Für mich hat sich irgendwo in Kapitel 4 etwas die Spannung gelegt. Die ersten 3 Teile fand ich genial
Für mich war Kapitel 4 auch so was wie ein Wendepunkt. Das ist aber nur subjektiv gemeint, im Roman nicht so angelegt. In den ersten drei Kapiteln hatte ich noch die irrige Hoffnung, dass sich die IE aktiv mit ihrer schlimmen Situation auseinander setzen könnte. Schlie\lich hatte sie mit dem Französichkurs, mit EM und den Themenfrauen Chancen auf eine Besserung, zumindest ihrer seelichen Situation. Ab KIapitel 4 wird aber klar: sie versucht es mit "mehr desselben" d.h. Schweigen, sich Abstumpfen, sich isolieren.
Nach anfänglicher Enttäuschung muss ich sagen, dass der Roman genau so ablaufen muss. Schlie\lich sagt uns die Stimme der IE immer wieder, dass es "damals" keine Worte für diese unerlaubte Annäherung gab, dass sie vor lauter Angst (sie entwickelt ja regelrechte Angststörungen) kein positives Netzwerk aufbauen konnte usw. Ein Happy End, in dem Sinne, dass sie sich als 18 jährige selbst aus dem Sumpf zieht, hätte mir, glaub ich gar nicht gefallen. Der Roman geht in eine andere Richtung: die Situation wird immer schlimmer, aussichtsloser, so dass die IE dann letzendlich _ wie ferngesteuert, in das Auto von MM einsteigt und bereit ist, tatsächlich Sex mit MM über sich ergehen zu lassen. Da ist es fast märchenhaft, dass MM kurz bevor es so weit ist, ermordet wird.
Mir wurde die absurde Welt des nordirischen Bürgerkriegs, den man immer vermieden hat, so zu nennen, der sich aber genau als solcher in der Realität entpuppt, ungemein drastisch und atmosphärisch dicht vor Augen geführt. Was ist noch ein normales Leben, wenn der Feind hinter der Haustür bzw. auf der anderen Straßenseite steht und lebt?
Das habe ich ganz genau so empfunden
Die bedrohliche Atmosphäre, die die Erzählerin über Hunderte von Seiten aufgebaut hat, löst sich fast vollständig auf. Die Dialoge und Szenen innerhalb der Familie lesen sich für mich wie Slapstick.
Die Dialoge zwischen der IE und ihrer Mutter fand ich schon zu Beginn des Romans sarkastisch witzig (die Schilderung der Religiosität der Mutter, ihre absurd falsche Wahrnehmung der netten Jungs, die IE heiraten sollte usw.) Aber im letzten Kapitel steigert sich diese Art von Humor. Warum _ ich wei\ es auch nicht so genau.
Meine vorläufigen Gedanken dazu: In dem Roman ist ja immer wieder von den "strahlenden" Menschen die Rede. Das "strahlende Mädchen" wird vom Tablettenmädchen ermordet, weil sie das Strahlende nicht ausstehen kann. Denn Strahlen bedeutet ja auch Vergessen der Tragik der Welt, bzw. in diesem Fall der vielen Toten während des Bürgerkrieges.
Am Ende gewinnt die Haltung der strahlenden Menschen: Der Zwillingsbruder von IE traut sich, trotz der drohenden Enttäuschung, sein Glück zu leben. Dasselbe gilt für EM und die Mutter. IE konzentriert sich auf das Schöne in ihrem Leben und blendet weiter das Schreckliche aus, das wie du sagst jederzeit wiederkommen kann.
Achtung: hier kommt eine sehr gewagte Interpretation meinerseits: Vielleicht stellt die Autorin die Leichtigkeit am Ende übertrieben dar, gerade um zu verdeutlichen, dass das Happy End fragil ist.