5. Leseabschnitt: Teil VI und VII (Seite 195 bis Ende)

Irisblatt

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Aufgemerkt habe ich beim Hinweis, dass Bobby Angst vor Tiefen hat, er im Passagier aber als Tiefsee Rettungstaucher aktiv ist. Kurios!
Sehr kurios. Aber auch im Passagier wird auf diese Tiefenangst verwiesen - ich glaube sogar, dass Bobby selbst während seiner Arbeit als Tiefseetaucher davon berichtet. Aber inzwischen habe ich meine ganz eigene Theorie zum Passagier (s. Spoiler in einem der vorangegangenen Leseabschnitte)
 
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Irisblatt

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Vielleicht ist Alicia kurz etwas gelungen, was kaum jemand schafft: sie hat einen Blick auf ihr Unbewusstes erhascht, die Wächter und sich selbst damit erschreckt. Dieser Blick ist nicht vorgesehen- das Unbewusste bestimmt, welche Informationen (verschlüsselt) ins Bewusstsein treten. Der Schock war auf allen Seiten gewaltig und deshalb musste irgendwann der Zwerg und seine Horte ran.
Alles nur vielleicht - ich weiß es nicht :think
Archetron - tron bedeutet Werkzeug. Alicia hat einen Blick in die Arbeitsweise/das Werkzeug ihres Unbewussten geworfen. Weit hergeholt oder möglich?
 
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Literaturhexle

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Archetron - tron bedeutet Werkzeug. Alicia hat einen Blick in die Arbeitsweise/das Werkzeug Ihres Unbewussten geworfen. Weit hergeholt oder möglich?
Möglich. Ich bin in psychischen Gefilden nicht bewandert. Für mich ist dieser Archetron eine höchst beängstigende Figur. Von solchen Träumen/Vorstellungen will kein Mensch heimgesucht werden. Warum hat Alicia solche Wahrnehmungen? Sie müssen ja aus dem Unterbewussten kommen... Sie fühlen sich für sie sehr real an, das ist das Schlimme.
 
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Möglich. Ich bin in psychischen Gefilden nicht bewandert. Für mich ist dieser Archetron eine höchst beängstigende Figur. Von solchen Träumen/Vorstellungen will kein Mensch heimgesucht werden. Warum hat Alicia solche Wahrnehmungen? Sie müssen ja aus dem Unterbewussten kommen... Sie fühlen sich für sie sehr real an, das ist das Schlimme.
Ich bin da auch nicht bewandert. Wenn ich mir aber vorstelle, dass dort unsere Instinkte sitzen und die wichtigste Aufgabe dieser Hirnregion das Überleben ist, dann sammeln sich dort auch Traumata (eigene und vererbte), Urängste, Verdrängtes. Das kann schon sehr gewaltig und beängstigend sein.
 

alasca

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Wenn ich mir aber vorstelle, dass dort unsere Instinkte sitzen und die wichtigste Aufgabe dieser Hirnregion das Überleben ist, dann sammeln sich dort auch Traumata (eigene und vererbte), Urängste, Verdrängtes. Das kann schon sehr gewaltig und beängstigend sein.
Es ist keine Hirnregion. Das Unbewusste kann man physisch nicht verorten.
 

alasca

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Könnte der Zwerg eine Manifestation von Alicias Unbewussten sein?
Es könnte sich aber auch schlicht um Fehlfunktionen des Hirns handeln - die können die skurrilsten Formen annehmen, wie man in den Büchern von Oliver Sacks nachlesen kann, aber auch in Richard Powers "Das Echo der Erinnerung".

Glaube aber nicht, dass McCarthy das so meint.
 

Irisblatt

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Es könnte sich aber auch schlicht um Fehlfunktionen des Hirns handeln - die können die skurrilsten Formen annehmen, wie man in den Büchern von Oliver Sacks nachlesen kann, aber auch in Richard Powers "Das Echo der Erinnerung".

Glaube aber nicht, dass McCarthy das so meint.
Bezieht sich dein letzter Satz auf die Fehlfunktion des Hirns?
 
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Irisblatt

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Es könnte sich aber auch schlicht um Fehlfunktionen des Hirns handeln - die können die skurrilsten Formen annehmen, wie man in den Büchern von Oliver Sacks nachlesen kann, aber auch in Richard Powers "Das Echo der Erinnerung".

Glaube aber nicht, dass McCarthy das so meint.
Ich denke auch, dass McCarthy keine Fehlfunktion im Sinn hatte. Es handelt sich auch nicht um "übliche" Halluzinationen, die Alicia hat - es wurde mehr als einmal im Text erwähnt, dass so eine Deutung nicht passen würde.
 

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Ich habe gerade noch einmal die ersten 20 Seiten des Passagiers gelesen. Es spricht alles für deine These, dass sie Stella Maris als ihre letzte Station aufsuchen möchte. Der Zwerg versucht sie noch abzuhalten.
Wenn der Zwerg eine ihre Halluzinationen ist, macht es Sinn, denn vielleicht keimt in Alicia noch ein Zweifel, und sie will sich selbst, durch den Zwerg, von diesem Schritt abhalten
Archetron - tron bedeutet Werkzeug. Alicia hat einen Blick in die Arbeitsweise/das Werkzeug ihres Unbewussten geworfen. Weit hergeholt oder möglich?
Ich finde es nicht weit hergeholt, im Gegenteil
Möchte denn niemand über den Zwerg reden? Welche Ideen habt ihr?
Ich finde den Zwerg faszInserent und werde wegen ihm den Passagier definitiv noch lesen. Er wirkt auf mich fast wie ein Alter Ego. Alicia scheint im Unterbewussten durchaus Einfluss auf ihn zu haben, oder anders gesagt, er wird von ihren Gedanken gesteuert, auch wenn es ihr gar nicht bewusst wird.
 

