6. Leseabschnitt: Nachwort und FAZIT zu "1984"

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.440
49.869
49
Hier diskutieren wir das Nachwort "Der letzte Mensch in Europa" von Lutz-W. Wolff und ziehen ein Fazit: Wie hat euch das Buch gefallen?
 

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Das ist noch nicht mein Fazit, aber ein Hinweis.
Ihr müsst euch mal die Rezensionen für dieses Buch auf Amazon ansehen. Da findet eine Hetzkampagne statt. Einige finden das Vorwort von Herrn Habeck unmöglich und haben ganz offensichtlich zum Shitstorm aufgerufen. Ich kann das nicht nachvollziehen.
 
  • Like
Reaktionen: Literaturhexle

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.620
16.623
49
Rhönrand bei Fulda
Ich habe jetzt weder die Rezis bei Amazon gelesen noch (bisher) Habecks Vorwort. Aber letztlich ist eine solche Aufregung zu erwarten, wenn ein Politiker, egal welcher Richtung, ein Vorwort zu einem solchen Buch schreibt. Hätte Seehofer es geschrieben, Merkel oder Wagenknecht, es hätte immer irgendwelches Theater von irgendeiner Seite gegeben.

Lutz-W. Wolff, der Übersetzer unserer Ausgabe, sagt dazu unter anderem:
[zitat]Das ist eine brillante Analyse des totalitären Systems: Es geht nicht um Recht und Gesetz, sondern um die Kontrolle des Denkens. Es geht nicht mal unbedingt um das Todesurteil durch ein Erschießungskommando, sondern um den sozialen Tod, der eintritt, weil immer mehr Angst vor der "Abweichung" von der Norm herrscht. Das führt zu immer engeren Meinungskorridoren - und das kann man auch in der heutigen Gesellschaft sehr gut beobachten.
[/zitat]

Meiner Meinung nach wird man dem Roman viel eher gerecht, wenn man ihn nicht so sehr "politisch" liest; das wird immer darauf hinauslaufen, dass der jeweilige politische Gegner (bin ich links, sind es die Rechten, bin ich rechts, sind es die Linken) in dem Buch "gemeint" sein soll. Natürlich müssen wir nach allen Seiten wachsam bleiben. Es ist aber auch wichtig, daran zu denken, wie Wolff ausdrücklich formuliert: "Interessanterweise finden die meisten Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, die heute in Deutschland und Europa überall stattfinden, größtenteils mit der Zustimmung der Bevölkerung statt."
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.639
4.794
49
62
Essen
Den wissenschaftlich anmutenden Anhang "Die Grundlagen von Neusprech" hätte ich nicht gebraucht, muss ich sagen. Die starke Wirkung des Buches wird dadurch eher verwässert. Es wäre besser, den Handlungsverlauf mit seinem klaren Ende für sich stehen zu lassen. Diese Ergänzungen waren für mich nicht nötig. Die Andeutungen im Text selbst dazu reichten mir aus und waren sehr ausdrucksstark. Und auch das Nachwort von Lutz Wolff fand ich verzichtbar. Ich habe daraus zwar einige interessante Informationen über die Entstehungsgeschichte des Romans erfahren, aber ich bin da eher auf der Seite von Robert Habecks Vorwort. Denn dieser Roman hat seit seiner Entstehung eine so enorme Wirkungsgeschichte und einen Titel, der glauben lässt, nach 1984 hätte sich sein Inhalt unweigerlich überlebt und überholt, dass - wenn etwas zu einer Neuausgabe dieses Romans gesagt werden muss - dann eine Einordnung in die politischen Strukturen der Jetztzeit mit einer klaren Aussage:
Nein, 1984 liegt nicht in der Vergangenheit! Es liegt im Jetzt und Morgen!

Mich hat die erneute Lektüre gerade vor diesem Hintergrund wieder sehr in den Bann gezogen. 1984 ist einfach die Dystopie schlechthin! Eine solche liefert ja immer ein Verständnis über die eigene Zeit und was man daraus machen kann. Kann man sich mehr vorstellen an Warnungen, Mahnungen und Ermahnungen? Können wir sie hören? Die Hoffnung bleibt mir!
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.620
16.623
49
Rhönrand bei Fulda
Sorry, aber diesen Roman kann man nur politisch lesen. aber was Du wahrscheinlich meinst ist: wenn man ihn nicht politisch von einer Seite zu vereinnahmen sucht.

