8. Teil bis Ende: Städte + Wasser + Übeltäter + Bögen + Geschichten + Überlebende + Brücken + Feuer

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.857
7.739
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Stimmt, genau das habe ich bei der Einteilung auch gedacht. Aber ich habe die Einteilung von Zusak übernommen. Keine Ahnung, was ihn da geritten hat.:D
Vielleicht erschließt es sich uns während der Lektüre... Könnte natürlich auch eine Idee des Verlags gewesen sein. Schauen wir mal. Ich freue mich jedenfalls schon! :)
 
  • Like
Reaktionen: Renie

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Im letzten Kapitel wird das Sterben von Penelope doch noch ausgiebig beschrieben. Das ist auch die richtige Stelle, in der Mitte des Buches hätte es nicht so reingepasst, da hieß es nur, dass die Ärzte ihr noch 6 Monate gaben. Jetzt wissen wir, dass sie noch viel länger lebte...was für eine Qual für sie und die Familie.
Wie die Familie auf den Tod wartet, wie sie ständig mit dem Sterben der Mutter rechnet, das fand ich sehr gut beschrieben.

Zu der eigentlichen Sterbeszene habe ich eine Frage: Der Vater sagt: ich kann es nicht? Was meint er damit? Seine Frau beim Sterben in den Armen zu halten...oder wollte er mit dem laufenden Motor nachhelfen? Nein ich glaube nicht.
Dann geht Clay unter die Wäschespinne...warum? Dort stirbt seine Mutter in seinen Armen. Das wünsche ich keinem 13 - jährigen!
Sein Vater hätte das nicht zulassen dürfen.

Jedenfalls wissen wir warum die Wäscheklammer so ein wichtiges Symbol für Clay ist: das war es was seine Mutter als letztes gesehen hat.
Ich finde diese Symbolik ein bisschen ungeschickt gewählt. Eine Wäscheklammer????

Nach der Sterbeszene kommt auf der späteren Zeitebene das Wasser um die Standfestigkeit der Brücke zu testen. Auch das fand ich in der Reihenfolgt gut angelegt. Das Wunder ist also nicht, wie in der Bibel, dass Jesus über Wasser geht, sondern ein Maulesel.
Mir fällt es ein bisschen schwer, mich mit der Symbolik (Maulesel mit dem Name Achilles) anzufreunden. Es ist tragisch und lustig zugleich? Vielleicht soll das erreicht werden.

Die Brücke hält und erfüllt ihren Zweck: Die vier Brüder, die den Vater abgelehnt hatten, sind wieder mit dem Vater versöhnt. Jetzt hat Clay seine Aufgabe erfüllt und kann gehen.

Interessant fand ich noch das Nachwort. Zusak bedankt sich im gleichen Stil, in dem er den Roman geschrieben hat bei den Menschen, die ihm dabei geholfen haben.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Der Vater sagt: ich kann es nicht? Was meint er damit? Seine Frau beim Sterben in den Armen zu halten...oder wollte er mit dem laufenden Motor nachhelfen? Nein ich glaube nicht.
Dann geht Clay unter die Wäschespinne...warum? Dort stirbt seine Mutter in seinen Armen. Das wünsche ich keinem 13 - jährigen!
Sein Vater hätte das nicht zulassen dürfen.
Das ist auch eine für mich unverständliche Szene, zumal einige Male auf sie Bezug genommen wird. Die Mutter hatte Schwierigkeiten mit dem Loslassen und hat an einer Stelle um Hilfe gebeten (s.603). Dort habe ich mir "Sterbehilfe?" an den Rand geschrieben und in Folge auf die o.g. Szene übertragen. So richtig passt es nicht, aber der laufende Wagen und das "Ich kann es nicht", gehen schon in diese Richtung. Zumal Clay ja überraschend aus der Schule kam und "alles verdorben hatte".

Auch das Symbol der Wäscheklammer - nun gelöst von der Leine (im übertragenden Sinne "vom Leben") - lässt diese Interpretation zu. In irgendeiner Weise hat er der Mutter beim Sterben geholfen. Sei es sanft oder deutlich (ich dachte einen Augenblick sogar an Genickbruch :eek:). Auch auf S. 624 wird deutlich dass Clay etwas getan haben muss.

