5. Leseabschnitt: Teil FÜNF und SECHS (Seite 275 bis 363)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die letzten beiden Kapitel beginnen mit den Nachkruegsjahren und enden mit Ludwigs Tod.
Ludwig wird nach einigem Zögern Prorektor der Universität Leipzig. Er unterhält enge Beziehungen zum Studentenrat und findet in dessen Vorsitzenden Natonek einen jugendlichen Freund.
Immer mehr Kollegen übersiedeln in den Westen. Ende 1948 entschließt sich Ludwig auch zu diesem Schritt. Gemeinsam mit Alma und Fräulein Gerner fliegen sie mit einem Rosinenbomber in den Westen. Ludwig arbeitet nun an der Universität Göttingen.

Danach erfährt der Leser einiges über den Werdegang des Neffen.
Der macht nach dem Abitur eine Bildungsreise durch deutsche Städte und ist tief beeindruckt. ( „ Florentinische Krankheit“). Er studiert danach in Göttingen, erst Psychologie, dann Wechsel zu vier anderen Fächern, weil er „ ein wenig Distanz zu seinem Forschungsgegenstand brauche.“.
Er heiratet eine Altlutheranerin und bekommt zwei Kinder: eine Tochter und einen Sohn Johannes, den Autor des Buches.
Ludwig stirbt 1969, ein Jahr nach Jo Lendles Geburt. „ Ich bin traurig darüber, ihn nicht besser kennengelernt zu haben.“ schreibt der Autor.

Die letzten beiden Kapitel haben mir am besten gefallen. Hier bin ich Ludwig auf einmal nahe gekommen. Aber v.a. haben mich die vielen klugen Gedanken und Abhandlungen hier begeistert. Davon gleich mehr.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Gräfenberg, ein Kolle Ludwigs, der in die USA ausgewandert ist, ist der Entdecker des G- Punktes , „ gegen die sei die Entdeckung Amerikas ein Witz.“
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dass ich die erste bin, die das Buch ausgelesen hat, mag ich nicht glauben. Ihr drückt euch;).

Für mich hat es sich ziemlich gezogen. Ich empfinde die Geschichte dieses Großonkels als zu privat, als dass sie von allgemeingültigem Interesse wäre. Sie hat mich spätestens in der zweiten Hälfte gelangweilt. Es werden viele Episoden erzählt, die der Zeit geschuldet sind. Es geht um die Nachkriegszeit, die Entnazifizierung. Sehr treffend dazu drückt der Satz "Wenn ich kein klares Wasser habe, schütte ich das dreckige nicht weg", das Dilemma aus. Der Staat wollte handlungsfähig bleiben, seine Institutionen sollten weiter arbeiten können.

In diesem Abschnitt ist auch immer stärker vom Neffen (dem Vater des Erzählers) die Rede. Wenn man die verwandtschaftlichen Verhältnisse kennt, ist das verständlich. Ich selbst habe die Abhandlungen über den Neffen noch ermüdender gefunden als den Rest. Man sieht Parallelen zwischen Ludwig und ihm. Beide sind kunstinteressiert, schöngeistig und "keine harten Männer".

Immer wieder Überlegungen über das verrinnende Leben, die (sinnlos) verstreichende Zeit, die Option des Suizids. Und natürlich über das Forschungsobjekt Ludwigs, den Schlaf.
Die Zeit heilt nicht. Sie spielt dem Leiden nur vor, dass es nicht länger nötig ist. Sie lässt den Schrecken müse werden, bis er klein beigibt und schweigt. 299
Die Schrecken des Krieges waren nicht fort. Sie waren nur vorüber. 322
Das sind zwei nette Sätze, an denen etwas Wahres dran ist.

Wie man erwarten konnte, endete das Buch mit Ludwigs Tod. Alma überlebte ihn und gehörte irgendwie zur Familie dazu.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ludwig äußert Schuldgefühle, weil er davon profitiert hat, dass die Nazis Juden mit Berufsverbot belegt haben.

Herr Mensch ist nun Leiter einer Kinderheilstätte im Taunus. Leider kein Einzelfall!

Spannend fand ich die Beschreibung der Ausreise. Ich wusste bisher nicht, dass die Flugzeuge, die Berlin mit Lebensmitteln versorgt haben, auf ihrem Rückflug Menschen mitgenommen haben. Aber klar, das machte Sinn. Und dass der Korridor so eng war, dass die Flugzeuge in fünf Stockwerken übereinander fliegen mussten.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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„ Die Zeit heilt nicht. Sie spielt dem Leiden nur vor, dass es nicht länger nötig ist. Sie lässt den Schrecken müde werden, bis er klein beigibt und schweigt.“
Sehr schön ausgedrückt.

