7. Leseabschnitt: Kapitel Achtundzwanzig bis Zweiunddreißig (S. 427 bis zum Ende)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das Versprechen, "neu" zu werden, hält Agnes nicht einen einzigen Tag durch. Schnell hat sie eine neue (Sauf-)Freundin. Shuggie ist enttäuscht.
Auch in der Schule wird er schnell als Schwuchtel abgestempelt. Neben seinem nicht vorhandenen Akzent, dem Gang und seiner relativ hohen Stimme, muss es die Kleidung sowie der brave Scheitel sein.
Durch den Nachbarsjungen Keir Weir bekommt er Kontakt zu Leanne, einer ebenso einsamen Seele wie er. Sie ist hellsichtig, ihre Mutter ist auch eine schwere Alkoholikerin:
"Ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl, genau das wollen die Alkis eigentlich." Sie zitterte. "Sterben mein ich. Sie nehmen einfach nur den Umweg." S. 447
Es zeigt sich, dass die beiden auch drei Jahre später noch eine Freundschaft verbindet.

Zwischen Agnes und Shuggie eskaliert ein Streit. Shuggie scheint selbstbewusster geworden zu sein. Agnes gerät in die Defensive, ruft ihm ein Taxi und schmeißt ihn raus. Shuggie flüchtet sich zu seinem Bruder, der offenbar auf dem Sprung ist, die Wohnung wirkt aufgeräumt, Umzugskisten bereits gepackt. Der Frieden währt nur kurz. Die verrückte Agnes schickt das ausgerissene Telefon per Taxi (!) hinterher, was die Jungen alarmiert: Sie braucht einen Aufpasser, Shuggie geht zurück.

Im nächsten Kapitel stirbt Agnes mit nur 50 Jahren...

Shuggie macht sich noch immer Vorwürfe. Caff kommt nicht zur Beerdigung, Leek steht an seiner Seite, wird sich verlieben, Vater werden, aber nach der Kunsthochschule darf man nicht mehr fragen - der Zug ist abgefahren.

Shuggie bleibt Leanne. Sie suchen deren Mutter, die auf der Straße lebt und bringen ihr Wäsche und Lebensmittel. Inwiefern Shuggie anschließend sein Leben in den Griff gekriegt hat, bleibt offen.
 

Naibenak

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2. August 2021
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Shuggie bleibt Leanne. Sie suchen deren Mutter, die auf der Straße lebt und bringen ihr Wäsche und Lebensmittel. Inwiefern Shuggie anschließend sein Leben in den Griff gekriegt hat, bleibt offen.
Ich finde die Freundschaft zu Leanne sehr schön und etwas hoffnungsgebend. Er hat in ihr eine Leidensgenossin, sie können sich gegenseitig stützen und möglicherweise können beide daraus Kraft ziehen. Es zeigt ja auch, dass sie nicht allein sind und vielleicht hilft es auch eines Tages, Schuldgefühle (die mit Sicherheit beide mit sich tragen) etwas abgeben zu können...
 

Literaturhexle

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Ich finde die Freundschaft zu Leanne sehr schön und etwas hoffnungsgebend. Er hat in ihr eine Leidensgenossin, sie können sich gegenseitig stützen und möglicherweise können beide daraus Kraft ziehen. Es zeigt ja auch, dass sie nicht allein sind und vielleicht hilft es auch eines Tages, Schuldgefühle (die mit Sicherheit beide mit sich tragen) etwas abgeben zu können...
Das hast du sehr schön ausgedrückt, ich habe es genauso empfunden. Es ist ein Lichtblick.
Vielleicht hat der Autor bewusst an dieser Stelle aufgehört. Er braucht ja noch Stoff für weitere Romane. Potential hat er!
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Im nächsten Kapitel stirbt Agnes mit nur 50 Jahren...
Nicht ganz, die Beiden 'feiern' doch ihren Geburtstag mit den Erdbeertörtchen.

Endlich ein Funken ehrliche Hoffnung. Ja, mit Leanne an seiner Seite könnte er (und sie auch) sich aus diesem Elend befreien. Beide sind nicht dumm und durch ihre Vergangenheit wahrhaftig gestählt, wenn man das so schreiben kann. Was für eine Kindheit/Jugend - und mit Sicherheit kein Einzelschicksal, auch heute nicht. Es ist so zum K.....
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich finde die Freundschaft zu Leanne sehr schön und etwas hoffnungsgebend. Er hat in ihr eine Leidensgenossin, sie können sich gegenseitig stützen und möglicherweise können beide daraus Kraft ziehen. Es zeigt ja auch, dass sie nicht allein sind und vielleicht hilft es auch eines Tages, Schuldgefühle (die mit Sicherheit beide mit sich tragen) etwas abgeben zu können...
Ich denke sie ist das Beste was Shuggie passieren konnte. So jemanden hat er schon lange gebraucht
 

