6. Leseabschnitt: Elftes bis Zwölftes Kapitel (S. 327 bis 387)

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Alma Mahler-Werfel war natürlich eine schillernde Frau, die polarisierte, aber hier wird sie extrem negativ dargestellt (ab Seite 378). Golo Mann berichtet seiner Mutter, was sich auf der beschwerlichen, gefährlichen Flucht aus Frankreich ereignet hat und tritt für die von allen verachtete Nelly ein. Katia erzählt es Thomas (Seite 385). Nach wie vor lese ich dieses Buch mit Freude und Spannung, denn es enthält immer wieder neue Blickwinkel, Details, die diese für Thomas und Katia Mann schwierigen Jahre sehr eindrücklich beschreiben. Damals als Deutsche in Amerika zu leben war eine wesentlich intensivere politische Gratwanderung, als ich es bisher angenommen habe.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Alma Mahler-Werfel war natürlich eine schillernde Frau, die polarisierte, aber hier wird sie extrem negativ dargestellt (ab Seite 378)
Colm Tóibín hat dasselbe Buch gelesen wie ich


und da kommt Alma garnicht gut weg.
Was aber Tatsache war, das war ihr deutlich gezeigter Antisemitismus, und das, obwohl sie mit jüdischen Männern zusammen war.
Eine schreckliche Frau. Sagt nicht Heinrich Mann im Roman sinngemäß, wenn er mit ihr verheiratet gewesen wäre, dann wäre er schon tot.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Nach wie vor lese ich dieses Buch mit Freude und Spannung, denn es enthält immer wieder neue Blickwinkel, Details, die diese für Thomas und Katia Mann schwierigen Jahre sehr eindrücklich beschreiben.
Ich lese auch noch mit Begeisterung. Obwohl ich wenig Neues erfahren habe, bringt Colm Tóibín die Figuren und diese Zeit ungeheuer plastisch rüber. Es wird zwar manches nur angedeutet und es gibt Zeitsprünge und ( gezwungenermaßen ) Auslassungen, aber aus Bemerkungen und einzelnen Episoden lässt sich vieles schließen.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Was die Freude anbetrifft, diesen Roman zu lesen, kann ich @Circlestones Books Blog und @RuLeka nur zustimmen. Es macht wirklich Spaß, obwohl ich auch vom Leben Thomas Mann weiß, wartet der Roman immer wieder mit Neuem auf, z.B. die dramatische Flucht aus Schweden. Was mich amüsiert, ist die tiefe Abneigung zu Brecht, dessen Werk ich persönlich sehr schätze, sie waren wohl zu unterschiedlich in politischer Hinsicht und auch bzgl. ihrer Lebensweise.
Erika erweist sich als pragmatische Stütze für Thomas, beeindruckend, wie sie ihm eine Sonderbehandlung auf dem Schiff ermöglicht hat.
Dafür setzt er sich für Kollegen und seine Familie ein und bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ihnen zu helfen.
Sein fünfunddreißig Jahren war er während der vier Stunden ins zum Mittagessen in seinem Arbeitszimmer vollkommen ungestört geblieben. (358)
Welch eine Disziplin, bewundernswert - und Borgese stört diese Ruhe, kein Wunder, dass Thomas ihn nicht leiden kann, da Borgese auch noch seine Lieblingstochter heiraten will.
Und wieder soll sich Mann politisch äußern, dieses Mal soll er Amerika zum Kriegseintritt auffordern.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Die Flucht aus Schweden ist einerseits dramatisch, andererseits sind die Manns an Privilegien gewöhnt und versuchen überall in gewohnter Weise mit "Bakschisch" Vorteile zu erlangen. Die Passage, wie sich Thomas über diesen Punkt Gedanken macht - als er sich ausmalt, wie er in seine Opernhausloge ging, um Wagner zu hören, während das gemeine Volk (einschließlich Hitler, denkt er sich) draußen bleiben und warten muss, fand ich sehr interessant.

Ich habe eben mal nachgeschaut, was "mollycoddled" heißt, das Wort hatte ich noch nie gehört. Also, es heißt "verhätschelt" (kann man sich aus dem Zusammenhang auch denken). Wieder was gelernt.
"Lotte in Weimar" werde ich nun auch noch lesen müssen ... :oops: Im Grunde müsste dieses Buch zusammen mit einer Mann-Bibliothek verkauft werden, einschließlich natürlich der dafür benötigten Lesezeit.
 

