6. Leseabschnitt: Kapitel 11 und 12 (Seite 590 bis Ende)

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Sterben ist ein einsames Geschäft. Es ist vollkommen belanglos, ob jemand an dem Bett sitzt oder nicht. Was man braucht, ist vllt ne Krankenschwester. Sonst niemanden.
Das sehe ich völlig anders, nachdem ich einen Menschen bis zum Ende begleitet habe. Obwohl in künstlicher Narkose, waren noch absolut eindeutige Reaktionen da. Der Palliativmediziner hat mir daraufhin unglaubliche Geschichten erzählt, die man wissenschaftlich nicht erklären kann, die er aber selbst erlebt hatte. Ein unglaublich spannendes Thema.
 

Wandablue

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18. September 2019
9.691
22.085
49
Brandenburg
Das sehe ich völlig anders, nachdem ich einen Menschen bis zum Ende begleitet habe. Obwohl in künstlicher Narkose, waren noch absolut eindeutige Reaktionen da. Der Palliativmediziner hat mir daraufhin unglaubliche Geschichten erzählt, die man wissenschaftlich nicht erklären kann, die er aber selbst erlebt hatte. Ein unglaublich spannendes Thema.
Brauchen wir einen Roman darüber, dann können wir erzählen! Spannend! Ja.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
4.351
10.654
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Ich bin etwas überrascht, dass wir Rolands Tod nicht erleben. Wenn McEwan allerdings tatsächlich ein wenig seines Lebens und Schaffens integriert hat, passt es natürlich sehr gut ins Bild.
Roland wirkt am Ende ausgeglichen und macht seinen Frieden mit allem. Nur die Szene mit Peter, da zeigt er, dass er sich doch zur Wehr setzen kann, auch wenn es ihm am Ende nur ein Problem mit seiner Rippe eingehandelt hat. Aber diesen Biss hätte ich ihm ansonsten gar nicht zugetraut.
Sein Treffen mit Alissa verlief auch verhältnismäßig harmonisch, trotz der Vorwürfe, die teilweise flossen. Doch einiges hat er einfach falsch eingeschätzt, zum Beispiel das er Vorbild für ihren letzten Roman war. Manchmal bringt es doch sehr viel miteinander zu kommunizieren, so Missverständnisse auszuräumen. Schade, dass sie das in der Vergangenheit nicht geschafft haben.
Lawrences Reaktion in Bezug auf Alissa kann ich sehr gut nachvollziehen, nach den vielen Jahren kann es nur noch ihr etwas geben sich anzunähern.
Daphne bleibt zentral in Rolands Leben, in ihr hat er die Frau, die er immer gebraucht hat, und sie konnte er am Ende nur noch bis zum Tod begleiten.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
4.351
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Daphnes Sterben. Aber gottseidank erspart uns McEwan Rolands Tod.
Ich habe sogar damit gerechnet, dass dieses Buch mit seinem Tod endet. Aber so ist es stimmig, ich finde es gut so wie es ist
Roland kann seinen Frieden finden, zumindest im Privaten
Am Anfang habe ich nicht damit gerechnet, dass Roland ein guter Vater für Lawrence sein wird. In dieser Hinsicht hat er gute Arbeit geleistet. Auch das er seinem Sohn nicht schlecht gegenüber Alissa geredet hat als er klein war. Im Gegenteil, er hätte es unterstützt, wenn sie ihn hätte sehen wollen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Der Rückblick auf 70 Jahre Zeitgeschichte ist für mich genial gelungen. An vieles erinnere ich mich, manches hatte ich vergessen, aber es ist sofort wieder da.
Stimmt, es läuft ganz nebenbei, und vermittelt trotzdem die nötige Brisanz. Es geht uns ja allen wie Roland, jeder hat gewisse politische oder historische Ereignisse, die eng am eigenen Leben anknüpfen. Jeder seine eigenen, die sicher bei jedem anders gewichtet sind.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Findest du wirklich? Vernichten beschäftigt sich in allerlei Facetten mit dem Tod und dem Sterben und mit der Angst davor. Bei anderen Themen im Buch mags zutreffen, aber ich finde, H. geht letzlich ans Eingemachte, Ian plänkelt rum.
H. geht eigentlich nie ans Eingemachte - sein Thema (in zeitaktuellen Varianten) ist die selbstverschuldete Einsamkeit des Frauenverächters; daraus macht er einen existentiellen Heldenstoff, der mich zum Würgen bringt. Er hat sich selbst nie soweit reflektiert, dass er von dieser brutal patriarchalen Sichtweise auch nur einen Millimeter abgerückt ist. Über Jahrzehnte nicht die geringste Entwicklung. In "Vernichten" hatte es zeitweilig den Anschein, aber leider ... Wie man diesen Aspekt seines Werkes, vor allem als Frau, ignorieren kann, werde ich wohl nie verstehen.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass gerade Frauen ihn rühmen, vielleicht um zu beweisen, dass sie "objektiv" in ihrer literarischen Wertung sein können. Nur lesen wir ja alle gnadenlos subjektiv - und insofern weiß ich nicht, wo der Wert dieser "Objektivität" liegen könnte. Mir ist es zuwider, einen Text zu lesen, der mich als Frau kontinuierlich beleidigt und herabsetzt.

