7. Leseabschnitt: Sechstes Buch - Die Witwe und die Ehefrau (S. 707 - 843)

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.883
49
Ja. Das stimmt. Mr. Bulstrode ist eine der Figuren, die ich als hingebrochen bezeichnen würde - damit es passt. Ich glaube ihr aber nicht (der Figur).
Das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Auch im wirklichen Leben gibt es "putzige" Leute, was ein eher abgeschwächter Ausdruck ist für das, was ich wirklich von ihnen denke:mad:....

Als "normaler" Mensch kannst du deren Denke, deren Handlungsweise nicht nachvollziehen. Sie verhalten sich nicht schlüssig, entsprechen nicht ihrem eigenen Anspruch usw.
Es gibt sie noch heute. Warum darf eine Autorin solche Leute nicht abbilden, vielleicht auch ein bisschen überzeichnen? Warum sprichst du von "gebrochen". Ich finde, Brooke bleibt bei seinen Leisten. Er ist opportun, wankelmütig, ein Schwätzer und doch auch irgendwie ein fürsorglicher Onkel. Ich finde die Figur glaubwürdig.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.615
21.875
49
Brandenburg
Das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Auch im wirklichen Leben gibt es "putzige" Leute, was ein eher abgeschwächter Ausdruck ist für das, was ich wirklich von ihnen denke:mad:....

Als "normaler" Mensch kannst du deren Denke, deren Handlungsweise nicht nachvollziehen. Sie verhalten sich nicht schlüssig, entsprechen nicht ihrem eigenen Anspruch usw.
Es gibt sie noch heute. Warum darf eine Autorin solche Leute nicht abbilden, vielleicht auch ein bisschen überzeichnen? Warum sprichst du von "gebrochen". Ich finde, Brooke bleibt bei seinen Leisten. Er ist opportun, wankelmütig, ein Schwätzer und doch auch irgendwie ein fürsorglicher Onkel. Ich finde die Figur glaubwürdig.

Weil ich mich im christlichen Glauben und seinen Strömungen etwas auskenne. Es ist kompliziert. Was du oben sagst, meine ich nicht. Aber jemand, der jahrelang so eifrig die Schrift liest, den Glauben lebt und ernstlich Gott gefallen will - kann nicht umhin, sich selber immer besser und besser kennenzulernen - und Bulstrode tut dies gerade nicht. Die Autorin hat nur einen oberflächlichen Blick auf den christlichen Glauben, was auch erklärt, warum sie ihn verworfen hat.
 

nineLE

Bekanntes Mitglied
4. November 2019
1.028
1.259
49
Die Ungerechtigkeiten, die dazu geführt haben, das Will nun ein mittelloser Mann ist finde ich echt empörend.
Und die Missverständnisse, die zwischen D. und Will entstehen, weil sie nicht offen miteinander reden, sind unfassbar.
Beides ist zum Haare raufen.
Ja absolut zum Haareraufen, allerdings nicht änderbar, betrachten wir die Zeitumstände des 19.JHs, die es den beiden und allen anderen Protagonisten ja geradezu UNMÖGLICH machte, miteinander offen und ohne Anstoß in der öffentlichen Meinung zu verbreiten, reden zu können, stets war etwas ( Umstände/Tratsch/Öffentlichkeit/Ansichten) oder Jemand ( die Gemeindemitglieder/Verwandten/ Ehepartner) im Wege, der eine solche freie Konversation unmöglich machte/vereitelte...
 

nineLE

Bekanntes Mitglied
4. November 2019
1.028
1.259
49
Er ist opportun, wankelmütig, ein Schwätzer und doch auch irgendwie ein fürsorglicher Onkel. Ich finde die Figur glaubwürdig.
Das finde ich auch, er ist einer von den "Guten", die zumindest ohne kriminelle Handlungen oder schadende Intrigen im Roman auskommen, abgesehen von seinem gewaltigen Geschwafel und seiner Besserwisserei, die ich vielleicht auch einer gewissen Einfältigkeit zu schreiben möchte...
 

