9. Leseabschnitt: Kapitel 9 (Seite 277 bis Ende)

petraellen

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11. Oktober 2020
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S. 306 ist die Schlüsselstelle des Romans: „ …dass das Ende der Welt immer ein lokales Ereignis ist“. Während wir hier satt und zufrieden unser Leben führen können, geht täglich für viele andere ihre vertraute Welt zu Ende. Und der Prophet erzählt von diesem Weltuntergang, zur Mahnung und zur Warnung für alle anderen.
Der Roman endet am Meer, dort, wo aktuell so viele aufbrechen in eine bessere Zukunft. Doch nicht alle kommen an.
Ja, der Vergleich zwischen dem „satten und zufriedenen“ Leben einiger und dem täglichen Untergang der Welt für viele andere Menschen verdeutlicht die Ungleichheit und die unterschiedlichen Lebensrealitäten. Während in privilegierten Teilen der Welt ein normales Leben weitergeht, müssen viele Menschen an anderen Orten extreme Not und Leid ertragen, sei es durch Krieg, Naturkatastrophen, Armut oder andere existenzielle Bedrohungen. Das bringt uns der Roman sehr nahe. Und das Meer ist manchmal unüberwindbar.
 

ElliP

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18. Juni 2023
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Auch der Titel wird nochmals erläutert - der Weltuntergang ist ein lokales Ereignis, der Prophezeiung des Propheten gilt immer nur für einen kleinen Teil der Welt - für andere ist es eine Warnung. Das soll wohl auch dieser Roman sein.
wir wissen es alle, und trotzdem wird es hier noch mal total auf den Punkt gebracht, für den einen Nachrichten, Fernsehen, für den anderen schreckliche Realität. Diesen Fokus auf das Nebeneinander finde ich sehr gut und intensiv, es ist selbstverständlich, aber wir machen uns das in der Regel nicht klar.
Der Schluss ist dann offen, aber wie gesagt, so weit ist es nicht zum Festland. Und sie werden es schon schaffen. Wie gut, dass sie begüterte Verwandte haben, der Neuanfang wird ihnen trotzdem einiges abverlangen.
Da bin ich ganz dankbar, dass der letzte Abschnitt dann doch etwas versöhnlicher und mit einem Hoffnungsschimmer endet.
Sie haben es soweit geschafft, an jedem Soldaten, an jeder Kontrolle vorbei, zu Fuß, mit dem Bus, mit dem Auto, im Container etc. was für eine furchtbare Odyssee. Wie schon gesagt, enden die letzten Worte positiv, Licht und Leben werden genannt, und wir hoffen auf eine Zukunft.
Ein Buch, das bei mir sicherlich noch lange nachhallen wird.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Es wird zumindest sehr ausführlich erklärt, indem der Autor die Worte einer anderen Frau in den Mund legt - so können wir und auch Eilish ihr Handeln im Nachgang "verstehen".

Ja, es gibt Parallelen zwischen Mona und Eilish. Dennoch ist die Rechtfertigung ein bisschen schwach. Wer hat keine Verpflichtungen? Wer gibt sein Zuhause leichtfertig auf? Es ist menschlich, nicht sofort alles zurücklassen zu wollen, sondern bleiben zu wollen. Es war allerdings ein Fehler, die Ausreise so lange aufzuschieben. Daran gibt es nichts zu deuteln. In beiden Fällen. Nun haben Menschen wie Bailey mit dem Tod für das lange Zaudern bezahlt. Die andere Frau hat schon recht damit, dass niemand in die Zukunft schauen kann. Aber man konnte schon ahnen, dass die Gefahr immer größer wird. Und: „Wir hätten nichts tun können.“ - nun ja, damit macht es sich die andere Frau zu einfach.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Da bin ich ganz dankbar, dass der letzte Abschnitt dann doch etwas versöhnlicher und mit einem Hoffnungsschimmer endet.
Ich bin auch froh, dass sie doch noch einen Ausweg finden. Ein weiteres Ausharren hätte ich nicht ertragen. Wobei der Roman zu schnell zu Ende gewesen wäre, hätte Eilish viel früher verantwortungsvoll gegenüber ihren Kindern gehandelt. :rofl

Dass der Verbleib von Larry und Mark unklar bleibt, halte ich für ebenso realistisch wie den Rest des letzten Kapitels.
 