Diese Klammer hat für ihn weit reichende Bedeutung, er trägt sie immer in der Tasche, sicher nicht nur "weil es das Letzte war, was die Mutter sah". Sondern es könnte der Inbegriff der Mutterliebe sein, die über ihn wacht.
Das Wunder ist also nicht, wie in der Bibel, dass Jesus über Wasser geht, sondern ein Maulesel.
Das ist das eine. Zum anderen haben wir aber auch die Legende von Pond du Gard: der Esel, der als erster über die Brücke läuft, den Teufel verprellt und weiter Opfer verhindert. Zumindest wird diese Legende nicht umsonst zitiert sein (S.570).

Warum verlässt Clay seine Familie um sein Leben zu leben (Wunsch der Mutter?), um seine Ilias zu füllen, um der traurigen, verlustreichen Vergangenheit zu entfliehen?

Tragisch das alles und doch ein versöhnliches Ende weil Michael den verlorenen Sohn in Florenz findet.

Wirklich ein Buch für das wiederholte Lesen!!! Diese Bilder, Metaphern, diese unglaublich starken Sätze, die die Krankheit und den Niedergang von Penny beschreiben. Das finde ich sensationell!

Hat noch jemand im Blick, wo der Zusammenhang zur Galerie in Florenz war? Nur das biblische Bild von David mit den Sklaven? Irgendwo tauchte das schon einmal auf... (vielleicht schaltet sich auch @VerdigrisDeep noch einmal ein. Ich wäre sehr dankbar ;))
 
  • Like
Reaktionen: MRO1975

VerdigrisDeep

Mitglied
13. Februar 2019
18
56
6
58
Das ist auch eine für mich unverständliche Szene, zumal einige Male auf sie Bezug genommen wird. Die Mutter hatte Schwierigkeiten mit dem Loslassen und hat an einer Stelle um Hilfe gebeten (s.603). Dort habe ich mir "Sterbehilfe?" an den Rand geschrieben und in Folge auf die o.g. Szene übertragen. So richtig passt es nicht, aber der laufende Wagen und das "Ich kann es nicht", gehen schon in diese Richtung. Zumal Clay ja überraschend aus der Schule kam und "alles verdorben hatte".

Da bin ich. :)
Lest noch mal genau: Penelope kann nicht leben und sie kann nicht sterben. Sie leidet unglaublich. Sie bittet Michael um Hilfe. Als Clay nach Hause kommt, findet er Michael und Penny hinter dem Haus auf dem Rasen vor. In der Garage steht der Wagen mit laufendem Motor. Und Michael kann nicht tun, worum Penny ihn bittet. Da nimmt Clay seine Mutter auf die Arme und trägt sie in die Garage. Und die Wäscheleine mit den bunten Klammern vor der Sonne, in dem Garten des Hauses, in dem sie so glücklich war, ist das Letzte, was sie sieht. Da ist sie aber noch nicht tot.
Sie stirbt erst in der Garage.
Wer ist also der Mörder?
Das ist wohl auch die Erklärung für die Qual, die Clay sich während des ganzen Buchs antut, warum er leiden will, warum er Schmerzen empfinden will.
Irgendwann (ich glaube an zwei Stellen) sagt Matthew so etwas wie: "Wenn ich es nur gewusst hätte." Die Brüder ahnen ja nicht, was Clay getan hat.
Und der eigentliche Grund, warum Michael die Familie verlässt, ist, dass er so schrecklich versagt hat, dass er seinem Sohn zumuten musste, wozu er selbst nicht fähig war.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Oh mein Gott. Danke danke danke!!!

Ich wusste, dass ich etwas Zentrales übersehen habe. Du wirst lachen, ich habe diese Stelle dreimal gelesen, werde es jetzt aber ein viertes Mal tun....

So wird ein Schuh draus. So kann man Clays immerwährende Schuldgefühle verstehen!
Ich war ja nahe dran (Stichwort Genickbruch). Aber ich habe nicht mitbekommen, dass er mit Penny auf dem Arm zur Garage ging. (Sind es vielleicht auch nur Andeutungen? Manches bleibt ja ungesagt.)

Das erklärt in der Tat auch Michaels Verlassen der Familie als "Versager".