nineLE

Bekanntes Mitglied
4. November 2019
1.028
1.259
49
Weil ich mich im christlichen Glauben und seinen Strömungen etwas auskenne. Es ist kompliziert. Was du oben sagst, meine ich nicht. Aber jemand, der jahrelang so eifrig die Schrift liest, den Glauben lebt und ernstlich Gott gefallen will - kann nicht umhin, sich selber immer besser und besser kennenzulernen - und Bulstrode tut dies gerade nicht. Die Autorin hat nur einen oberflächlichen Blick auf den christlichen Glauben, was auch erklärt, warum sie ihn verworfen hat.
Ich bin immer echt erstaunt, woraus du das "erlesen magst", was die Autorin damit meint/selbst dazu gefühlt hat?
 

nineLE

Bekanntes Mitglied
4. November 2019
1.028
1.259
49
ACHTUNG: Post gehört inhaltlich zum 8. Leseabschnitt - Spoilergefahr!

Sympathie für Fred wird im Verlauf deutlicher. Ein zunächst selbstbezogener, unbedachter, eigensinniger und verwöhnter Hitzkopf, der aufrichtig geliebt hat und liebt und nun aufgrund von Erfahrungen auf den rechten Weg gelangt.
EInerseits ja, anderseits bleibt meine Skepsis und meine wachsame "Abneigung" oder besser kritische "ja, aber" Einstellung zu Fred wohl erhalten. Zu Recht wie sich herausstellt (?): [zitat] Und nun da Mary für eine kurze Zeit nicht da war, hatte Fred wie ein kräftiger Hund der sich seine Ketten nicht abstreifen kann, die Öse vom Hacken genommen und war ein wenig ausgerückt. [/zitat]

Er geht wieder in den "Grünen Drachen", (S. 888) den anderen (zunächst beim Wetten und Spielen zukucken... Immer ein Anfang vom Ende, also auf Dauer gesehen, wenn man sich dem absichtlich aussetzt, wird man dann nicht wieder schwach, ich bezweifle, dass nicht.
Farebother ist auch nicht so sicher, ob Fred auf dem rechten Weg bleiben mag:[zitat] Ich wollte eigentlich abwarten, wie du den falschen Weg einschlägst, die Geduld der Gaths ist erschöpft und die größte Chance deines Lebens verpasst...[/zitat] (S.894)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

nineLE

Bekanntes Mitglied
4. November 2019
1.028
1.259
49
Es war für mich so berührend, wie Mr. Garth sich für Fred und die Liebe zwischen Fred und Mary einsetzt.
„ Ich sage dir, das Seelenheil dieses jungen Mannes liegt in meiner Hand; und ich werde mein Bestes für ihn tun, so wahr mir Gott helfe! Es ist meine Pflicht, Susan.“ (S. 749)
Ich bewundere und mag Mr. Garth, den ich als tüchtigen, besonnenen, menschenfreundlichen und gerechten Mann einschätze.
Die Garths, eine wohltuende Familie in diesem Werk, die Familie als Ganzes, als Gesamtbild gefällt mir sehr gut, zeigt sie uns doch, dass es, wenn die Eltern den Kindern mit Liebe und Umsicht die Welt und dem Zusammenspiel mit dem eigenen Handeln erklären, etwas Gutes dabei herauskommen kann. Das merkt man am Umgang der Garths auch sich selbst als Ehepartner, ihren Kindern und allen anderen gegenüber. Für mich ein Fels in der Brandung in diesem Roman!
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
EInerseit ja, anderseits bleibt meine Skepsis und meine wachsame "Abneigung" oder besser kritische "ja, aber" Einstellung zu Fred wohl erhalten. Zu Recht wie sich herausstellt (?): [zitat] Und nun da Mary für eine kurze Zeit nicht da war, hatte Fred wie ein kräftiger Hund der sich seine Ketten nicht abstreifen kann, die Öse vom Hacken genommen und war ein wenig ausgerückt. [/zitat]