McEwan hat einen zutiefst menschlichen Ansatz, ohne Ansehen des Geschlechts. H. kann daran nicht mal tippen.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
H. geht eigentlich nie ans Eingemachte - sein Thema (in zeitaktuellen Varianten) ist die selbstverschuldete Einsamkeit des Frauenverächters; daraus macht er einen existentiellen Heldenstoff, der mich zum Würgen bringt. Er hat sich selbst nie soweit reflektiert, dass er von dieser brutal patriarchalen Sichtweise auch nur einen Millimeter abgerückt ist. Über Jahrzehnte nicht die geringste Entwicklung. In "Vernichten" hatte es zeitweilig den Anschein, aber leider ... Wie man diesen Aspekt seines Werkes, vor allem als Frau, ignorieren kann, werde ich wohl nie verstehen.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass gerade Frauen ihn rühmen, vielleicht um zu beweisen, dass sie "objektiv" in ihrer literarischen Wertung sein können. Nur lesen wir ja alle gnadenlos subjektiv - und insofern weiß ich nicht, wo der Wert dieser "Objektivität" liegen könnte. Mir ist es zuwider, einen Text zu lesen, der mich als Frau kontinuierlich beleidigt und herabsetzt.

McEwan hat einen zutiefst menschlichen Ansatz, ohne Ansehen des Geschlechts. H. kann daran nicht mal tippen.
Das ist doch auch nur Interpretation. Kann ich so stehenlassen. Aber ich sehe da noch anderes.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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So, nun bin ich auch komplett durch. Das Buch hat mir bis zum Ende sehr gut gefallen, auch wenn mich jetzt nicht jede Szene Überzeugt hat: das große Ganze stimmt.
Die Szene am Fluss z.B. ist eine Lachnummer. Peter ist doch längst von Daphne getrennt und hat eigentlich gar keinen Anspruch auf den letzten Liebesdienst.
Das Treffen bei Alissa: Tauscht man mit über 70 Jahren wirklich die Orte aus, an denen man Sex hatte - zumal wenn man sich Jahrzehnte nicht gesehen hat?
Toll, dass Lawrence auf das Treffen mit seiner Mutter verzichtet hat. Das passt. Roland kommt mir reichlich gutmenschlich vor, wie er den Sohn ständig dazu auffordert. Er hat wirklich eine sensationelle Begabung zum Verzeihen. Hut ab!

Gut gefallen hat mir, wie McEwan die Pandemie in den Roman verwebt, ohne Alarmismus
Das geht mir auch so. Total sachlich hat er die Fakten abgespult. Dabei wurde mir zum ersten Mal richtig deutlich, wie bitter Corona für alleinstehende Menschen gewesen sein muss. Bei uns sind die erwachsenen Kinder ja wieder nach Hause gekommen - was sehr schön war.
Diese Sache mit dem Verstreuen der Asche und dem Kampf darum, ist ja nachgerade mächtig albern.
Ja. Ist sie. Für solche Wünsche fehlt mir auch das Verständnis. Liegt aber wohl auch daran, dass das in Deutschland nicht geht. Auch Asche gehört auf den Friedhof oder aufs Meer, aber immer in Form einer dokumentierten Bestattungszeremonie.
Ich habe ihn gerne begleitet auf seinem ganz normalen unspektakulären Leben und konnte die Entwicklung, die er gemacht hat, honorieren.
Ich auch, räume allerdings ein, dass bei diesem Buch mein Hörbuch, das ich zeitweilig hörte, von Vorteil gewesen ist. Der Vorleser war toll und strahlte eine wunderbare Ruhe aus, so dass manch schöner Satz zum Leuchten gebracht wurde.
Ach, Alissa. So gnadenlos in ihrer literarischen Kunst. Denn so ganz kauf ich ihr ja nicht ab, dass sie gar nicht auf den Gedanken gekommen ist, jemand könnte durch ihr Buch glauben, dass Roland sie misshandelt
Alissa ist ´ne komische Type. Egozentrisch. Aber wenigstens zieht sie es bis zum Ende durch. Hoffentlich vererbt sie ihrem Sohn auch noch was. Das hätte er verdient. Wenn er es nicht will, kann er was Gutes damit stiften.
Das konnte ich SO, so gut verstehen. Irgendwann denkt man sich: Nee, jetzt nicht mehr, jetzt isses zu spä
Konsequent.
Hier bist Du bei der Diskussion durcheinandergekommen. Das betrifft Celeste Ng.
Das beruhigt mich, ich dachte schon, etwas übersprungen zu haben bei meinen Buchwechseln.
Sterben ist ein einsames Geschäft. Es ist vollkommen belanglos, ob jemand an dem Bett sitzt oder nicht.
Einspruch! Das ist absolute Typsache. Es gibt Menschen, die wollen allein sein, es gibt aber auch welche, die wollen die ganze Familie oder einen Herzensmenschen um sich haben. Was für ein Typ man ist, weiß man wahrscheinlich erst, wenn es soweit ist.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
19.473
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Das betrifft alles das "davor". Nachher ist das ja ne innere Angelegenheit, keiner kann da mitgehen, weder psychisch noch physisch.
Das ist ja logisch. Aber du hast gesagt, es sei völlig belanglos, ob jemand am Bett säße oder nicht. Da widerspreche ich, da sagen meine Erfahrungen etwas anderes. Das ist Typsache des Versterbenden. Wie er es sich wünscht.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Sterben ist ein einsames Geschäft. Es ist vollkommen belanglos, ob jemand an dem Bett sitzt oder nicht. Was man braucht, ist vllt ne Krankenschwester. Sonst niemanden.
Brutale These. Glaube ich nicht. Wir sind keine Katzen, die sich zum Sterben zurückziehen. Ich denke (und eine Freundin, die in der Sterbebegleitung tätig ist, bestätigt das), dass wir in der Hinsicht so unterschiedlich sind wie im Leben auch.