Ich werde das Ende noch ein weiteres Mal lesen. Jetzt ist es stimmig. Ein großartiges Stück Literatur.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Jaaaa!
Es steht alles da. Es wird gesagt. In wunderbaren Worten. Ich habe die falsche Stelle mehrfach gelesen. Meine Aufmerksamkeit wurde von Vater und Tochter am Klavier offensichtlich abgelenkt. Seite 604-606 @Leseglück

Dieses Buch ist ein wahres Kleinod:rolleyes:
 
  • Stimme zu
Reaktionen: VerdigrisDeep

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.895
12.591
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Zu der eigentlichen Sterbeszene habe ich eine Frage: Der Vater sagt: ich kann es nicht? Was meint er damit? Seine Frau beim Sterben in den Armen zu halten...oder wollte er mit dem laufenden Motor nachhelfen? Nein ich glaube nicht.
Dann geht Clay unter die Wäschespinne...warum? Dort stirbt seine Mutter in seinen Armen. Das wünsche ich keinem 13 - jährigen!
Sein Vater hätte das nicht zulassen dürfen.
Jetzt war ich irritiert. Zumal ich AUF ANHIEB ;) die Sterbeszene so erfasst habe, wie @VerdigrisDeep sie erklärt hat. Ich dachte, nachdem ich eure Kommentare gelesen habe @Leseglück @Literaturhexle , ich hätte zuviel interpretiert.:D Falsch gedacht.
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.895
12.591
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Hat noch jemand im Blick, wo der Zusammenhang zur Galerie in Florenz war?
Na, Michelangelo, der ja eine ungeheure Bedeutung für Clay und Michael hatte. Michelangelo stammte selbst aus Florenz. Als Sohn einer Bürgerfamilie war das Künstlerdasein für ihn keine Selbstverständlichkeit. Doch er ist seinem Traum gefolgt. Clay geht einen ähnlichen Weg. Er hat seinen Traum vom Brückenbauen und den lebt er jetzt.
Vermutlich war eine seiner Postkarten, der Hinweis, dass er sich in Florenz aufhält.
Da dieses Bild zumindest Michael sehr viel bedeutet hat (ich meine mich zumindest daran zu erinnern) und Clay vielleicht auch (?), war es nur eine Frage der Zeit, dass dieser dort auftaucht. Vielleicht ist dieses Bild für Clay auch ein Bezug zu seinem Vater und seiner Vergangenheit geworden, sodass er sich jedesmal erinnert, wenn er dieses Bild besucht.

Nennt mich Mrs. Reclam :D
 

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Ok, jetzt habe ich es auch kapiert: Als er sie zu der einsamen Note (gemeint ist das Motorengeräusch) trug in den Rauch.
Er hat seiner Mutter Sterbehilfe geleistet als 13- jähriger. Da muss ich mich wiederholen: das hätte der Vater nicht zulassen dürfen.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

VerdigrisDeep

Mitglied
13. Februar 2019
18
56
6
58
Ok, jetzt habe ich es auch kapiert: Als er sie zu der einsamen Note (gemeint ist das Motorengeräusch) trug in den Rauch.
Er hat seiner Mutter Sterbehilfe geleistet als 13- jähriger. Da muss ich mich wiederholen: das hätte der Vater nicht zulassen dürfen.
Aber das ist nun mal die Geschichte, die Zusak schreibt. Er erzählt von einem Vater, der schwere Schuld auf sich lädt, und von einem Sohn, der glaubt, an allem schuld zu sein. Von unvollkommenen Menschen eben.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Jetzt war ich irritiert. Zumal ich AUF ANHIEB ;) die Sterbeszene so erfasst habe, wie @VerdigrisDeep sie erklärt hat. Ich dachte, nachdem ich eure Kommentare gelesen habe @Leseglück @Literaturhexle , ich hätte zuviel interpretiert.:D Falsch gedacht.
Du bist ein Genie :)
Gern nenne ich dich Mrs Reclam :)
In meinem Fall kommt das davon, wenn im selben Raum, in dem ich lesen muss, der Fußballsprecher dröhnt... Später habe ich mir Knöpfe in die Ohren gesteckt. Zu spät, wie man sieht.

Na, Michelangelo, der ja eine ungeheure Bedeutung für Clay und Michael hatte. Michelangelo stammte selbst aus Florenz.
Ja. Stimmt. Jetzt habe ich den Bezug wieder. Ein Fall von selektiver Wahrnehmung. Während ich alles, was mit Musik zu tun hat, wunderbar abspeichern kann, fehlt mir bis jetzt jegliches Interesse für Kunst :confused:
Da muss ich mich wiederholen: das hätte der Vater nicht zulassen dürfen
Das weiß er selbst ja auch. Deshalb muss er gehen.
Es tröstet mich wirklich, dass du, liebe @Leseglück, es auch nicht gleich erfasst hast. Es sind auch nur wenige Zeilen. Das Buch braucht eben viel Aufmerksamkeit.
 
