8. Leseabschnitt: 2. Buch / Kapitel 4 (S. 399 bis S. 474)

Xirxe

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Ich empfand diesen Abschnitt als, nun ja, ziemlich gnadenlos, hauptsächlich durch die Darstellung von Idas Meinung. Es wird immer deutlicher, wie sehr sie die Weißen hasst, denen sie die Schuld gibt an Rufus' Tod. Und widerwillig muss sie sich eingestehen, dass ihr Vivaldo näher gekommen ist als ihr lieb ist - ein Weißer! Ob es ihr gelingt, diesen Pauschalhass zu besiegen? Vivaldo als Mensch zu akzeptieren?
Für Richard und Cass scheint Alles zu spät - ob Cass Richard überhaupt noch respektieren kann nach diesem gewalttätigen Streit? Offenbar scheinen alle männlichen Wesen unfähig zu sein, ihre Aggressionen im Griff zu haben. Bei Allen schlägt es in Gewalttätigkeiten um - obwohl ich mir bei Vivaldo da gerade nicht mehr sicher bin. Ida hat er doch nicht geschlagen, wenn ich mich richtig erinnere. Und Jane?
Eric ist wirklich der Einzige, der mit sich im Reinen ist. Ein Lichtblick inmitten all dieser verletzten Seelen.
 

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Für mich ist dieser Teil der intensivste, sprachlich und vor allem menschlich, denn jetzt zeigens ich alle Brüche, aber auch der Hunger nach Liebe, Sex, Verständnis - in jedem dieser Menschen sehe ich auch ein Stück von Rufus, doch während bei Rufus alle Konflikte in einer Person zusammengefasst waren, schwer greifbar, sind sie nun auf mehrere Personen verteilt: Ida, Vivaldo, Eric, Cass, Richard. Sehr packend und intensiv zu lesen.
 
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Renie

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Für mich ist dieser Teil der intensivste, sprachlich und vor allem menschlich,
Genau, denn hier wird miteinander gesprochen. Jeder spricht mit jedem.
Menschlich hängen mich die einzelnen Charaktere jedoch gerade ab. Ich lese immer nur "Kummer, Schmerz, Verzweiflung, Wut, Hass" und ich weiß nicht, was sonst noch alles. Aber ich lese nicht heraus, worin der Kummer etc. begründet liegt. Jeder scheint unter einer Identitätskrise zu leiden. Nur woher diese einzelnen Identitätskrisen kommen, verschwimmt. Das Thema "Hautfarbe" ist für mich schon lange in den Hintergrund gerückt. Die sexuelle Orientierung spielt auch keine große Rolle mehr, da ja mittlerweile jeder mit jedem zugange ist.
Ist denn keiner der Charaktere in der Lage, das Leben zu akzeptieren, wie es ist bzw. nicht auf ewig in Depressionen zu versinken, wenn das Leben nicht gut läuft. Ich verstehe es nicht. Baldwins New York scheint nur aus Verzweifelten zu bestehen, die dem Leben nichts abgewinnen können.
 

Xirxe

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Baldwins New York scheint nur aus Verzweifelten zu bestehen, die dem Leben nichts abgewinnen können.
Meinst Du nicht, es liegt am mangelnden Selbstbewusstsein? Wie willst Du dem Leben etwas abgewinnen können, wenn Du Dich selbst verachtest? Oder wenn Hass der bestimmende Faktor in Deinem Leben ist. An Selbstbewusstsein fehlt es fast Allen und nur Eric erkennt offenbar, wie sehr er sich damit selbst im Wege steht.
Wenn er sich selbst nicht liebte, würde auch Yves ihn nie lieben können. Seite 273
 