Ja, so hatte ich es auch gemeint.
Es ist klar, dass jedes Lager der Gegenseite den Roman quasi anklagend entgegenhält; aber meines Wissens hatte Orwell keine bestimmte politische Richtung im Auge, wie Wolff das auch erklärt. Die Methoden des Großen Bruders lassen sich sowohl im Dritten Reich wie im Stalinismus, in den Diktaturen Lateinamerikas, sicher auch in Rotchina wiederfinden.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Ich musste das Buch erstmal sacken lassen, bevor ich das Nachwort lese.
Das ist informativ. Ich wusste nichts über den Autor und die Entstehung des Buches, wunderbar.

Erstaunlich fand ich, dass mich dieses Buch so komplett umgehauen hat. Ja, man könnte meckern, Längen anmahnen, über Übertreibungen nachdenken, aber das schmälert alles nicht den Gesamteindruck: Ich kannte es schon und konnte kaum glauben, was ich da lese. Herr Orwell hat mit erschreckender Konsequenz ein fieses Worstcase-Szenario durchgespielt.

Danke für das Buch und die spannende Leserunde. Hier ist meine Rezension:
https://whatchareadin.de/community/threads/rezension-5-5-zu-1984-roman-von-george-orwell.24643/
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.071
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
aber meines Wissens hatte Orwell keine bestimmte politische Richtung im Auge, wie Wolff das auch erklärt. Die
Er klagt die totalitären Regime an und deren Unterdrückung eines freien von Vernunft geleiteten Geistes. Die Mechanismen der Machterhaltung hat er sehr gut dargestellt, wenn auch mit einigen Redundanzen. Seine Botschaft ist dadurch überdeutlich: Freiheit und Unabhängigkeit des Geistes, kritisches Hinterfragen der offiziellen Meinung - und dies ist aktueller denn je.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.440
49.869
49
Hoppla, hab vergessen, den Link herzuzaubern;)

Für mich war der Roman ja neu und über weite Teile sehr spannend. Auch und gerade weil die plötzlichen Ereignisse für mich überraschend kamen.
Sehr zu empfehlen ist auch die Hörbuchfassung. Allerdings gibt es dort keine Anmerkungen zur Übersetzung und auch keinen Lebenslauf zu Orwell. Schade.
Trotzdem reicht es bei mir nicht für den 5ten Stern. Die Längen/Wiederholungen führen zum Abzug. Dennoch sehr lesenswert!
https://whatchareadin.de/community/threads/rezension-4-5-zu-1984-roman-von-george-orwell.24678/
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.728
2.678
49
Ich bin nach wie vor am überlegen, ob ich es damals gelesen habe oder nicht. Umso wichtiger war es für mich es jetzt zu lesen. Das Buch wird einen Platz in meinem Regal bekommen. Ich habe den Plan, hin und wieder ein Buch nochmal zu lesen und dieses Buch gehört sicher in die Reihe derer, die für eine zweite oder dritte Lektüre serr geeignet sind.

Das Buch hat mich ziemlich aufgerüttelt, von Gefallen kann ich nicht so unbedingt sprechen, dazu stehe ich bei Romanen zu sehr auf Happyends, aber wichtig war es für mich allemal.

Dass Orwell es satirisch gemeint haben könnte, war für mich sehr überraschend.
 
  • Like
Reaktionen: Wandablue

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.639
4.794
49
62
Essen
Es ist klar, dass jedes Lager der Gegenseite den Roman quasi anklagend entgegenhält; aber meines Wissens hatte Orwell keine bestimmte politische Richtung im Auge, wie Wolff das auch erklärt
Es ist ein Buch gegen jede Form der Diktatur und Autokratie ob von links oder rechts. Und für eine freiheitliche Lebensweise, wie wir sie - anders als Orwell in den 40ern befürchtete - geschafft haben aufzubauen. Heute ist deshalb der Roman ein dringender Aufruf dazu, das, was wir geschafft haben, doch bitte nicht aufs Spiel zu setzen. So jedenfalls ist meine Leseweise zu 1984!
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.308
18.952
49
48
Den wissenschaftlich anmutenden Anhang "Die Grundlagen von Neusprech" hätte ich nicht gebraucht, muss ich sagen.
Den hab ich auch nur noch quer gelesen; ich hätte es auch nicht gebraucht. Ich weiß gar nicht, ob das in älteren Ausgaben auch schon drin ist...Das Nachwort war okay; es hat zumindest die von mir bisher geglaubte Legende zerstört, dass es bei "1984" die Umkehrung von "1948" :D.