6. Leseabschnitt: Kapitel XXVII bis XXXI (Seite 381 bis 470)

tinderness

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Abyss und Weltenraum: AL beginnt sich mit seinen Werken, die allerdings nur einer kleinen Elite von Musikverständigen zugänglich sind, einen ersten, allerdings prekären Bekanntheitsgrad zu verschaffen. Menschen verlassen zuhauf den Musiksaal als etwa sein Stück Love's Labour Lost in Lübeck aufgeführt wird. Dennoch gelingt es, "dass spätestens in den Zwanziger Jahren, eine Aura esoterischen Ruhms sich um den Namen meines Freundes zu breiten begannn" (27. Kapitel), wie der Erzähler berichtet.

Seine intellektuellen Abenteuer werden indes immer exzentrischer. AL täuscht vor, Abenteuer erlebt zu haben, die nicht nur äusserst unwahrscheinlich, sondern auch monströs erscheinen: etwa die Reise in einer Metallkugel in die Tiefen der Meere in der Nähe der Bermuda Inseln in Begleitung eines Mr. Capercailze, bei dem es ihm vergönnt war, das bisher Ungesehene beobachten zu dürfen ("die tollen Geheimfratzen des Organischen", "das ungeheuerlich Aussermenschliche") oder aber auch die Erkenntnisse über den Weltraum, die in seiner unermesslichen Ausdehnung ("Die Daten der kosmischen Schöpfung sind ein nichts als betäubendes Bombaredement unserer Intelligenz mit Zahlen"). Und dies alles resultiert natürlich in der ihm eigenen Perspektive, die er aus diesen Erkenntnissen gewinnt: "Kosmische Musik, die Wunder des Alls".

Es ist ein wenig so, als hätte uns der Dialog mit dem Teufel nicht nur die Deutung hinter uns liegender Romanpassagen ermöglicht, sondern auch jene, die wir danach zu lesen bekommen. War es also nicht so, dass Adrian Abyss und Weltenraum nicht tatsächlich zu erleben imstande war, durch die Mithilfe des Teufels? Und war es nicht der Erzähler, welcher den wahren Charakter von ALs tiefen Erlebnissen missverstanden hatte?
 
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Ich bin noch mitten im LE, halte aber hier schon mal den Link fest zur gefälligen Beachtung. :reader5

Klopstock: Frühlingsfeyer

Wenn jemand zu den Blake-Stellen etwas Schlaues zu sagen weiß - würde mich interessieren, ich mag nicht so recht googeln, Blake ist bis dato nicht so "meins" ...
Quinquillion ist übrigens ein real existierendes Zahlwort (fünfte Potenz einer Milliarde). Ich hielt es ehrlich gesagt spontan für einen Witz, eine Ableitung von "quinquilieren".

Edit, noch ein Link: Hier Doktor Faustus goes Science Fiction sind ein paar Quellen zusammengetragen, auf die sich Thomas Manns "Reiseschilderungen" stützen, u.a. Zeichnungen von Dr. Beebes Tiefseetauchkugel, die 1934 einen Tiefenrekord aufstellte. Lesenswert!
 
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tinderness

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Ich bin noch mitten im LE, halte aber hier schon mal den Link fest zur gefälligen Beachtung. :reader5

Klopstock: Frühlingsfeyer

Wenn jemand zu den Blake-Stellen etwas Schlaues zu sagen weiß - würde mich interessieren, ich mag nicht so recht googeln, Blake ist bis dato nicht so "meins" ...
Quinquillion ist übrigens ein real existierendes Zahlwort (fünfte Potenz einer Milliarde). Ich hielt es ehrlich gesagt spontan für einen Witz, eine Ableitung von "quinquilieren".
Oh,toll das Klopstockgedicht. Wollte ich auch schon googeln, um den Eimer und den Tropfen usw. zu verstehen. Danke.
 
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@tinderness , kannst du dich noch erinnern, wo das Wort "Schibeloth" vorkam? Ich habe leider, leider darüber hinweg gelesen und jetzt finde ich es nicht mehr. Es muss irgendwo im Zusammenhang mit den Leverkühn-Reisen oder kurz danach bei den Gesellschaftsschilderungen gewesen sein, glaube ich.
 