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New York scheint nur aus Verzweifelten zu bestehen, die dem Leben nichts abgewinnen können.
Ich sehe es so, dass sie nur schwer damit umgehen können, was aus ihnen geworden ist, aus ihren Träumen, was sie jetzt gerade sind in ihrem Leben und dass sie neue Wege suchen - ob sie dann auch wirklich etwas Verändern, lässt Baldwin ja offen, nur Eric und Yves, das liest sich für mich positiv, auch wenn Eric selbst realistisch genug ist zu fragen, wie lange. Um die Hautfarbe, geht es in diesen Beziehungen längst nicht mehr, das sehe ich auch so, nur natürlich bei Ida. Cass sagt gegen Ende von Kapitel 3, Buch 1 zu Ingram und Vivaldo: Was für ein großer Unterschied ist es, von etwas zu träumen und damit wirklich umzugehen" (im deutschen Buch ist dieser Ausspruch sicher viel schöner übersetzt) Das scheint mir bei allen Figuren ein wichtiges Thema zu sein.
 

Renie

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Meinst Du nicht, es liegt am mangelnden Selbstbewusstsein? Wie willst Du dem Leben etwas abgewinnen können, wenn Du Dich selbst verachtest? Oder wenn Hass der bestimmende Faktor in Deinem Leben ist. An Selbstbewusstsein fehlt es fast Allen und nur Eric erkennt offenbar, wie sehr er sich damit selbst im Wege steht.
Natürlich, da bin ich bei dir. Von Selbstbewusstsein sind wir hier weit entfernt. Dennoch wundert mich, dass in dem Freundes-/Bekanntenkreis nur Personen sind, die mit ihrem Leben hadern und zwar auf eine Weise, die man nicht mehr als unzufrieden beschreiben kann, sondern als verzweifelt.
Die Charaktere dieses Freundes- bzw. Bekanntenkreises scheinen sich gesucht und gefunden zu haben: Der Club der Verzweifelten.
 

kingofmusic

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Puh, was für ein intensives Kapitel. Ich fand alle Gespräche (am meisten jedoch Vivaldo/Eric) sehr tiefgründig und fast schon philosophisch.

"Es ist sehr schwer, damit zu leben", sagte Eric. "Ich meine, mit dem Gefühl, dass man nie das ist, was man zu sein scheint - nie -, und andererseits ist das, was man zu sein scheint, in gewisser Weise wahrscheinlich fast genau das, was man ist." (S. 420)
"Ich finde, man muss sich zu dem Leben bekennen, das man hat, sonst kann man unmöglich das Leben erreichen, das man will." (S. 423/424)

Berührend fand ich auch die Stelle, als Vivaldo sich "indirekt" die Schuld am Tod von Rufus gibt bzw. er sich fragt, ob er ihn nicht hätte verhindern können. Ein sehr emotionaler Abschnitt.
 

Sassenach123

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Ida wird mir immer unsympathischer. Ihr Hass ist teilweise nachvollziehbar, dennoch sollte sie differenzieren, den Menschen wie Cass zum Beispiel, Schäden ihr doch wirklich nicht. Ich denke sie hat ihr bewusst verschwiegen was mit Ellis läuft, um ihr diesen Vorteil gar nicht erst an die Hand zu geben und nicht weil sie Angsthat, Cass könne es Vivaldo erzählen.
Der Streit zwischen Cass und Richard war vorprogrammiert, dass er gewältig wird, hätte ich nicht vermutet. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Cass hinterher noch bereit ist ihm eine Chance zu geben. Makaber, dass sie durch diese Beichte dachte, die Ehe könne gerettet werden, mit dem Resultat, dass ihr Mann ihr Gesicht förmlich zu Brei schlägt, wir reden hier ja nicht von einer leichten Ohrfeige.
Vivaldo tut mir leid, der Gedanke, der seine Eifersucht befeuert hat, ist nun Realität geworden. Ob er es erfahren wird? Ist Ida genauso ehrlich wie Cass?
 

