6. Leseabschnitt: Kapitel 6 (Seite 171 bis 205)

Federfee

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Ich hätte es aber nicht verkehrt gefunden, ein paar Hintergrundinfos zu erhalten. Das Fehlen von Kontext sieht sich durchs gesamte Buch. In diesem Fall stört es mich aber nicht so arg.
Doch, ich schon, denn er hat ja nicht konkret Irland gemeint, auch wenn es dort verortet ist. Er hat verschiedene Elemente, die in totalitären Staaten auftauchen, hier hineingebracht. (Beispiele lass' ich jetzt mal.)
 

Bajo

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16. Juni 2023
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Das Ende der Kämpfe kommt wirklich sehr überraschend, da hätte ich auch gern mehr Hintergrundinformationen gehabt. Warum konnten sich die Rebellen so schnell durchsetzen, wie haben sie sich formiert etc.
Ich denke, der Leser soll nicht mehr wissen als Eilish. In diesem Roman wird ja ihre Wahrnehmung der Ereignisse in den Fokus gestellt, und sie weiß wegen der Nachrichtensperre auch nicht, was eigentlich los ist.
Symbolisches? Der alte Teddybär hat nur noch Knöpfe als Augen, ist blind geworden, schon wieder 'Verfangen im Ärmel'
Ja, und die Möwe mit dem dunklen Schlund. Alles dunkle, Unheil verkündende Bilder, alles hat den Stempel der fürchterlichen Prophezeiung.
Als das Photo von Mark beim Matratzetransportieren runterfällt, hatte ich die unheilvolle Ahnung, er ist in großen Schwierigkeiten, wenn nicht sogar tot. Wenn hier alles Prophezeiung ist, dann könnte das sein. Aber, auf dem Photo taucht er aus einer Wasserrutsche, einem Ungeheuer mit Daumen hoch auf, das Bild fällt runter, ist aber ganz, na vlt. gibt's doch noch Hoffnung.
Also war er vielleicht doch kein legitimer Grund zu bleiben…
Ja, im Nachhinein betrachtet aber nur.
 
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Literaturhexle

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Ich gehe zunächst mal auf eure Posts ein und fasse mich kurz, wo zwischenzeitlich schon in meinem Sinn kommentiert wurde.
In einer Szene hat mir Eilish imponiert - im Gespräch mit der Lehrerin. Da sagt sie offen ihre Meinung und nimmt ihren Sohn in Schutz.
Manchmal bricht die Wut aus ihr heraus. Ein zweites Mal in diesem kleinen Laden, wo der Besitzer Wucherpreise verlangt. Sie unterdrückt ihre Emotionen, hier schafft sie es nicht.
Von außen betrachtet, mag es sinnvoll sein zu gehen, doch Eilish, die mitten in der Situation ist, sieht keinen Ausweg, keine Alternative zum Bleiben.
Es war schon kompliziert und wird immer komplizierter. Ich denke, der fehlende Pass behindert die Ausreise und nicht die Einreise. Die meisten totalitären Staaten lassen die Menschen nicht mir nichts, dir nichts gehen.
Das Ende der Kämpfe kommt wirklich sehr überraschend,
Ich habe es nur als einen Teilerfolg angesehen, dass die Straße jetzt "befreit" wurde. Vielleicht gibt es eine Feuerpause, aber ein absolutes Ende wäre doch recht überraschend und schnell.
Eilish weiß ja auch gar nichts; sie haben wohl alle keine Informationen.
Die Perspektive ruht auf Eilish, ja, sehe ich auch so.
dass man Gedichte nicht übersetzen kann
Zumindest stelle ich es mir sehr schwierig vor.
Die Tunnel-Metapher finde ich sehr passend.
Die gefällt mir auch sehr!
Wenn hier alles Prophezeiung ist,
Stimmt, die wiederholte Symbolik unterstreicht den prophetsong.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dieser LA hat mich sehr mitgenommen. Der Blick auf die unterschiedlichen Reaktionen der Kinder, die Beobachtung des Alltags, die Unruhe ringsum, im Kontrast dazu die Bäume. Die sozialen Medien befeuern die Möglichkeiten von Fakenews, schließlich werden sie abgeschaltet (Internetsperre). Eilish setzt ein Radio wieder in Gang.

Ich habe einige wunderbare Stellen ausgemacht, (@ElliP: Danke fürs Einstellen der Originalzitate!)
...sie sieht vor sich die Reste ihres jüngeren Ichs, das Ich gefaltet und in Kisten verpackt, eingetütet und abgelegt, verloren in dem Chaos verschwundener und vergessener anderer Ichs,... usw. 179
Draußen ist nichts zu sehen, nur eine einsame Möwe, perlengleich in blauem Licht, auf einem Schornstein, ein feiner Regenschleier. 184
..., sieht dabei einen Zementsack vom Laster fallen, er platzt auf dem Boden auf, der Wind verteilt den Staub, als wäre ein Derwisch... aus einem fremden Krieg über sie gekommen. vgl. S. 190
Ja und dann der Dialog über die väterliche Liebe...