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@Die Häsin Leider nicht, ich glaube aber auch zu wissen, dass das Wort bei der Lektüre mir über den Weg gelaufen ist.
In der Literaturgruppe bei FB schickte man mir den folgenden Link, bezogen auf das Wort "Schibboleth":
Schibboleth

Danach ist ein Schibboleth (aus dem Hebräischen) ein Codewort, Kennwort oder Losungswort.

Ich werde nochmal versuchen, die Stelle wiederzufinden. Zum ersten Mal tut es mir leid, dass ich das Buch nicht auf dem Reader habe, da wäre es ganz einfach.
 
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In der Literaturgruppe bei FB schickte man mir den folgenden Link, bezogen auf das Wort "Schibboleth":
Schibboleth

Danach ist ein Schibboleth (aus dem Hebräischen) ein Codewort, Kennwort oder Losungswort.

Ich werde nochmal versuchen, die Stelle wiederzufinden. Zum ersten Mal tut es mir leid, dass ich das Buch nicht auf dem Reader habe, da wäre es ganz einfach.
Gefunden: "Das Wort graziös bedeutete ihm ein konservativ-polemisches Schiboleth gegen das Modern-Aufrührerische." Bei mir in Kapitel 28 auf S. 361.
 

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Ah ja, das ist es. Vielen Dank!
Ich habe gerade Kapitel 31 gelesen und bin fassungslos über das "Deutschland als Weltmacht"-Geschwurbel des Erzählers.
Da er aus weit entfernter Rückschau erzählt, findet da wohl auch kein Umdenken mehr statt, sonst wäre der Erzählton vermutlich anders.
Adrian wird blass dabei, wie der Erzähler beschreibt.
Ich auch.
 
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Salongeplauder: Es langweilt und ermüdet mich, wenn der Erzähler sich der Dreiecksbeziehung zwischen Ines Rodde, Rudolf Schwerdtfeger und Helmut Insistorius annimmt (Kapitel 29), das Werben um einander beschreibt und uns ein Ambiente entwickelt, dass wohl mehr als bürgerlich verzopft, denn intellektuell oder gar avantgardistisch anspruchsvoll sein kann. Wen interessiert es, möchte man fragen und welchen Zusammenhang hätte es mit der Entwicklung des Romanstoffes? Warum mit dieser leicht psychologisierenden Plauderei Lesezeit verplempern? Es verbessert die verfahrene Situation auch nicht gerade, wenn sich der Erzähler schuldbewusst dafür entschuldigt: Diese Passagen seien "Krümel-Abfälle", die in den Augen der Leser womöglich etwas Läppisches haben, meint er augenzwinkernd. Warum also hier trotzdem langatmig mit einer nicht mehr als literarischen Fingerübung langweilen? Muss SZ denn so ein Langweiler sein?
 
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Salongeplauder: Es langweilt und ermüdet mich, wenn der Erzähler sich der Dreiecksbeziehung zwischen Ines Rodde, Rudolf Schwerdtfeger und Helmut Insistorius annimmt (Kapitel 29), das Werben um einander beschreibt und uns ein Ambiente entwickelt, dass wohl mehr als bürgerlich verzopft, denn intellektuell oder gar avantgardistisch anspruchsvoll sein kann. Wen interessiert es, möchte man fragen und welchen Zusammenhang hätte es mit der Entwicklung des Romanstoffes? Warum mit dieser leicht psychologisierenden Plauderei Lesezeit verplempern? Es verbessert die verfahrene Situation auch nicht gerade, wenn sich der Erzähler schuldbewusst dafür entschuldigt: Diese Passagen seien "Krümel-Abfälle", die in den Augen der Leser womöglich etwas Läppisches haben, meint er augenzwinkernd. Warum also hier trotzdem langatmig mit einer nicht mehr als literarischen Fingerübung langweilen? Muss SZ denn so ein Langweiler sein?
Mich hat diese Passage auch sehr gelangweilt; vor allem konnte ich die Darstellung der Ines unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehen. Aber jedenfalls ist die Beziehung zwischen ihr und Schwerdtfeger nicht unwichtig für die Romanhandlung, das zeigt sich später, sogar recht drastisch.

Bis zum Haareraufen geärgert habe ich mich allerdings über die Darstellung vom Suizid der Clarissa Rodde. Ich weiß nicht, ob das auch in diesem LA kommt oder erst etwas später.
 