Sassenach123

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War Baldwin nicht selbst verzweifelt? Wie hätte er da ein "Friede, Freude, Eierkuchen"-New York beschreiben können?
Stimmt, ich kenne auch keinen Roman von ihm, der locker und leicht daher kommt. Trotzdem gefallen sie mir sehr gut, wobei ich dies hier nicht als das Beste einstufen würde. Vielleicht liegt es an der Länge? Die anderen sind doch einiges kürzer, vielleicht erdrückt einen die Stimung dann nicht so sehr
 

ulrikerabe

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Metafrage zu S. 444: in welcher Phase einer Beziehung wird eigentlich aus einem Pärchen ein Paar?

S. 245 Ich habe es ehrlich probiert zu lächeln und dabei meine Unterlippe über mein Kinn fallen oder stürzen zu lassen. Ich bin, jetzt weiß ich es mit Sicherheit, kein Revuegirl.

S. 468: Bewunderung vs Liebe

Wenn eine Frau alles gibt was sie hat, und das ist dann das Breitmachen der Beine, wird die Frau wieder einmal nur auf ihre sexuelle Verfügbarkeit reduziert.
Was bin ich froh, wenn ich mit dem Buch durch bin.
 
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Literaturhexle

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Für mich ist dieser Teil der intensivste, sprachlich und vor allem menschlich, denn jetzt zeigens ich alle Brüche,
Ja. Es ist unglaublich, wie intensiv Baldwin hier seine Geschichte steigert. Es kommt alles nochmal sehr deutlich auf den Tisch.
Ida hat ihre Fassade verloren. Sie hat uns bislang zwar nichts vorgemacht, aber ein bisschen habe ich ihr die Opferrolle trotz ihrer Stärke abgenommen. Ida will nach oben, ihren Traum leben. Dafür geht sie auch mit dem unattraktiven Ellis ins Bett, gönnt sich aber vorher den Spaß, ihn auf der Tanzfläche lächerlich zu machen.
Baldwins New York scheint nur aus Verzweifelten zu bestehen, die dem Leben nichts abgewinnen können.
Das hat mich bis jetzt auch ziemlich angenervt: Befindlichkeiten, und zwar negative, allerorten. Allerdings wird hier vieles klarer für mich. Die Gespräche wirken offen, bringen einiges an Licht ins Dunkel. Insofern hat mich dieser Abschnitt ziemlich gefesselt.
Die Charaktere dieses Freundes- bzw. Bekanntenkreises scheinen sich gesucht und gefunden zu haben: Der Club der Verzweifelten.
Das scheinen die Themen Baldwins zu sein. Er schreibt über Menschen am Rand. Die sind nicht fröhlich-ausgeglichen. Die hadern mit sich und der Welt. Ständige Sorge ums Geld macht mürbe, sucht nach Verantwortlichen. Dazu kommt Schwarz/Weiß sowie die Suche nach Liebe und Glück.
Es ist eine ganz andere Welt als die, in der wir (heute) leben.
Berührend fand ich auch die Stelle, als Vivaldo sich "indirekt" die Schuld am Tod von Rufus gibt
Absolut! Damit hätte ich nun gar nicht gerechnet. Eher, dass Eric etwas damit zu tun hat.
Makaber, dass sie durch diese Beichte dachte, die Ehe könne gerettet werden, mit dem Resultat, dass ihr Mann ihr Gesicht förmlich zu Brei schlägt
Wobei ich das nicht ganz glaubwürdig finde. Nach 13 Jahren kennt man seinen Gatten und seine Reaktionen. Dass sie von der Gewalt so überrascht wird... Nun ja, die Nachricht ist heftig, aber bislang war Richard immer bedacht und kontrolliert. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Vielleicht ist der Ausbruch die Chance, wieder zusammenzufinden. Denn beide haben festgestellt, dass sie den anderen noch lieben.
Wenn eine Frau alles gibt was sie hat, und das ist dann das Breitmachen der Beine, wird die Frau wieder einmal nur auf ihre sexuelle Verfügbarkeit reduziert.
Das Frauenbild stört mich auch immer wieder. Muss man einen Mann bewundern, um ihn zu lieben? Aus welchem Jahrhundert stammt das? Auch dieses Bild der Inbesitznahme durch Sex. Autsch!
 