Er geht wieder in den "Grünen Drachen", (S. 888) den anderen (zunächst beim Wetten und Spielen zukucken... Immer ein Anfang vom Ende, also auf Dauer gesehen, wenn man sich dem absichtlich aussetzt, wird man dann nicht wieder schwach, ich bezweifle, dass nicht.
Farebother ist auch nicht so sicher, ob Fred auf dem rechten Weg bleiben mag:[zitat] Ich wollte eigentlich abwarten, wie du den falschen Weg einschlägst, die Geduld der Gaths ist erschöpft und die größte Chance deines Lebens verpasst...[/zitat] (S.894)
...hey, hey, das kann ich dich noch gar nicht wissen ;-)
 
  • Haha
Reaktionen: nineLE

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.883
49
jemand, der jahrelang so eifrig die Schrift liest, den Glauben lebt und ernstlich Gott gefallen will - kann nicht umhin, sich selber immer besser und besser kennenzulernen
Das trifft für durchgängig rechtschaffene Menschen sicherlich zu. Bulstrode ist aber ambivalent. Er gängelt andere unter dem Vorwand des Glaubens, er ist ziemlich radikal unterwegs, was ihm mancher ja auch vorhält.
Vor Jahren ist er der Versuchung erlegen, unrechtmäßig zu Geld zu kommen. Das scheint er aufrichtig zu bereuen - ändern kann er es nicht mehr. Im Gegenteil: Am langen Ende ist eine weitere, ungleich schwerere Sünde fällig.... Und tatsächlich: Er hat Angst, seinem Schöpfer einst entgegenzutreten. Insofern ist Religiosität vorhanden, auch wenn er sie nicht geschafft hat, durchgehend und mit Nächstenliebe erfüllt zu leben. Für mich glaubwürdig.
Den zahlreichen katholischen Priester, die sich nachweislich an Kindern vergangen haben, kann man doch auch ihren Glauben nicht absprechen, zumindest sicher nicht allen. Sie können Arschlöcher (Entschuldigung) und gleichzeitig gläubige Christen sein. Schön ist das nicht, letztlich scheitern sie ja. Aber es gibt es.
EInerseit ja, anderseits bleibt meine Skepsis und meine wachsame "Abneigung" oder besser kritische "ja, aber" Einstellung zu Fred wohl erhalten. Zu Recht wie sich herausstellt (?):
Ja natürlich! Im wahren Leben würde ich einem Mann, der sagt; wenn ich deine Tochter zur Frau bekomme, dann ändere ich mich.... niemals glauben. Die meisten Leute kommen nicht aus ihrer Haut raus und sobald sas Begehrte haben, fallen sie ins alte Muster....
Aber wir lesen hier einen Roman und manche Menschen haben vielleicht wirklich die Willenskraft, neue Wege zu gehen.
Durch Freds Besuch im Grünen Drachen wird ja bewiesen, dass Veränderung ein langer Prozess ist.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Habe gerade das Kapitel 54 gelesen und muss gleich etwas loswerden. Wunderschön und so unendlich traurig, wie dieses Treffen der Beiden da beschrieben wird. Dorothea, die sich wieder auf ihr eigentliches Wesen zurückbesinnt, wieder in ihr Haus zurückkehrt, weil sie wieder ihr eigener Herr sein möchte, natürlich nur so wie es damals geht. Einen Schlussstrich zum Thema Casaubon zieht und die Synoptische Tabelle versiegelt und mit einem sehr passenden Spruch versieht. Hurra! Ich habe innerlich Beifall geklatscht! Und dann dieser Besuch von Will, auf den sie ja gewartet hat und wie beide umeinander herumtanzen und die Fassung waren. Obwohl sie anscheinend beide etwas anderes wollen. Nennt mich kitschig, aber das hat mich getroffen! Wunderschön und gleichzeitig auch so unendlich traurig! :rolleyes::(:rolleyes::(
Und dann das Eintreffen von Chettam. Genau zum falschen Augenblick, oder zum richtigen. Wer weiß? Sehr interessant ist der letzte Satz in diesem Kapitel.