Sassenach123

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Ich bin froh, dass das Ende nun doch etwas rosiger ist, als erwartet. Als ich die Zustände zu Beginn des Romans in Shuggies Wohnung gelesen habe, habe ich wenig Hoffnung gehabt, dass er überhaupt etwas positives in seinem Leben hat.
Agnes tot ist zwar tragisch,,aber man wusste was passieren wird. Toll, dass Eugene zum Begräbnis kam. Shug war nicht da, wie zu erwarten, auch wenn Shugie saubere Wäsche dabei hatte. So ist er besser dran, als bei seinem Erzeuger
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Mir gefällt, dass das Ende offen bleibt aber trotzdem für Shuggie einen Lichtstreif zeigt. Die Freundschaft mit Leanne tut ihm gut. Da haben sich zwei gefunden, die sich einander gegenüber nicht verstellen und nichts verheimlichen müssen.

Erst jetzt habe ich übrigens den Zusammenhang erkannt, dass der Feinkostladen Kilfeathers, wo Shuggie arbeitet, wohl der Familie des Mannes gehört, von dem Lizzie das Baby hatte.
 

Literaturhexle

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Erst jetzt habe ich übrigens den Zusammenhang erkannt, dass der Feinkostladen Kilfeathers, wo Shuggie arbeitet, wohl der Familie des Mannes gehört, von dem Lizzie das Baby hatte.
Die Namensgleichheit ist mir aufgefallen. Allerdings lagen mir zu viele Jahre dazwischen...
Aber es gibt solche Kaufmannsdynastien und das ist bestimmt kein Zufall. Ich denke, du liegst ganz richtig!
 

Adel105

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Die Obdachlosigkeitist ihnen wenigstens erspart geblieben
Ja, das war, denke ich auch, eine Gefahr, vor der Shuggie seine Mutter bewahren wollte bzw. Shuggie hat immer noch Hoffnung für seine Mutter gehabt und geglaubt, dass es nicht so weit kommen würde. So tief würde seine Mutter, die immer sehr auf ihr Äußeres bedacht ist, nie sinken!
Auf der Straße? Niemals! Sie geht ja nicht mal aus dem Haus, ohne einen Kratzer an den Schuhen nachzumalen. (S.463)
 

Adel105

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Ich denke sie ist das Beste was Shuggie passieren konnte. So jemanden hat er schon lange gebraucht
Ja, der Meinung bin ich auch. Er hat nun endlich mal eine richtige Freundin gefunden, die ihn versteht und ihn so nimmt wie er ist. Sie kennen beide die Probleme mit trinkenden Müttern. Ich denke, Shuggie ist einfach nur froh, dass seine Mutter nicht auf der Straße gelandet ist und will Leanne darin unterstützen, ihrer Mutter noch etwas Würde zu geben.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Jetzt mein letzter Kritikpunkt: die Darstellung der Homosexualität des Shuggieklein.

Sie geht nämlich davon aus, dass die Neigung zu Klitzerzeug und Tanzen etc. und zur Feingeisterei den Mädchen angeboren ist.
Das widerspricht der herrschenden feministischen Neigung/Meinung.
Nature or Nurture - bei Mädels. Mädels können keine Mathematik, spielen mit Puppen, mögen Rosa und Glitzer und hassen Bagger und Auto und Technik.

Wie seht ihr das?
 
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Wandablue

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Der letzte Abschnitt wirkt insgesamt noch einmal stark. Shuggie wird allmählich ein Shug. Sein Verantwortungsgefühl hält Agnes am Leben. Er erledigt viele unappetitliche Aufgaben. Aber einmal hat er genug - er entfernt den Schleim nicht mehr aus Agnes Mund und sie erstickt. Jaha, man kann ihn verstehen, aber es ist letztlich unterlassene Hilfeleistung. Daran wird er ein Leben lang zu tragen haben. Für mich die stärkste Szene im Buch überhaupt.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Das Ende ist versöhnlich. Es war uns allen klar, dass es keinen Neuanfang geben kann, für beide nicht. Agnes kann nicht raus aus ihrer Sucht und Shuggie bleibt schwul.
Endlich hat er aber jemanden gefunden, mit dem er sich austauschen kann. Leannes Schicksal zeigt aber auch, dass Shuggie kein Einzelfall ist. Alle trinken in diesem Milieu, die einen mehr, die anderen weniger. Die Kinder sind immer die Leidtragenden und es ist schwer für sie, dieser Spirale zu entkommen.
Shuggie wird es schaffen, Leek hat aufgegeben. Mit Frau und Kind ist die Option Kunstschule ganz verschwunden.
 