Sassenach123

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Selbstmord, macht Sinn. Doch diesen Weg hätte sie einfacher haben können. Geht es ihr tatsächlich nur darum sich vorher alles von der Seele zu reden?!
Was ich nicht verstehe ist, wie sie es am Ende umsetzt. Wartet sie bis sie entlassen wird? Oder darf sie gehen wann sie möchte, weil sie sich selbst eingewiesen hat, und der Arzt nichts weiter angeordnet hat? Ihm ist ihre Suizudneigung ja durchaus bewusst, doch er lässt ihr am Ende freie Hand, spricht das Thema zwar an, aber lässt dann auf sich beruhen. In Deutschland hätte er in so einem Fall sicher die Möglichkeit dies richterlich zu erwirken. Ist dies schriftstellerische Freiheit, oder läuft dies gar in den Staaten anders?
 
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Selbstmord, macht Sinn. Doch diesen Weg hätte sie einfacher haben können. Geht es ihr tatsächlich nur darum sich vorher alles von der Seele zu reden?!
Gute Frage, auf die ich gerade keine Antwort habe.
Was ich nicht verstehe ist, wie sie es am Ende umsetzt.
Das erfährst du auf den ersten Seiten im Passagier - nicht die genauen Details, aber wie sie gestorben ist bzw. wie/wo sie gefunden wird.
 

Irisblatt

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Ich finde den Zwerg faszInserent und werde wegen ihm den Passagier definitiv noch lesen.
Mach' mal, dann können wir uns - falls du Lust hast - hier noch austauschen.
Alicia scheint im Unterbewussten durchaus Einfluss auf ihn zu haben, oder anders gesagt, er wird von ihren Gedanken gesteuert, auch wenn es ihr gar nicht bewusst wird.
Ich hatte eher den Eindruck, dass sie überhaupt keinen Einfluss auf sein Erscheinen, Reden und Handeln hat. Sie ignoriert ihn manchmal, weil er nicht weggeht. Aber wenn er tatsächlich ihrem Unbewussten entspringt, dann ist es nur logisch, dass er nicht auf ihre Wünsche reagiert. Wir können unserem Körper auch nicht befehlen, nicht mehr zu verdauen oder die Atmung einzustellen - lediglich Luft anhalten funktioniert, aber in dem Moment, wo wir ohnmächtig werden, geht die Atmung weiter.
 

GAIA

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Ich werde gleich in die Diskussion einsteigen, die ich eben kurz überflogen habe. Kurz zum eigenen Eindruck und Vermutungen:

Die Konversation ging nun fast "glatt" zwischen den beiden über die Bühne, trotzdem wissen wir aus dem Passagier, dass Alicia sich das Leben nehmen wird. Der Psychiater hat ihr mit seinen Gesprächen also nicht helfen können. Weiterhin war es für mich aber fast ausschließlich die Zurschaustellung von McCarthys Wissen bzw. ein mathematisches name dropping. Ich konnte den Ausführungen so einigermaßen folgen, was die speziellen kleinen Schnipsel angeht, aber im Großen und Ganzen, was uns nun der Roman sagen möchte, tappe ich im Dunkeln.

Nun noch ein paar Überlegungen, die oben schon angerissen wurden, die aber Vorwissen aus "Der Passagier" benötigen. (Ich setze das nicht als Spoiler, weil ich eigentlich nur Infos nutze, die aus dem Verlagstext zu "Der Passagier" bekannt sind. Trotzdem hier eine Warnung deshalb.)
Grundsätzlich finde ich jetzt nach Abschluss der Lektüre, dass meine These bestätigt wurde: Der Autor hat nicht ohne Grund die Bücher in dieser Reihenfolge veröffentlicht und ich finde es sinnvoll "Der Passagier" zuvor gelesen zu haben, um weitere Interpretationen bezüglich der geschilderten Situationen usw. zu ermöglichen. Ich habe nue eine nicht spoilerfreie ausführliche Kritik von "Der Passagier" gehört und beziehe mein Wissen von dort. Deshalb: Nagelt mich nicht auf Details fest! ;)
Wenn man schon von vorherein weiß, dass Alicia sich umgebracht haben wird, weil das aus Bobbys Geschichte zehn Jahre später hervorgeht, kann man das Ende von "Stella Maris" besser verstehen. Das Wissen aus beiden impliziert aber noch etwas anderes: Alicia war in Italien; Bobby hatte einen Formel-2-Unfall und lag zu der Zeit im Koma; sie hat es nicht übers Herz gebracht, die Maschinen abschalten zu lassen und ist abgereist in dem Gedanken, dass er so gut wie tot ist. Im Stella Maris angekommen lesen wir nun die Gespräche mit dem Psychiater und wissen nachträglich, dass sie sich umbringen wird. Für mich ist das eine Shakespeare'sches Drama. Denn da sind zwei Liebende, die nicht zusammen sein dürfen (in diesem Falle, weil sie leibliche Bruder und Schwester sind). Zwischen denen es lediglich einen, oder vielmehr zwei, Küsse gab. In Italien (!) kommt alles zusammen. Sie denkt, er sei quasi tot, sie bringt sich später um. Er ist aber nicht tot, erwacht wieder und dann ist die Liebe seines Lebens tatsächlich tot, weil sie sich umbrachte, ohne zu wissen, dass er wieder aufwachen würde. "Romeo und Julia" lässt grüßen, oder? Was denkt ihr dazu?