  • Like
Reaktionen: Renie und Leseglück

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Aber das ist nun mal die Geschichte, die Zusak schreibt. Er erzählt von einem Vater, der schwere Schuld auf sich lädt, und von einem Sohn, der glaubt, an allem schuld zu sein. Von unvollkommenen Menschen eben.
Da fällt mir der Spruch einer Literaturkursleiterin ein: "Große Literatur handelt oft von beschädigten Menschen".
Mit Sicherheit sind auch unvollkommene, schuldig gewordene Menschen damit gemeint. Es stimmt ja auch. Diese heiter-glücklich blumigen Liebesschmonzetten haben keinen annähernden Reiz.
 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Im letzten Kapitel wird das Sterben von Penelope doch noch ausgiebig beschrieben. Das ist auch die richtige Stelle, in der Mitte des Buches hätte es nicht so reingepasst, da hieß es nur, dass die Ärzte ihr noch 6 Monate gaben. Jetzt wissen wir, dass sie noch viel länger lebte...was für eine Qual für sie und die Familie.
Wie die Familie auf den Tod wartet, wie sie ständig mit dem Sterben der Mutter rechnet, das fand ich sehr gut beschrieben.

Ist das nicht die schlimmste Art des Sterbens? War es Fluch oder Segen, dass sie länger lebte...

Nach der Sterbeszene kommt auf der späteren Zeitebene das Wasser um die Standfestigkeit der Brücke zu testen. Auch das fand ich in der Reihenfolgt gut angelegt. Das Wunder ist also nicht, wie in der Bibel, dass Jesus über Wasser geht, sondern ein Maulesel. Mir fällt es ein bisschen schwer, mich mit der Symbolik (Maulesel mit dem Name Achilles) anzufreunden. Es ist tragisch und lustig zugleich? Vielleicht soll das erreicht werden.

Eine gute Frage. Vielleicht dürfen wir das auch nicht überinterpretieren? Aber es hat mich gewundert, ich hätte erwartet, dass es Clay ist, der die Brücke testet.

Die Brücke hält und erfüllt ihren Zweck: Die vier Brüder, die den Vater abgelehnt hatten, sind wieder mit dem Vater versöhnt. Jetzt hat Clay seine Aufgabe erfüllt und kann gehen.

Ich bin froh, dass das Buch mit diesem versöhnlichen Ausgang endet. Es ist so viel Tragisches passiert, es war Zeit, dass daraus etwas Gutes erwächst.
 
  • Like
Reaktionen: Leseglück

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Diese Klammer hat für ihn weit reichende Bedeutung, er trägt sie immer in der Tasche, sicher nicht nur "weil es das Letzte war, was die Mutter sah". Sondern es könnte der Inbegriff der Mutterliebe sein, die über ihn wacht.

Ich glaube, für ihn ist sie auch eine Erinnerung an seine "Schuld" – es klang ja ein paar Mal an, dass Clay in seinen eigenen Augen etwas Unverzeihliches getan hat, und das ist wohl, dass er seine Mutter getötet hat, um sie von ihrem Leiden zu erlösen.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Leseglück

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Ist das nicht die schlimmste Art des Sterbens? War es Fluch oder Segen, dass sie länger lebte...
Absolut! Aber das sagt Matthew, unser Erzähler, an einer Stelle auch selbst. Als die Mutter die 6 Monate prophezeit bekommen hat, kommentiert er selbst in die Richtung, ob diese 6 Monate nicht besser und leichter (für alle) gewesen wären.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.450
49.904
49
Ich glaube, für ihn ist sie auch eine Erinnerung an seine "Schuld" – es klang ja ein paar Mal an, dass Clay in seinen eigenen Augen etwas Unverzeihliches getan hat, und das ist wohl, dass er seine Mutter getötet hat, um sie von ihrem Leiden zu erlösen.
Absolut.
Als ich meinen Beitrag schrieb, hatte ich die allerwichtigste Stelle zum Tod von Penny überlesen.
Das erklärt auch die Tragik, die der Erwähnung der Klammer immer irgendwie anhaftet: Clay will ständig an seine Schuld erinnert werden. Schlimm für einen jungen Menschen!