6. Inhaftierung und Fazit

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Puh. Hätte nicht gedacht, dass Millar so glimpflich davon kommt. Auch wenn ihm der eigentliche Raub nicht nachgewiesen werden konnte, habe ich nicht mit diesem Verlauf gerechnet. Tony, sein Anwalt, schien ja von Anfang an überzeugt, dass er Sam rausboxt. Liegt es an den Erfahrungen die Sam mit dem irischen Gefängnis gemacht hat? Auch die Gerichtsverhandlung in den Staaten läuft anders ab, als er es in seiner Heimat erlebt hat.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es hat mir wirklich die Augen geöffnet, und dafür bin ich dankbar. Millar hat durch dieses Buch ein klein wenig Gerechtigkeit auf seine Seite geholt. Sicherlich wird trotzdem nun niemand zur Verantwortung gezogen, aber ich denke, dass Wissen vieler über die Wahrheit trägt dazu bei, dass zumindest die Menschen sich dementsprechend äußern. Es wird weitererzählt, und hoffentlich gibt es durch True Crime bald nicht mehr so viele Unwissende, wie ich es vor diesem Buch war. Von daher sollten viele dieses Buch lesen.
 
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Tiram

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Mein Fazit: Sam Millar hat eine tolle Art zu schreiben. Deshalb habe ich mir schon seine Kane-Reihe besorgt und bin sehr gespannt drauf.
Eine Arbeitskollegin hat mir erzählt, dass damals der Nordirlandkonflikt laufend in den hiesigen Nachrichten war. Das habe ich nicht so mitbekommen, jedenfalls habe ich das nicht mehr im Gedächtnis.
Aber es wusste wohl niemand, wie man mit den Gefangenen umgesprungen ist.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sam Millar zwei Bücher geschrieben hätte. Ein politisches Buch, in dem er auch ein bisschen mehr vom Konflikt selbst erzählt hätte.
Und als Krimi den Teil in Amerika. Dieser Wechsel war mir einfach zu abrupt.
 

Querleserin

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Mir geht es wie Tiram. Ich werde mir auf jeden Fall die Kane-Reihe anschauen. Ich fand den Erzählstil trotz der großen Distanz, die er aufgebaut hat, sehr ansprechend. Der teilweise schwarze Humor und Sarkasmus haben es überhaupt ermöglicht über die Inhaftierung zu lesen.
Was mir aber fehlt, und das ist ja schon mehrfach in der Diskussion angeklungen, ist eine Verbindung der beiden Teile. Es ist so, als sei Nordirland in den USA plötzlich in den Hintergrund gerückt. Das war sicherlich nicht so, aber als Leser entsteht der Eindruck, so dass die beiden Teile nebeneinander stehen. Erst am Ende nimmt er ja wieder explizit Stellung zu den Wächtern und deren "Nichtbestrafung". Bin gespannt auf die Antworten zu unseren Fragen.
 
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Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Ich hätte mir gewünscht, dass Sam Millar zwei Bücher geschrieben hätte. Ein politisches Buch, in dem er auch ein bisschen mehr vom Konflikt selbst erzählt hätte.
Und als Krimi den Teil in Amerika. Dieser Wechsel war mir einfach zu abrupt.
Ich glaube das geht einigen von uns so, @Tiram . Wichtig ist, dass diese Zustände in Long Kesh einmal dokumentiert wurden und durch die Verbreitung von "True Crime" nun einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind. Vermutlich wäre das nicht geschehen, wenn er "nur" über die Zeit in Irland berichtet hätte.

Was das Buch schließlich bekannt machte war der Überfall auf Brinks, einer der größten Raubüberfälle in der US-Geschichte. Leute lieben Sensationen und Superlative interessieren sie in der Regel mehr als Einzelschicksale. Vielleicht konnte Long Kesh nur im Windschatten von Brinks bekannt werden?