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Ich habe gerade Kapitel 31 gelesen und bin fassungslos über das "Deutschland als Weltmacht"-Geschwurbel des Erzählers.
Mich hat die allgemeine Kriegsbegeisterung sehr an die von Karl Kraus in den "Letzten Tagen der Menschheit" geschilderten Verhältnisse erinnert. Mit unüberhörbarem Spott werden hier nicht nur die Unfähigkeit in der österreich-ungarischen Arme sondern vor allem die brustgeschwellten Töne der deutschen Heeresleitung kommentiert und blossgestellt. Immerhin muss man dem biederen Erzähler SZ aber zugute halten, dass er sehr rasch den Schwenk vom Weltnachtsgetöne zum Kriegskater hinbekommt. Interessant auch in Kapitel 30, wie die Mitglieder des "Salons" sich fast alle dem Kriegsdienst entschlagen können. Selbst das Kriegsschicksal von SZ dauern nicht lange und ist vergleichsweise harmlos. So bleibt der "Grosse Krieg" eine blasse Episode des Romans,sieht man von dem von dir erwähnten, recht unerträglichen Geschwurbel ab.
 
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Bis zum Haareraufen geärgert habe ich mich allerdings über die Darstellung vom Suizid der Clarissa Rodde. Ich weiß nicht, ob das auch in diesem LA kommt oder erst etwas später.

Lalala ***Ohrenzuhalte***, muss später erst kommen!
Salongeplauder: Es langweilt und ermüdet mich,

Komischerweise hat es mich als (scheinbar eigenständige) Episode gefesselt und zeigt das Feingefühl Zeitbloms auch für leise Zwischentöne. Großartige Empathie, die er da beweist.
Ich habe gerade Kapitel 31 gelesen und bin fassungslos über das "Deutschland als Weltmacht"-Geschwurbel des Erzählers.

Vor allem die Schlußfolgerung, dass Deutschland nun einmal, nach Frankreich und England, einfach "dran sei",eine Weltmachtstellung zu erlangen.
Klar, können wir so sehen, aber dann bitte auch keine Beschwerden, wenn wir dann mal kolonialisiert werden, oder?!
Abyss und Weltenraum:

Ein Kapitel, bei dem ich sehr mit diesem Roman symphatisiere. TM hat wohl auch Jules Verne gelesen... obwohl, die Laternenfische wurden ja schon sehr genau beschrieben und ich bin erstaunt, dass sie damals schon bekannt waren.
 

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Ein Kapitel, bei dem ich sehr mit diesem Roman symphatisiere. TM hat wohl auch Jules Verne gelesen... obwohl, die Laternenfische wurden ja schon sehr genau beschrieben und ich bin erstaunt, dass sie damals schon bekannt waren.
Ems, schau mal in den Link, den ich oben geliefert habe, ich setz ihn hier nochmal her:

Doktor Faustus goes Science Fiction

Da kannst du sehen, dass Thomas Mann sich an den aktuellen Berichten des Forschers Beebe bedient hat. Mich hat das ein wenig an die Affäre mit Frank Schätzings "Schwarm" damals erinnert, der hat ja auch wissenschaftliche Passagen aus dem Internet eingeflochten, ohne seine Quellen zu nennen.
 
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Da kannst du sehen, dass Thomas Mann sich an den aktuellen Berichten des Forschers Beebe bedient hat.
Danke dafür. Aber egal, von wem er abgeschrieben, oder wen er für sich hat schreiben lassen (Adorno), für mich wars ein Kapitel, mit dem ich etwas anfangen konnte und das mich, ob seiner Vielfältigkeit, überrascht hat.

Was ich aber jetzt wohl auch verstanden habe, dass TM allseits kritisch unter die Lupe genommen wird, was ich aus wissenschaftlicher Sicht durchaus verstehen kann (auch bei Schätzing), was mich aber "unterhaltungstechnisch" erst einmal nicht stört. (Schätzings Schwarm im Zusammenhang mit seinen Nachrichten aus einem unbekannten Universum, haben mich damals nachhaltig beeindruckt.)

Der Zugang ists, den ich bei diesen populären Schriften achte, denn gleich in die wissenschaftliche Abhandlung schaffe ich es wohl nicht.;)
 
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