Viele sind dankbar für eine gehaltene Hand. Manche verweigern sich bis zum Schluss, wollen den Tod nicht akzeptieren, gehen kämpfend unter und wollen nichts sonst. Das sind die tragischen Fälle.

Vielleicht ist es auch so, dass das Dabeisein in großem Maß für die Überlebenden wichtig ist - für ein bewusstes Abschiednehmen. Viele Angehörige von Corona-Patienten haben sehr darunter gelitten, beim Sterben ihrer alten Eltern nicht dabei sein zu können.
 
Zuletzt bearbeitet:

Literaturhexle

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2. April 2017
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Vielleicht ist es auch so, dass das Dabeisein in großem Maß für die Überlebenden wichtig ist -
Es scheint so ein Brauch zu sein, "dass man sich nochmal verabschieden" muss. Also die Überlebenden meinen das zu müssen. Es ist im Altersheim manchmal kurios, was da in den letzten Lebenstagen für eine große Kohorte anmarschiert - die hast du jahrelang nicht gesehen :rolleyes:
Das ist eine Art von Verabschiedungstourismus, die ans Lächerliche grenzt. Warum habt ihr Oma nicht besucht, als sie noch mit euch lachen und in der Sonne sitzen konnte?!, möchte ich rufen. Aber man ist ja diskret und wundert sich nur. In meinen Augen muss der Sterbende im Mittelpunkt stehen. Wie er es will, wird es gemacht. Dafür würde ich bei meinen Angehörigen immer kämpfen und war diesbezüglich auch schon gefordert.

Viele Angehörige von Corona-Patienten haben sehr darunter gelitten, beim Sterben ihrer alten Eltern nicht dabei sein zu können.
Das ist der Horror! Weil jede Wahlmöglichkeit von vorn herein ausgeschaltet wurde.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
1.803
5.061
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Rückblickend fällt mir auf, dass wirklich alle Frauen in Rolands Umfeld beruflich überdurchschnittlich erfolgreich sind. Warum gerade diese Frauen seinem Charme erliegen?

Das ist mir auch schleierhaft geblieben…

Ja, aber eher den etwas Älteren (Ü40 oder Ü50). Wenn ich an meine Schülerinnen und Schüler denke, alle um die 20, wäre es eher nichts für sie. Ich mag den historischen Hintergrund, weil ich viel davon erlebt habe und einordnen kann.

Okay, dann schiebe ich es auf mein Alter, dass mich der Roman nicht vom Hocker gerissen hat. Das ist mal ein schmeichelhaftes Argument. :D

Tatsächlich könnte da was dran sein, dass es für etwas reifere Leser/innen interessanter ist, Roland durch die Jahrzehnte zu begleiten.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Viele Angehörige von Corona-Patienten haben sehr darunter gelitten, beim Sterben ihrer alten Eltern nicht dabei sein zu können.
Eine Bekannte durfte zu Beginn von Corona ihren verstorbenen Mann nicht einmal nach seinem Tod sehen. Sie leidet bis heute darunter und in schlechten Momenten zweifelt sie, dass er wirklich im Sarg lag.
 
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