Nosimi

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27. März 2024
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Ich muss sagen, das hat mich durchaus erreicht. Lynch zeigt uns in diesem Roman das Verhalten eines Durchschnittsmenschen. Es gehört etwas dazu, alle Zelte abzubrechen, alle Bindungen zu kappen. Aber passt das zu der entworfenen Figur?
Für mich schon. Eilish hat so lange daran gearbeitet, ihren Vater zu versorgen, um ihren Mann zu kämpfen und ihren ältesten in Sicherheit zu bringen, gleichzeitig zu arbeiten und die Kinder zu versorgen, sich an allen Ecken und Enden aufgerieben. Erst mit der Evakuierung ihres Vaters, der Zerstörung ihres Zuhauses und Baileys Tod war sie in der Lage zu erkennen,.dass jetzt nur noch das nackte Überleben für sie und ihre beiden übrigen Kinder bleibt. Für mich paßt es zu ihrer Figur.
Das „Ende der Welt ist immer ein lokales Ereignis“, S. 306
Es findet in einzelnen Ländern statt, mehr oder weniger von der Welt beachtet.
Da ist soviel wahres dran und erleben wir täglich. In all den Krisen- und Kriegsherden der Welt. Und immer fragen sich die,.die sort leben, warum nicht von außen geholfen wird. Uns würde es hier auch nicht anders gehen, sollte es bei uns zu solch einem Ereignis kommen.
Die Aneinanderreihung von Entscheidungen und Reaktionen haben Eilish und ihre Familie an den Rand des Erträglichen gebracht. Sie werden für ihr Leben gezeichnet bleiben.
Ja das Trauma nimmt man mit. Da ist soviel Reilienz nötig, um einigermaßen "normal" weiterleben zu können.
Bei all der Grausamkeit, besonders was Bailey betrifft, hätte ich mir auch hier die brutale Realität eher vorgestellt
Ich hatte es auch befürchtet und mich innerlich schon auf einen sexuellen Übergriff auf Molly oder Eilish vorbereitet. Ich war so erleichtert, dass es nicht passiert ist und beeindruckt wie schnell Eilish reagiert hat.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Molly weder in den Container will noch aufs Boot - schließlich ist das alles ziemlich ungewiss - und Molly zeichnet sich durch Überlebenswillen aus.
Ja das hätte mir auch große Angst gemacht. Man weiß ja auch nicht, ob nicht das gerade die Todesfalle ist, in die man rennt.
Und er wird vielleicht später erst mal nicht wissen, was ihn geprägt hat.
Solch eine Traumaerfahrung ist nur schwer abzulegen. Manchmal wird es daa ganze Leben bestimmen.
Larry verschwindet so langsam aus Eilishs Gedächtnis, sie führt keine Gespräche mehr mit ihm, er ist zu einem Schatten geworden.
Daa ist mir auch aufgefallen.
Wie soll ich Eilishs Reaktion darauf verstehen? Hat sie ihr eigenes Leid abstumpfen lassen gegen das der anderen? Eltern stellen doch keine Rechnung auf. Auch wenn sie mit einem kleinen Kind nur wenig Zeit verbracht haben, ist es ein großer Verlust, wenn es stirbt.
Ich glaube nicht, dass es sie hat abstumpfen lassen. Sie hat nur soviel selbst verloren, dass sie so irreale Gedanken hat. Ihr Verlust ist so immens, Zeit blieb ihr nicht für Trauer, auf gar keiner Ebene, dass sie auf solche Gedanken kommt.
Der Roman endet am Meer, dort, wo aktuell so viele aufbrechen in eine bessere Zukunft. Doch nicht alle kommen an.
Ich befürchte es auch. Den Atlantik nachts mit dem Schlauchboot zu befahren ist ein extrem gefährliches Unterfangen.
 

