Ich habe von Anfang an nicht erwartet, das Buch, um das es die ganze Zeit geht, in Sarrs Buch zu lesen. Wie es mit Mythen so geht: jede konkrete Darstellung wäre eine Entzauberung. Es ist besser so.
So richtig begreiflich ist mir Elimanes Verbitterung am Ende aber gerade deshalb nicht. Das Schicksal, totgeschwiegen zu werden, teilt er mit unzähligen anderen Schriftstellern. Nicht zuletzt mit unserem Erzähler selbst. Daraus das Recht herzuleiten, dass in seiner Gegenwart niemand lesen darf, nicht mal die Kinder der Familie ein Schulbuch, scheint mir doch etwas arg verstiegen. Doch ein wenig verstiegen und überambitioniert ist ja in diesem Buch alles - auch dieser Brief mit dem "Brunnenloch" zum Beispiel, was hier erzählt wird, ist unsagbar grässlich, aber eine solche Romantisierung des Bösen, wie sie in der Ansprache des Folterers an das Kind durchscheint, kann ich ganz schlecht vertragen. Es ist natürlich ein Problem, mit dem sich viele Autoren, die über "absolut Böses" schreiben, herumschlagen müssen. Auch Mankell zum Beispiel, der ja auch viel über Afrika geschrieben hat (und Grangé sowieso, der ist Meister darin). *
Ich bin noch gar nicht sicher, was ich aus dem Buch machen soll. Mir geht immer noch dieses Bild im ersten LA herum, wie der Erzähler das "Labyrinth" in Empfang nimmt und in die Gesäßtasche steckt. Das ist so ein Moment, wo Bedeutungsschwere und Komik zusammen auf der Kippe stehen, weil dieses Wegstecken, wie einen Fahrschein oder Einkaufszettel, so belanglos wirkt, als sei das Buch ein Wegwerfartikel. Aber vielleicht lese ich da auch etwas hinein, was gar nicht so beabsichtigt ist. Und solche Stellen gibt es viele, auch bei dem Dialog zum Beispiel, den ich im Kommentar zum vorletzten LA zitiert habe, dieser Ausspruch Gombrowicz' gegenüber der "haitianischen Dichterin". Es steckt ein bisschen Shakespeare-Geist in dem ganzen Roman, Tragik und Witz direkt nebeneinander. Als wolle der Autor uns immer wieder zwischendurch zurufen: "Leute, nun macht doch nicht solche Gesichter!" (Oder auch mit Brecht: "Glotzt nicht so romantisch!"

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*) Mir fällt da ein Buch von Robert Merle ein, geschrieben nach einigen Interviews mit dem Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß:
Das hat einen ganz anderen Ansatz, die Grausamkeit und Unmenschlichkeit werden darin auf eine ganz banale Ebene heruntergebrochen. Am Ende bleibt ein einsamer Mann in der Zelle, der sich die Stiefel blankwichst, mit nichts als Leere im Hirn.