Literaturhexle

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Interessant fand ich auch den Blick auf die Beziehung Ida/Vivaldo. Er scheint sie zu lieben. Trotzdem haben sie zahlreiche Minenfelder, die man nicht betreten darf. Das alles nur auf die Hautfarbe zu schieben, greift zu kurz. Aber das ist die dominierende Thematik, die sich immer wieder durch das Buch schlängelt.

Auf S. 406 gefällt mir Ida noch: Sie hat einen sehr realistischen Blick auf Cass´Ehebruch. Cass ist aufgrund einer gewissen Überdrüssigkeit und Langeweile fremd gegangen. Sie hat mit ihrem Mann nie darüber gesprochen.
An die Kinder hat sie nicht gedacht. Zu der Zeit wird auch in den USA das Schuldprinzip gegolten haben. Ehebrecherinnen können demnach keine Kinder erziehen...
Darauf weist sie Cass auf S. 441/443 drastisch hin:
Das Leben ist kein Zuckerschlecken. und wenn es hart auf hart kommt, werdet ihr euch umgucken. Es stehen jede Menge Schulden aus, und ich weiß genau, dass ihr keinen Penny zurückgelegt habt.
Eric scheint ein einigermaßen gesunder Charakter zu sein. Vielleicht hat ihm die Abwesenheit sogar dabei geholfen, zu sich selbst zu finden. Ein "krankes" Umfeld kann einen nämlich ganz schön in die Tiefe ziehen. Ich freue mich über seinen Filmerfolg und hoffe, dass Yves wirklich kommt!
Schön, dass er zum ersten Mal "die Kameradschaft unter Männern" mit Vivaldo erleben kann.
 

Sassenach123

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Eric scheint ein einigermaßen gesunder Charakter zu sein. Vielleicht hat ihm die Abwesenheit sogar dabei geholfen, zu sich selbst zu finden. Ein "krankes" Umfeld kann einen nämlich ganz schön in die Tiefe ziehen. Ich freue mich über seinen Filmerfolg und hoffe, dass Yves wirklich kommt!
Stimmt, er sticht, was das angeht, tatsächlich heraus. Ich frage mich nur, ob diese " Freundschaft" zwischen allen Charakteren nach den Ereignissen überhaupt noch möglich sein wird
 
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Sassenach123

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S. 245 Ich habe es ehrlich probiert zu lächeln und dabei meine Unterlippe über mein Kinn fallen oder stürzen zu lassen. Ich bin, jetzt weiß ich es mit Sicherheit, kein Revuegirl.

S. 468: Bewunderung vs Liebe

Wenn eine Frau alles gibt was sie hat, und das ist dann das Breitmachen der Beine, wird die Frau wieder einmal nur auf ihre sexuelle Verfügbarkeit reduziert.
Was bin ich froh, wenn ich mit dem Buch durch bin.
Solche Äußerungen stoßen sauer auf, find ich auch, allerdings habe ich sie immer damit abgetan, dass der Roman vor vielen Jahren verfasst wurde, als vieles tatsächlich noch anders gesehen wurde.
 
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Renie

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War Baldwin nicht selbst verzweifelt? Wie hätte er da ein "Friede, Freude, Eierkuchen"-New York beschreiben können?
Ein F-F-E-New York wäre das andere Extrem und hätte ich auch nicht erwartet. Trotzdem stört mich, dass es in diesem Roman ausschließlich Charaktere gibt, die mit ihrem ach so schrecklichen Schicksal hadern. Aber ich gebe dir Recht, Baldwin konnte wahrscheinlich nicht anders, da er selbst ein Verzweifelter war - das vermute ich zumindest, denn das bisschen, das ich von ihm weiß, legt den Eindruck nahe. Und wenn ich an die Charaktere seiner anderen Romane denke, die ja auch alle seelisch angeknackst waren, bestätigt dies meinen Eindruck.