Es hat endlich etwas "gemenschelt", das hatte mir tatsächlich die ganze Zeit über gefehlt. Dieser Roman setzt ja fast auf dauerhaften Emotions-Entzug beim Leser, zum Glück wird dieser durch die geschilderte Liebe zum Bruder (Alicia hat Gefühle!) und den tatsächliche sehr gelungenen Schluss beendet. Das Ende fand ich in der Tat großartig, die Umkehrung der Rollen bzw. die Rückerlangung der eigentlichen Rollenverteilung, wenn der Psychiater darauf hinweist, dass die Zeit um ist und dann der rührende Moment, dass eine hochbegabte, sich allen geistig überlegen fühlende Alicia eine Berührung wünscht. Dazu der Gedanke, dass sie gerne im Land ihrer Wurzeln gestorben wäre - bei aller Analyse, Distanziertheit und Rationalität wird es am Ende doch äußerst überraschend gefühlig, was mir hier, das kann ich nicht genug betonen, doch ausgezeichnet gefallen hat.
Ansonsten: seitenweise mathematische Einblicke. Ich verstehe leider nicht den Beweggrund dahinter. Funktonstechnisch führt es dazu, dass Alicia als sehr nüchtern, hochintelligent, arrogant, überlegen und distanziert gezeichnet wird. Was die Wirkung angeht, überfordert es die allermeisten Leser mit Sicherheit doch sehr. Es ist eine vielleicht nicht zutreffende Vermutung, aber die wenigsten von McCarthys Lesern sind Mathematiker (die über all diese Theorien auch Bescheid wissen), sondern vermutlich eher Literaturbegeisterte (es ist ja sowieso ein beliebtes Vorurteil(?), dass Literaturaffine nicht unbedingt die Mathematik lieben und umgekehrt). Mein Interesse wurde zumindest in den mathematischen Passagen auf eine harte Probe gestellt und die Rückkehr zur Verständlichkeit wurde von mir mit erleichtertem Aufatmen quittiert. Ich erkenne McCarthys Wissen an, hätte mir aber sehr gewünscht, dass er auch einiges davon für sich behält.
Und abschließend: die Dialogform halte ich für innovativ - aber nur für ein-zwei Kapitel. Wenn er so versessen auf Dialoge ist, dann hätte er sich trauen sollen und ein Drama schreiben (da versuchen sich ja mittlerweile eh viel zu wenige Autoren dran.). Es hätte sich vielleicht nicht so leicht verkauft, aber er hätte sich ja der Form des "closet drama" verschreiben können. Das sind Dramen, die nur zum Lesen gedacht sind. So finde ich es bei allem inhaltlichen Wagnis, doch in der Form verhalten.