Eine zweite Sache, die mir im Nachhinein durch den Kopf spukt, ist die Feindseligkeit der Protestanten und Katholiken untereinander. Das war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst. Ich habe den Nordirland-Konflikt bislang immer hauptsächlich als ERgebnis eines politisches Vollversagens verstanden, aber das ist es ja nicht. Interessant für mich wäre noch die Frage an Sam, ob der gegenseitige Hass immer noch so stark ist wie damals, oder ob die Vernunft ein wenig Land gewonnen hat.
 

Renie

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Da sind wir uns ja alle einig. Ich hatte auch den Eindruck, 3 Bücher gelesen zu haben. (Nordirland, Brinks und der Prozess). Jedes Buch war für sich klasse, unterschied sich aber deutlich von den anderen.
Sam's Schreibstil ist schon bemerkenswert. Wie du bereits geschrieben hast, @Querleserin , wenn sein Sarkasmus und der Galgenhumor nicht zwischendurch durchgeblitzt hätte, wäre vieles gar nicht auszuhalten gewesen - sowohl für den Leser als auch für Sam selbst, als er inhaftiert war.

Habt ihr eigentlich auch ein bisschen Schadenfreude für den Anwalt Tony empfunden? Er kam während der Prozessvorbereitung so großkotzig und selbstherrlich rüber. Insofern musste ich über seinen Werdegang schmunzeln.
 
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Querleserin

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@Renie: Ich habe Schadenfreude empfunden, dass Tony jetzt die andere Seite der vergitterten Fenster sieht. Allerdings hat er auch sein Bestes gegeben, um Sam herauszureißen.
Ich habe gestern zufällig mit einem Freund gesprochen, der einige Nordiren kennt, sowohl Protestanten als auch Katholiken, und er hat bestätigt, dass die konfessionelle Zugehörigkeit bis heute eine große Rolle spielt. Dass Belfast immer noch in Straßenzüge unterteilt sei und die Bevölkerung weiterhin gespalten. Das ist wirklich erschreckend, v.a. weil es völlig aus unserem Bewusstsein verschwunden ist.
 

Helmut Pöll

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Mit am meisten an "True Crime" hat mich die Beschreibung des Prozesses beeindruckt. Die Bilder liefen wie in einem Hollywood-Film vor meinem inneren Auge ab. Und ich empfand grosse Hochachtung vor der amerikanischen Justiz, so viele absurde Geschichten uns auch ansonsten an die Ohren dringen. Aber hier hatte man den Eindruck, dass wirklich um Gerechtigkeit gerungen wurde.

Klar konnte man die Täter nicht überführen. Aber der Richter, der von der Schuld der Angeklagten überzeugt war, liess Teile der Anklage mit Hinweis auf die Verfassung fallen, weil er nicht Gefahr laufen wollte mangels Beweisen eventuell einen Unschuldigen zu verdonnern. Das fand ich beeindruckend und dann fiel mir sofort als abschreckendes Gegenbeispiel der Fall des bayerischen Herrn Mollath ein, der sieben Jahre unschuldig in der Psychiatrie sass und von den Gerichten wohl auch zeitlebens weggesperrt worden wäre, wenn der Druck der Süddeutschen Zeitung und der Öffentlichkeit nicht übermächtig gewesen wäre.
 

Renie

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So, ich habe gerade meine Rezi in die Welt hinausgeschickt. Bei WR findet Ihr sie hier:

Herzlichen Dank an alle, insbesondere Sam Millar, für eine unvergessliche Leserunde. Ich kann mich nicht erinneren, wann das letzte Mal soviele an einer Leserunde teilgenommen haben und sich auch so rege beteiligt haben. Es hat Spaß gemacht und war sehr beeindruckend. Wir hören voneinander. :)
Liebe Grüße
Renie

@Sam Millar
I've just published my critique. On Whatchareadin you can find it if you follow the link mentionned above.
Many thanks to all, especially to you, Sam, for an unforgettably reading event. I cannot remember when it was the last time we had so many readers participating in such an event. It was real fun and very impressive. I wish you all the best,

Regards, Renie

Und natürlich danke an @Sebastian , der den Kontakt zu Sam hergestellt hat und ohne den diese Leserunde wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte. Nicht zu vergessen: seine hervorragenden Übersetzungskünste;) Ich weiß, es war ein enormer Aufwand für dich, aber ich hoffe, du hattest trotzdem Spaß dabei.

