegen. Was er zurücklegte, würde früher oder später zerhackt oder zermahlen werden und im Harz enden. Eine Brosche mit roten Steinen, eine Feder, einen Brautschleier, ein Vogelei, manche Sachen hatte er gestohlen und versteckt. Er hatte gewusst, dass das falsch war und gegen die Kunst, er hatte sich geschämt dafür, aber er hatte nicht anders gekonnt.“ (Seite 24)

„Später zeichnete er isolierte Gegenstände, die ihm gefielen und die er festhalten wollte. Was er da machte, war eher ein Dingesammeln als Kunst, wenn er ehrlich war (…) irgendwann kam er auf die Idee, eine Vakuummaschine zu benutzen, um Gegenstände seiner Sammlung isoliert zu verpacken. Ihm gefielen die Formen, die dabei entstanden: Die Dinge waren versteckt und von ihrer Umgebung getrennt, aber trotzdem durch ihren Umriss sichtbar.“ (Seite 50-51)
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Hallo liebe Anne Reinecke,

auch ich gehöre zu den begeisterten Leserinnen Ihres Romans. Vielen Dank, dass Sie sich hier die Zeit nehmen, um Fragen zu beantworten.

Wie einigen anderen auch hat mir vieles an Ihrem Debüt gefallen, so z.B. die titelgebenden Farbbezeichnungen, deren Entsprechung im darauffolgenden Text zu finden war, was mir ein großes Vergnügen bereitet hat. Viele der Fragen, die ich hätte stellen wollen, wurden hier schon beantwortet, deshalb nur noch einige weitere:

Wie lange haben Sie an dem Roman geschrieben?

Hatten Sie eine feste Idee im Kopf von den Figuren, der Handlung, dem Verlauf? Oder hat sich da was während des Schreibens entwickelt? Wurden Sie womöglich von Ihrer eigenen Geschichte überrascht?

Haben Sie jemals daran gezweifelt, den Roman zu einem Ende zu bringen?

Der Ort 'Leinsee' ist wohl ein fiktiver. Weshalb spielt die Erzählung gerade da? Gibt es ein 'reales' Vorbilld für die Örtlichkeit?

Und nicht zuletzt: Gibt es Pläne für einen weiteren Roman? Und darf man, falls ja, schon ein wenig darüber erfahren?

So, ich will ja nicht zu neugierig erscheinen, deshalb will ich es erst einmal dabei belassen. In jedem Fall bin ich sehr gespannt auf Ihre Antworten! :)

Herzliche Grüße,
Anne
 
26. März 2018
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Danke schön!

Hier meine Antworten:

Wie lange haben Sie an dem Roman geschrieben?

Etwa fünf Jahre lang habe ich immer mal wieder an dem Roman gearbeitet, plus Feinschliff am Ende. Das klingt sehr lang, aber wenn Sie eine völlig unbekannte Autorin sind und Ihren ersten Roman schreiben, dann vergeht viel mehr Zeit mit Zeitfressern wie Brotjobs, Zweifeln und so weiter als mit Schreiben. Zumindest war das bei mir so.

...

Hatten Sie eine feste Idee im Kopf von den Figuren, der Handlung, dem Verlauf? Oder hat sich da was während des Schreibens entwickelt? Wurden Sie womöglich von Ihrer eigenen Geschichte überrascht?

Ich hatte Karl und Tanja von Anfang an sehr klar vor Augen, außerdem einige Szenen wie den Anfang, die Teeparty im Garten, die Stelle mit dem Bikini und das Ende. Der Rest hat sich beim Schreiben in dieses Gerüst gewebt. Überrascht war ich davon, dass ich meinen Figuren gegenüber viel behutsamer und dezenter war, als ich es am Anfang vorhatte. Das liegt daran, dass ich sie liebgewonnen habe.

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Haben Sie jemals daran gezweifelt, den Roman zu einem Ende zu bringen?

Ja. Aber vergleichsweise selten.

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Der Ort 'Leinsee' ist wohl ein fiktiver. Weshalb spielt die Erzählung gerade da?

Ich wollte keinen echten Ort beschreiben, wo man dann hinfahren kann und nachschauen, wie es dort aussieht, was da für Leute herumlaufen und so weiter. Ich wollte mir lieber alles frei ausdenken dürfen. Landschaftlich ist es vielleicht ein bisschen inspiriert von der Gegend rund um Heidelberg, wo ich aufgewachsen bin, mit einem See, der aus dem Umland der Stadt importiert ist, in der ich lebe - Berlin.

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Und nicht zuletzt: Gibt es Pläne für einen weiteren Roman? Und darf man, falls ja, schon ein wenig darüber erfahren?

Ja. Aber bis jetzt steht nur der erste Satz, der Rest setzt sich aus Ideen in meinem Kopf zusammen, über die ich noch nicht so gut reden kann und will. - In diesem Sinne: Geduld! Ich arbeite langsam, meistens sieht es auch nicht aus wie Arbeit, aber ich arbeite …