[zitat]Als er(James) in diesem Augenblick eintrat, war er eine Verkörperung der triftigsten Gründe dafür, dass Wills Stolz sich zu einer abweisenden Kraft entwickelte, die ihn von Dorothea entzweite.[/zitat]
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Habe gerade das Kapitel 54 gelesen und muss gleich etwas loswerden. Wunderschön und so unendlich traurig, wie dieses Treffen der Beiden da beschrieben wird. Dorothea, die sich wieder auf ihr eigentliches Wesen zurückbesinnt, wieder in ihr Haus zurückkehrt, weil sie wieder ihr eigener Herr sein möchte, natürlich nur so wie es damals geht. Einen Schlussstrich zum Thema Casaubon zieht und die Synoptische Tabelle versiegelt und mit einem sehr passenden Spruch versieht. Hurra! Ich habe innerlich Beifall geklatscht! Und dann dieser Besuch von Will, auf den sie ja gewartet hat und wie beide umeinander herumtanzen und die Fassung waren. Obwohl sie anscheinend beide etwas anderes wollen. Nennt mich kitschig, aber das hat mich getroffen! Wunderschön und gleichzeitig auch so unendlich traurig! :rolleyes::(:rolleyes::(
Und dann das Eintreffen von Chettam. Genau zum falschen Augenblick, oder zum richtigen. Wer weiß? Sehr interessant ist der letzte Satz in diesem Kapitel.
[zitat]Als er(James) in diesem Augenblick eintrat, war er eine Verkörperung der triftigsten Gründe dafür, dass Wills Stolz sich zu einer abweisenden Kraft entwickelte, die ihn von Dorothea entzweite.[/zitat]
Ein Glück hatte ich Quarkbällchen da und die Betonung liegt auf hatte. :);):D:p:cool:
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Wunderschön und gleichzeitig auch so unendlich traurig!
... das ging mir genauso. Und ich hätte die beiden am liebsten gerüttelt und gesagt: „Redet offen miteinander, statt Masken zu tragen und zu hoffen, dass der Andere riechen kann, was Ihr denkt und fühlt!!!“
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Dieser Leseabschnitt endet so wie er begann, wunderschön und absolut traurig. Die Liebenden begegnen sich wieder und wieder passiert nicht das, was ich mir wünsche. Wobei dies gar nicht passieren kann. Und gerade das und die Art wie die Elliot das Miteinander von Dorothea und Will beschreibt, macht das Ganze so traurig. Wieder tanzen die Liebenden umeinander, reden nicht wirklich und wissen beide um die Unmöglichkeit ihrer Liebe und reagieren schließlich entsprechend in einer Trennung! :(:confused:
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Chettam reagiert genauso wie ich es mir gedacht habe und das macht ihn mir nicht sympathischer, weil ich mich frage aus welcher Intention heraus Chettam handelt. Geht es ihm um Dorothea oder um den Ruf der Familie. Ich vermute Dorothea steht bei ihm nicht an der ersten Stelle. Das kann man verstehen, ich nehme ihm das aber übel.
 
  • Like
Reaktionen: MRO1975
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Und wie meinst das mit den "extremen Emotionen", so ist doch Literatur, man kann in sie hineinfühlen, so wie in Musik....
Zu deiner Frage: Madame Bovary als tragende Protagonistin hat mir den gesamten Flaubert vergällt... leider!
Hier stimme ich dir voll zu! Gerade wenn Literatur, Musik, Theater, Filme diese extremen Emotionen auslösen, sind es in meinen Augen Öffner für die eigene Seele, machen etwas mit mir und gerade diese tiefe Emotionen auslösenden künstlerischen Zeugnisse sind mir die liebsten. Und gerade solche Figuren die solche Emotionen auslösen, sind doch die intensivsten, oder? Ich liebe so etwas, auch wenn es in beide Richtungen gehen kann und muss.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
  • Like
Reaktionen: MRO1975 und nineLE