And of course, many thanks to Sebastian, who made the contact to Sam. Without Sebastian this reading event wouldn't happen. Not to forget his marvellous translations. I hope that it was fun for you as well despite the enormous effort you expended.
 

Tiram

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Ich kann mich Renie eigentlich nur anschließen. Ohne diese Runde hätte ich mir das Buch nicht gekauft.
Im Laufe des Jahres werde ich es noch einmal lesen und dann auch meine Rezi dazu abliefern. Dann hole ich es noch einmal in Erinnerung.

Auch von mir einen persönlichen Dank an @Sam Millar für den netten Online-Kontakt und an @Sebastian fürs Übersetzen. Ich wäre sonst aufgeschmissen gewesen.
 

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Mein Dank gilt v.a. @Sebastian, der gemeinsam mit whatchareadin diese Leserunde ermöglicht und @Sam Millar, der unsere Fragen beantwortet hat. Da es meine erste war, habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten, aber ich fand es sehr interessant, die Meinungen anderer und Sam Millars Antworten zu lesen. Mir hat es sehr viel Freude gemacht- trotz der ernsten Thematik.
Werde auch im Laufe der Woche eine Rezension schreiben und den Roman wärmstens weiter empfehlen.
 

Sassenach123

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Bin ja auch noch nicht lange dabei, aber mir hat es auch sehr gut gefallen. Hoffentlich kommt bald eine neue Leserunde zustande. Wenn das Thema mich anspricht und die Zeit es zulässt, wäre ich gerne wieder mit dabei.
Da alles in diesem Fall mit viel Arbeit verbunden war, geht mein Dank natürlich auch an @Sebastian. Und @Sam Millar für die Teilnahme hier an der Runde, und die Tatsache, dass er dieses tolle Buch geschrieben hat.
 

Sebastian

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18. April 2014
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"Ich möchte jedem einzelnen von euch danken. Es ist sehr nett, dass ihr euch die Zeit genommen habt, True Crime zu lesen. Es war faszinierend. Ein großes Danke schön auch an Sebastian. Es tut mir leid, dass ich nicht jede Frage beantworten konnte. Es war eine lehrreiche Erfahrung für mich." (Sam)

Was nun mich persönlich betrifft, so viel habe ich ja nun gar nicht gemacht. Es hat mir großen Spaß gemacht, der Leserunde zu folgen und natürlich auch Sams Antworten auf eure tollen Fragen (die mir für das Interview ja nicht eingefallen sind ;) ) zu lesen.
 

Helmut Pöll

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"Ich möchte jedem einzelnen von euch danken. Es ist sehr nett, dass ihr euch die Zeit genommen habt, True Crime zu lesen. Es war faszinierend. Ein großes Danke schön auch an Sebastian. Es tut mir leid, dass ich nicht jede Frage beantworten konnte. Es war eine lehrreiche Erfahrung für mich." (Sam)

Was nun mich persönlich betrifft, so viel habe ich ja nun gar nicht gemacht. Es hat mir großen Spaß gemacht, der Leserunde zu folgen und natürlich auch Sams Antworten auf eure tollen Fragen (die mir für das Interview ja nicht eingefallen sind ;) ) zu lesen.
Das finde ich schon, @Sebastian . Ohne Dich hätte diese Leserunde in dieser Form nicht stattfinden können. Vielen Dank dafür und natürlich auch an Sam, dass er sich Zeit für die Antworten genommen hat.
 

parden

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13. April 2014
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Auch ich möchte mich zunächst einmal bei Sam und Sebastian bedanken für die Möglichkeit, dieses interessante Buch lesen zu können. Es war auch spannend, der Leserunde ein wenig hinterherzuhinken und alle Meinungen geballt präsentiert zu bekommen und sie mit den eigenen Eindrücken zu vergleichen. Hat mir in jedem Fall Spaß gemacht! :)
 

parden

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13. April 2014
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Abschließend meine Meinung: ich gehe nicht davon ab, hier zwei vollkommen verschiedene Bücher gelesen zu haben - zwei Episoden, die vermeintlich überhaupt nicht miteinander im Zusammenhang stehen, und außer der Tatsache, dass man den 'irischen Sturkopf' nie leugnen konnte, hätten es zwei vollkommen verschiedene Leute sein können, die in die Ereignisse verstrickt sind.