Naibenak

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Jetzt mein letzter Kritikpunkt: die Darstellung der Homosexualität des Shuggieklein.

Sie geht nämlich davon aus, dass die Neigung zu Klitzerzeug und Tanzen etc. und zur Feingeisterei den Mädchen angeboren ist.
Das widerspricht der herrschenden feministischen Neigung.
Nature or Nurture - bei Mädels. Mädels können keine Mathematik, spielen mit Puppen, mögen Rosa und Glitzer und hassen Bagger und Auto und Technik.

Wie seht ihr das?
Sehe ich hier in einem anderen Zusammenhang- nämlich als Kontrast zu allen anderen im damaligen Millieu, in den armen, rauhen Arbeitervierteln. Und Fakt ist doch wohl, dass Mädchen definitiv fast immer auf Glitzer, Tanzen, Püppchen und Einhörner stehen ;-) Da kannste nicht dran drehen :D Ob das "angeboren" ist oder eben "beigebracht", ist hier nicht relevant. Sehe ich jedenfalls nicht so. Das sind schlichtweg Beobachtungen, denke ich...
 

RuLeka

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Sie geht nämlich davon aus, dass die Neigung zu Klitzerzeug und Tanzen etc. und zur Feingeisterei den Mädchen angeboren ist.
Das war damals und in diesen Kreisen noch gängige Meinung.

Heute weiß man es besser. Heute dürfen Jungs auch mit Puppen spielen und Mädchen wild sein. Meine Enkelin ( 2 1/2 Jahre alt ) liebt zwar Glitzer, will aber Bauarbeiter werden. Sie wühlt mit dem schicken Kleid im tiefsten Schlamm herum und ist waghalsiger als ihr älterer Bruder.
Allerdings wird es Eltern schwergemacht, Kinder neutral anzuziehen. Babykleidung gibt es fast nur in rosa oder blau, Jungs- T- Shirts gibt es wenige ohne irgendwelche Trucks- oder Monsteraufdrucke. Man muss schon suchen, um neutrale Kleidungsstücke zu finden.
In den Buchhandlungen erkennt man Mädchen- und Jungsbücher sehr schnell. Oft gibt es eigene Tische/ Regale dafür.
In dieser Hinsicht war man schon mal weiter.
 

Wandablue

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Sehe ich hier in einem anderen Zusammenhang- nämlich als Kontrast zu allen anderen im damaligen Millieu, in den armen, rauhen Arbeitervierteln. Und Fakt ist doch wohl, dass Mädchen definitiv fast immer auf Glitzer, Tanzen, Püppchen und Einhörner stehen ;-) Da kannste nicht dran drehen :D Ob das "angeboren" ist oder eben "beigebracht", ist hier nicht relevant. Sehe ich jedenfalls nicht so. Das sind schlichtweg Beobachtungen, denke ich...
Nee, das ist entscheidend. Die anderen erkennen Shuggies Andersartigkeit von klein auf und er macht es an diesen Dingen fest. Was ich (erstmal) für Humbug halte.
 
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Wandablue

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Das war damals und in diesen Kreisen noch gängige Meinung.

Heute weiß man es besser. Heute dürfen Jungs auch mit Puppen spielen und Mädchen wild sein. Meine Enkelin ( 2 1/2 Jahre alt ) liebt zwar Glitzer, will aber Bauarbeiter werden. Sie wühlt mit dem schicken Kleid im tiefsten Schlamm herum und ist waghalsiger als ihr älterer Bruder.
Allerdings wird es Eltern schwergemacht, Kinder neutral anzuziehen. Babykleidung gibt es fast nur in rosa oder blau, Jungs- T- Shirts gibt es wenige ohne irgendwelche Trucks- oder Monsteraufdrucke. Man muss schon suchen, um neutrale Kleidungsstücke zu finden.
In den Buchhandlungen erkennt man Mädchen- und Jungsbücher sehr schnell. Oft gibt es eigene Tische/ Regale dafür.
In dieser Hinsicht war man schon mal weiter.
Aber darum gehts nicht, Ru. Der Autor lebt jetzt. Und er beschreibt Shuggies Andersartigkeit mit seiner von Anfang an vorhandenen Neigung mit glitzernden Ponys zu spielen. Daran hängt er sie auf. Hat also sexuelle Neigung doch was mit Spielzeug zu tun?