Nosimi

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27. März 2024
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Ein aufregendes letztes Kapitel. Eilish hat sich zur Flucht durchgerungen, nachdem ihr zu Hause bombardiert wurde und ihr Sohn gefoltert und getötet wurde. Wie betäubt, ohne Zeit zu trauern macht sie sich mit Molly und Ben auf den Weg. Mit Hilfe des Geldes ihrer Schwester geht es mit Bus, LKW und Auto von zu bestechenden Grenzern, Schleusern und anderen, die sich an den Flüchtlingen bereichern wollen. Sie werden ausgebeutet, bedroht und zusammemgepfercht. Man bekommt einen Eindruck davon was Menschen auf der Flucht durchmachen müssen. Sie schützt ihre Tochter vor den Begehrlichkeiten eines, ja Beamten? Und reagiert schnell und nachhaltig, indem sie sich und Molly die Haare schneidet. Ich hatte beim Lesen ein anhaltendes Gefühl von Angst, Bedrohung und Stress. In jedem Gefährt und in jeder Unterkunft habe ich mit Eilish und ihren Kindern gebangt. Und ob das Meer, es ist ja immerhin der Atlantik, die Rettung ist, davon bin ich auch nicht überzeugt. Aber bleiben ist keine Option und so muss es weitergehen. In eine völlig ungewisse Zukunft.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Der Schluss ist dann offen, aber wie gesagt, so weit ist es nicht zum Festland. Und sie werden es schon schaffen.
Davon ist auszugehen, zumindest da gibt es dann ein wenig Hoffnung
Da fällt mir 'Solito' ein, das sich dagegen wie ein Spaziergang liest.
Stimmt, die Flucht hier am Ende hat vieles davon. Wahrscheinlich ist das Konzept, wie so was abläuft, immer gleich. Aber bei Solito viel mir das lesen wesentlich leichter
Aber vielleicht spricht seine Mutter Eilish ja auch darüber. Wer weiß? :think
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wenn man da an andere denkt, ist es ja oft ein Thema in der Familie, viele schreiben Bücher darüber, wenn man mal an den Holocaust denkt. Eilish hat ja auch noch Molly, und auch ihre Schwester hat ja Erlebnisse in diesem schrecklichen Zusammenhang. Ich denke schon, dass da mal Gespräche stattfinden. Wäre für Ben sicher gut, so weiß man direkt wo man ansetzen kann, wenn es etwas aufzuarbeiten geben sollte bei ihm
Auch wenn sie mit einem kleinen Kind nur wenig Zeit verbracht haben, ist es ein großer Verlust, wenn es stirbt.
Da hast du recht, verstehe die Denkweise aber. Wir haben unseren ältesten Sohn mit knapp 22 Jahren bei einem Unfall verloren, und wenn ich andere Situationen mitbekomme, wo wesentlich ältere Menschen verunfallen, kam mir auch schon der Gedanke, dass es schön gewesen wäre, wenn unserem Sohn diese zusätzliche Zeit vergönnt gewesen wäre. Man steuert diese Gedanken nicht, sie sind plötzlich da. Ich glaube bei Eilish ist es vergleichbar.
Sehe ich das richtig, dass Gery, einer der Fluchthelfer war? Wer war das nochmal und warum hat Eilish ihn nicht erkannt?
Du meinst den Mann von Carole, der Bekannten, die immer viel gebacken hat. Aber ich glaube, dass war nur eine Namensgleichheit, oder? Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie sich kannten, er war einfach nur nett zu ihnen. Wenn ich da was überlesen habe, tut es mir leid
Wir hätten nichts tun können.“ - nun ja, damit macht es sich die andere Frau zu einfach.
Ich sehe das ein wenig wie Selbstschutz, wahrscheinlich muss man sich das einreden, um noch weitermachen zu können
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das Ende ist zwar offen, aber sehr realistisch, wie ich finde. Es ist zwar schade, dass man über die langfristige Entwicklung des Landes nichts mehr erfährt, aber darum ging es ja im Grunde von Anfang an nicht. Eilish musste viele Verluste ertragen, um die Dringlichkeit einer Flucht zu begreifen. Von außen betrachtet, oft unvorstellbar, wenn man sich in so einer Situation befindet, mag es anders aussehen.
Molly musste schnell erwachsen werden, und wenn ich da an ihren Zusammenbruch denke, hat sie diese Flucht, bis auf ihr Unwillen ins Boot zu steigen, super gemeistert. Eilish war und ist für ihre Kinder da gewesen, ich hoffe, dass wird die kleine Familie in Zukunft zusammenhalten.
Die Situationen in den Bussen, in dem Lager, sehr nachvollziehbar. Und Eilish erkennt sicher, das sie nicht die einzige ist, die Federn gelassen hat und Familie verloren hat. Das macht ihren Verlust nicht wett, versteht mich nicht falsch.
 
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Reaktionen: Emswashed und RuLeka

RuLeka

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30. Januar 2018
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Man steuert diese Gedanken nicht, sie sind plötzlich da. Ich glaube bei Eilish ist es vergleichbar.
Du hast recht. Auch hier zeigt der Autor viel Einfühlungsvermögen, indem er bei ihr solche Gedanken zulässt. Ohne eine solche Erfahrung versteht man ihre Gedanken nicht. Das hast Du mir mit Deinem schmerzlichen Hintergrund gezeigt.
Eilish war und ist für ihre Kinder da gewesen, ich hoffe, dass wird die kleine Familie in Zukunft zusammenhalten.
Das ist war . Alles, was sie getan hat, hat sie im Bewusstsein ihrer großen Verantwortung den Kindern und ihrem Vater gegenüber getan.
Das macht ihren Verlust nicht wett, versteht mich nicht falsch.
Das nicht. Aber die gemeinsame Trauer mag ein Trost sein.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
nd wenn ich andere Situationen mitbekomme, wo wesentlich ältere Menschen verunfallen, kam mir auch schon der Gedanke, dass es schön gewesen wäre, wenn unserem Sohn diese zusätzliche Zeit vergönnt gewesen wäre. Man steuert diese Gedanken nicht, sie sind plötzlich da. Ich glaube bei Eilish ist es vergleichbar.
Wenn alle unsere tiefen Gedanken auf unserer Stirne ständen - hätten wir keine Freunde mehr! Mein Beileid übrigens! Es ist nie mehr wie vorher.
Das ist das Verdienst des Liedes, dass es nichts beschönigt. Auch die Helden sind Beschädigte.