Ich bin ganz ehrlich: den ersten Teil (Irland) fand ich herausragend, spannend, unsagbar, da habe ich mitgefühlt und -gelitten und war dankbar für die Art des Schreibens: fast sachlich, aber durchsetzt von viel Humor und Sarkasmus, was auch das Unerträgliche erträglicher machte. Den zweiten Teil dagegen - ich kann mir nicht helfen - den hätte es für mich ehrlich gesagt nicht gebraucht. Da fand ich die Person 'Sam' nicht wirklich wieder, die Geschehnisse waren oft zu sehr auseinandergerissen, mir fehlten Informationen, manche Fragezeichen haben sich bis zum Schluss auch nicht aufgelöst.

Gab es nie einen Weg aus der Illegalität heraus? Diese Frage beschäftigte mich im gesamten zweiten Teil. In Irland habe ich nachvollziehen können, dass Sam da, wo er nun einmal aufwuchs, kaum in der Lage war, eine neutrale Position einzunehmen und zwangsläufig sich der Sache 'Irlands' annehmen musste, wobei oftmals eher 'Rache' als das eigentliche 'politische Ziel' die Antriebsfeder schien, zumindest bei Sam. Aber, wie gesagt, das alles war für mich in der Entwicklung nachvollziehbar. Dann aber die USA - Einwanderung mit falschen Papieren, illegales Casino, der Überfall... Abgesehen davon, dass ich immer noch glaube, dass der Schritt nach Amerika Sam womöglich das Leben gerettet hat (in Irland wäre er bestimmt weiter in den Kreislauf des Krieges eingestiegen): was war der Motor für all die anderen Entscheidungen? Die Gelegenheit? So richtig plausibel ist mir das bis zum Schluss nicht geworden.

Abgesehen davon hatte ich, sorry, ständig den Film 'Das große Dings bei Brinks' vor Augen, eine Krimikomödie, die allerdings den Raubüberfall von 1950 auf das Geldtransportunternehmen Brink's in Boston aufgreift. Trotzdem spukte mir dieser Film die ganze Zeit durch den Kopf, und so nahm ich irgendwie auch die Buchhandlung nicht mehr ganz ernst - zumal der Überfall, nochmals sorry, dermaßen dilettantisch ausgeführt wurde, dass man nur staunen kann, dass nicht mehr schief ging. Die Art der Gerichtsverhandlung reihte sich dann in dieses Empfinden ein - trotz des riesigen Aufwands (personell wie finanziell) wurden letztlich die meisten Anklagepunkte fallengelassen (kann man so sehen, wie @Helmut Pöll - ich fand die Angelegenheit eher peinlich, auch wenn man vielleicht mit Sam sympathisieren mag).

Vielleicht hat @Helmut Pöll recht, dass sich der erste Teil nicht ohne den zweiten verkauft hätte. Das fände ich dann allerdings sehr armselig, denn der erste Teil gehört für mich zu den authentischsten Autobiografien, die ich je gelesen habe. Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte ist hier aus erster Hand dokumentiert worden, und zwar abseits der offiziellen und deutlich anderen Version der Briten. Das wäre für mich ein Grund, über Preisverleihungen nachzudenken. Nicht jedoch der zweite Teil, dessen Entwicklung für mich auch mit fragwürdigen individuellen Entscheidungen zusammenhing.

Insgesamt jedoch war es eine interessante Lektüre, die es nun zu verarbeiten gilt. Besten Dank dafür noch einmal...