Wandablue

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und ich. Oliver Hilmes ist ein grandioser Biograf. Jedes Buch von ihm kann ich nur wärmstens empfehlen. Er nimmt den Nimbus der Langweile, der Biografien anhaftet, weg und zerschmettert ihn :capone:capone:capone:pistole:capone:pistole:capone haha, ich krieg die Smilies hin, aber nicht mehr weg. Egal. Die Langeweile von Biografien ist zerschossen.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
und ich. Oliver Hilmes ist ein grandioser Biograf. Jedes Buch von ihm kann ich nur wärmstens empfehlen. Er nimmt den Nimbus der Langweile, der Biografien anhaftet, weg und zerschmettert ihn :capone:capone:capone:pistole:capone:pistole:capone haha, ich krieg die Smilies hin, aber nicht mehr weg. Egal. Die Langeweile von Biografien ist zerschossen.
Das liegt hier auch noch, habe ich auf eure Empfehlung gekauft und noch nicht gelesen. Ich werde ab sofort den Nachtschlaf zugunsten von Lesen abschaffen. :capone
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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In diesem Abschnitt geht es um tragische Fluchten. Man fragt sich, warum die Manns den sicheren Kontinent wieder verlassen haben, um den Kriegsbeginn in Schweden erleben zu müssen.
Aufgefallen ist mir erneut der eklatante Standesdünkel der Manns. Katia droht mit dem König von Schweden. Auch und gerade die Antifaschistin und Weltverbesserin Erika scheut sich nicht zu lügen, Krankheit vorzutäuschen und zu drängeln, um sich selbst und ihre Eltern auf den rettenden Dampfer zu schleusen...
Den Damen Mann sind zudem materielle Dinge sehr wichtig. Das Gepäck konnte "unverständlicherweise" nicht mit auf die Flucht genommen werden - da wird Krawall geschlagen und versucht, das Hotelpersonal zu bestechen. So wirklich angenehm und pflegeleicht sind die Manns nicht. Sie ruhen sich auf ihrem Ruhm aus und erwarten eine Extrabehandlung. Und seien die Zeiten noch so schwierig: Egoismus pur.

Neben diesen Fluchtgeschichten erfährt man auch viel allzu Menschliches. Es geht um Sympathien und Antipathien. Es gibt allerlei humorvolle Szenen im Familienkreis. Sei es Borgese, der den König beim Schreiben stört oder Nelly, die sich wie eine Bardame aufführt und anderes mehr. Es geht zu wie in anderen Familien auch, in denen es knirscht im Gebälk. Allerdings scheint es mit der Menschenkenntnis nicht immer so weit her zu sein. So verschätzt sich Thomas in der Person Agnes Meyer, die ihm viel besser zugehört hat als gedacht und hilft, die Familie zu überführen, oder sei es bei der zweifellos peinlichen Nelly, die augenscheinlich ein großes Herz besitzt und Heinrich auch in schlechten Zeiten beisteht. Vor lauter Geltungsschwere haben die Manns verlernt, hinter die Fassade zu schauen und bringen einer Alma Mahler-Werfel eine Hochachtung entgegen, die diese auch nicht verdient. (Allerdings lebt sie in derselben Ruhmesblase wie Familie Mann).

Unnötig war wieder der homoerotische Besuch im Plattenladen. Ich habe die Intention des Autors nun begriffen;)
 

Literaturhexle

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Außerdem stört ihn sein Alter. Dass seine junge geliebte Tochter sich zu so einem alten Mann hingezogen fühlt, gefällt ihm garnicht.
Also ich glaube, da hätte doch jeder Vater (und jede Mutter) ihre Schwierigkeiten. Man kennt doch die eigenen Malaisen des Alters. 34 Jahre Unterschied sind kein Pappenstiel. Im Großen und Ganzen trägt Thomas Mann das doch sehr gelassen - obwohl der Borgese nicht einmal mag.
 

Die Häsin

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Die Geschichte übe Werfels Flucht hat Erinnerungen bei mir ausgelöst. Franz Werfel musste, wie erwähnt, zu Fuß über die Pyrenäen fliehen und hat damals ein Gelöbnis getan, einen Roman über die heilige Bernadette von Lourdes zu schreiben, wenn die Flucht gelänge. Dieses Buch hat er tatsächlich geschrieben. Vor dreißig Jahren oder so habe ich es mal gelesen. Verglichen mit anderen Romanen Werfels finde ich es ein bisschen langweilig.
Interessant fand ich die Sache mit der Aktentasche, in der die Partitur einer Bruckner-Sinfonie stecken sollte. Ich weiß nicht, ob im weiteren Verlauf diese Tasche nochmal zur Sprache kommt, vielleicht findet sich auch in dem Buch über Alma Mahler-Werfel was darüber. Ich bin ziemlich sicher, in einem Pyrenäen-Reiseführer mal was von einer Aktentasche mit immens wertvollen Papieren gelesen zu haben, die irgendwo in den Pyrenäen verloren gegangen sein soll. Was die Tasche enthielt, weiß ich nicht mehr, aber es hieß, dass lange nach ihr gesucht worden sei, sie aber nicht gefunden wurde; man solle also (hieß es im Scherz) beim Wandern in den Pyrenäen immer ein bisschen Ausschau halten.
 