Am Ende eine Waffenruhe, die erneut den Opportunismus der Leute zeigt. Die nationalen Fahnen sind ganz schnell eingeholt.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Ich denke, der Leser soll nicht mehr wissen als Eilish. In diesem Roman wird ja ihre Wahrnehmung der Ereignisse in den Fokus gestellt
So ist es. Ich glaube, ich habe das oben auch schon geschrieben?
Alles dunkle, Unheil verkündende Bilder, alles hat den Stempel der fürchterlichen Prophezeiung.
Ah ja, mir ist nämlich noch nicht ganz klar, was der Titel bedeuten soll. Jetzt kriege ich langsam eine Ahnung.
Als das Photo von Mark beim Matratzetransportieren runterfällt, hatte ich die unheilvolle Ahnung,
Das war mir gar nicht aufgefallen, auch nicht alle wunderbaren Stellen... Aber es sind so viele, dass man leicht etwas überliest.
Ich habe einige wunderbare Stellen ausgemacht,
 

RuLeka

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einer Szene hat mir Eilish imponiert - im Gespräch mit der Lehrerin. Da sagt sie offen ihre Meinung und nimmt ihren Sohn in Schutz.
Da zeigt sich, dass sie keineswegs eine Frau ist, die sich still unterordnet.
Das ist eben nicht der Schwerpunkt dieses Romans; es ist keine Geschichte des Widerstands. Eilish weiß ja auch gar nichts; sie haben wohl alle keine Informationen.
Genau. Und wir haben außerdem nur Eilishs Perspektive.
Geschichtliche Ereignisse sortieren sich oft erst in der Rückschau. Steckt man mittendrin fehlt einem der Überblick und die Distanz.
Ich glaube das noch nicht so ganz.
Ich auch nicht.
die Efeuplage in des Vaters Garten
Das Efeu wuchert über die Mauern, obwohl Simon sie letztes Jahr zurückgeschnitten hat. Es erstickt alles, was er gepflanzt hat.
So wie die neue Regierung mit ihrer Ideologie und ihren Maßnahmen alles „ Gute“ überwuchert und erstickt. Und es nützt nichts, nur einmalig dagegen vorzugehen. Demokratie muss beständig beschützt werden und gegen rechtes Gedankengut verteidigt werden.
 

RuLeka

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Das Übliche, kennen wir von totalitären Staaten: Hören und Lesen ausländischer Medien wird verboten, das Internet gesperrt. Schulen und Hochschulen werden geschlossen, Panikkäufe der Bevölkerung, alle sollen zu Hause bleiben. Eilish vertraut immer noch auf die 'internationale Gemeinschaft' (oh je!), von wegen Waffenruhe, Sanktionen, Verhandlungen – kennen wir alles
Das kennen wir aus der Geschichte und auch aus der aktuellen Gegenwart. Überall die gleichen Mechanismen.
Deshalb behaupte ich immer noch: Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, kann nicht auf die Versprechungen der AfD reinfallen.
Ob das hier im übertragenen Sinne auch so ist?
Ja!
Also war er vielleicht doch kein legitimer Grund zu bleiben…
Das weiß sie jetzt.
Wenn ich lese, wie viele unter den Nazis zu lange gewartet haben, weil sie nicht glauben konnten, dass es sie betreffen wird, weil es noch zu viele Gründe für das Bleiben gab. Irgendwann waren die Gründe weg, aber auch die Option zu gehen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Im Grunde beschreibt Lynch nichts Neues. Aber es ist notwendig, sich das wieder in Erinnerung zu rufen, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Demokratie ist nichts Selbstverständliches.
Hattest du nicht neulich mal geschrieben, dass im Grunde schon über jedes Thema geschrieben wurde;)
Aber Paul Lynch macht es supergut, finde ich, auf eine innovative, sprachlich anspruchsvolle Weise, die mich tief ins Geschehen mitnimmt. Ich bin immer noch begeistert :joy
 

RuLeka

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Hattest du nicht neulich mal geschrieben, dass im Grunde schon über jedes Thema geschrieben wurde;)
Aber Paul Lynch macht es supergut, finde ich, auf eine innovative, sprachlich anspruchsvolle Weise, die mich tief ins Geschehen mitnimmt. Ich bin immer noch begeistert :joy
Das war keine Kritik am Buch. Es heißt nur, dass er nichts erfinden musste an dem äußeren Szenerio, denn das kennt man aus vielen Beispielen. ( Man kann ihm nicht vorwerfen, was Unrealistisches erfunden zu haben.) Er lenkt den Blick auf eine Familie, die betroffen ist und zeigt an ihr, was es konkret bedeutet, wenn plötzlich alle Gewissheiten weg sind. Und das macht er sehr gut.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Der Kampf direkt in Eilish Straße kam mir jetzt auch zu abrupt und grundlos. Es herrscht also richtiger Bürgerkrieg? Wie kann man dann überhaupt noch im Haus ausharren, wenn sowieso Wasser und Strom fehlt... aber klar, das Auto für die Flucht ist ja auch schon weg.
Eilish erfährt erst über einen Anruf aus der Schule, dass Bailey in Schwierigkeiten steckt. Merkwürdig nur, wie sich die neue Lehrerin ausdrückt und vom Lehrkörper spricht, wo sie doch selbst betroffen ist. Hilfloses Klammern an kürzlich erst erlernten Parteisprech. Aber nun ja, die Schule fällt dann ja auch aus.

Die Kinder erfassen soviel mehr als Eilish, offene Gespräche würden allen weiterhelfen.
Ich denke, der Leser soll nicht mehr wissen als Eilish.
Ja, ich fühle mich inzwischen genauso hilflos wie Eilish. Deswegen lese ich fasziniert eure Beiträge und erfasse erst im Nachhinein, was es noch alles zu beachten gibt.