Wandablue

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Die Flucht aus Deutschland und Umgebung (Frankreich, wo auch immer) geht nicht ohne Widrigkeiten ab. Besonders schlimm trifft es Monika, deren Schiff City of Benares torpediert wird und sinkt. Ihr Mann ertrinkt, sie wird gerettet. Was für eine traumatische Erfahrung! So etwas vergisst man ein Leben lang nicht.

Andere Flüchtlinge, darunter viele Promis, müssen ebenfalls fliehen und einige/viele schaffen es tatsächlich in die Staaten. Was wird aus den Verwöhnten und Verzogenen, den Anspruchsstellenden A und B Promis werden? Ich hoffe, sie werden etwas zurechtgestutzt.

Die Mannfamilie ist eine privilegierte Familie, weil sie zur Oberklasse gehört. Und trotzdem wird sie nicht vom Unglück verschont. Da ist jede Menge Unwägbarkeit und Gefahr und Unglück. Aber im Großen und Ganzen kommen sie bis jetzt immer noch mit einem blauen Auge davon.

Die Szenen im Plattenladen etc. und in den Straßen von N.Y. wo Thomas Mann angeblich wieder nichts anderes zu tun hat, als auf Männerbeine zu starren (oder sonstwohin) halte ich nach wie vor für abwegig. Das gibt auf jeden Fall Punktabzug.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Den Damen Mann sind zudem materielle Dinge sehr wichtig. Das Gepäck konnte "unverständlicherweise" nicht mit auf die Flucht genommen werden - da wird Krawall geschlagen und versucht, das Hotelpersonal zu bestechen. So wirklich angenehm und pflegeleicht sind die Manns nicht. Sie ruhen sich auf ihrem Ruhm aus und erwarten eine Extrabehandlung. Und seien die Zeiten noch so schwierig: Egoismus pur.
Allerdings weiß Katja sehr wohl , dass sie privilegiert sind. „Wir sind die, die Glück gehabt haben….So sieht Glück aus.“

Viele versuchen Thomas Mann als Vermittler zu gewinnen, doch so viel Einfluss hat er tatsächlich nicht.

Agnes Meyer hilft den Manns, wo sie kann. Aber sie gibt ihnen auch genaue Instruktionen, was von ihnen verlangt wird und worüber sie schweigen müssen.
Man sieht hier auch, wie Politik funktioniert. Roosevelt kandidiert wieder für das Präsidentenamt. Da kann er keine Reden über einen möglichen Krieg gebrauchen. Das Land ist noch nicht bereit dafür.

Befremdlich war für mich die Begrüßungsszene . Alle umarmen sich oder begrüßen sich per Handschlag, nur Golo steht abseits. Für mich wäre mein Sohn der wichtigste Mensch hier, vor Bruder, Schwägerin und der unsäglichen Alma. Es dauert lange, bis Thomas seinen Sohn umarmt.
Erst beim Abendessen macht er sich Gedanken über ihn: Golo, „ der Rücksichtsvolle“, „ der pflichtbewusste Sohn“, derjenige, der sich um Michael und Monika, die beiden vernachlässigten Kinder, kümmert.
Beeindruckend, wie Golo seine Eltern zurechtweist. Sie tadelt, weil sie der schamlosen Antisemitin Alma hofieren und Nelly ihre Abneigung spüren lassen. Er will nicht “ den Snobismus, der unser Leben in München so vergiftete“ ins Exil mitschleppen.
Andere Flüchtlinge, darunter viele Promis, müssen ebenfalls fliehen und einige/viele schaffen es tatsächlich in die Staaten. Was wird aus den Verwöhnten und Verzogenen, den Anspruchsstellenden A und B Promis werden? Ich hoffe, sie werden etwas zurechtgestutzt.
Ich glaube, dass auch für die privilegierten Flüchtlinge eine Flucht ins Exil sehr belastend ist. Keiner verlässt gern seine Heimat , weil er muss. Natürlich hatten sie Glück. Viele entgingen dadurch der Inhaftierung oder dem Tod, trotzdem war die Flucht nicht einfach und nicht jedem gelang ein Neuanfang im Exil. Das hat viele „ zurechtgestutzt“.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Und wieder soll sich Mann politisch äußern, dieses Mal soll er Amerika zum Kriegseintritt auffordern
Dies ist ein Aspekt der mich sehr verwundert hat. Ich habe nicht gedacht, dass die Amerikaner soviel Wert auf die Unterstützung eines Deutschen legen würden, auch wenn er politisch gesehen das richtige will
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ein bewegender Abschnitt. Die Flucht aus Schweden, der Tod des Schwiegersohnes, die beschwerliche Flucht ist Heinrich, doch die Manns schaffen es trotzdem immer irgendwie mehr oder weniger unbeschadet hervorzugehen. Monikas. Erhalten ist bedenklich, sie hat wohl noch arg am erlebten zu knabbern. Und Klaus? Was ist mit Klaus?