Auch Fräulein Gerner gibt immer wieder mal Weisheiten von sich. Auf Almas Einwand, sie würde eventuelle Kinder so nehmen, wie sie sind , antwortet sie: „ Das meinen sie vorher alle,…Aber wenn die Kleinen erst einmal da sind, geht es los. Man kriegt ja nicht nur ein Kind, man kriegt zugleich die Angst um sie.“

“ Das Vergangene wollte einfach nicht vergehen. Adenauer brachte seine Gedanken auf die Formel, man Schütte kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines habe. Lud hätte gern mal mit ihm über Hygiene diskutiert.“

Die Überlegungen zum Thema Schlaf sind sehr interessant.

“ Die Wochen vergingen wie Tage. Man glaubte, es würde Abend, dabei wurde es Sonntag. Und immer so fort. Die Jahre blätterten ab.“

Ganz am Ende erfährt Alma von der einzigen Nacht mit Gerhard und was sie für Lud bedeutet hat.

„ Ich hätte ihn nicht retten können. Aber ich habe nicht versucht, ihn zu retten. Im Abgrund zwischen diesen Sätzen versinkt mein Leben.“

Das Lebenswerk einer Biene: einen Teelöffel voll Honig

Woher hat der Sandmann seinen Namen?

Die Überlegungen zum Thema Tod…
 

Literaturhexle

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Ganz am Ende erfährt Alma von der einzigen Nacht mit Gerhard und was sie für Lud bedeutet hat.
Ja. Das war geschickt gemacht. Zunächst dachte ich, Alma und Ludwig würden eine Liebesnacht miteinander verbracht haben:) und war dann richtig enttäuscht, als man erfuhr, dass es um Gerhard ging.

Die ganzen hübschen, tiefgründigen Sätze habe ich auch bemerkt. Jo Lendle hat Philosophie studiert, das spürt man hier und da. Gewiss hat er die Quellen kompetent ausgearbeitet. Für mich reißen sie den Gesamteindruck aber nicht raus.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ich habe nun auch fertig!

Mir erging es eher @Literaturhexle . Mir wechselten die Ezählperspektiven zu sehr und auch ich habe mich von der Liebesnacht täuschen lassen.
Es gibt immer wieder ein paar herrliche Ansätze im Buch, wie zum Beispiel diesen Hausfrauenratgeber, aber insgesamt ist es mir zu sehr zusammengewürfelt und zum Schluss wäre ich gern mehr Alma gefolgt. Mit Ludwig bin ich nicht warm geworden und ich verstehe dessen Überhöhung als Hauptfigur nicht. (doch schon, aber er erfüllt diese Aufgabe iwie nicht)
Außerdem hat es mich schon sehr verwundert, dass Jo Lendle seinen Vater hartnäckig mit "der Neffe" bezeichnet hat. Es gibt dem Ganzen einen Abstand, der zur Biografie des Großonkels nicht recht passen will.
 

Literaturhexle

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ich verstehe dessen Überhöhung als Hauptfigur nicht. (doch schon, aber er erfüllt diese Aufgabe iwie nicht)
Er muss die Hauptfigur sein, weil die Tagebücher die detaillierte Informationsquelle sind. Das mag für die Familie höchst interessant sein. Aber für uns? Für Außenstehende? Was die historischen Begleitumstände betrifft, habe ich da schon Romane gelesen, die mehr Zeitkolorit transportiert haben...
Nein, zufrieden bin ich mit dieser Lektüre nicht. Der zweite Teil sackte stark ab.

Wir sind uns sehr einig, Ems!
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Anstatt mich zu wiederholen, möchte ich @Literaturhexle und @Emswashed uneingeschränkt zustimmen. Mich hat der Roman zunehmend gelangweilt. Ich wollte nur noch fertig werden, auch wenn ich die Sätze, die ihr bereits zitiert habt, treffend finde und gut formuliert. Das reicht aber nicht, der Roman hat uns Lud letztlich nicht näher gebracht, es blieb immer eine Distanz, so dass die Lebensstationen wie aufgezählt wirken.
 

wal.li

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Langweilig fand ich den Roman nicht. Die letzten Abschnitte waren sehr gestrafft. Ich glaube, Tagebücher aus der Zeit sind eher selten. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Familie und auch für den Autor sehr spannend war, den Großonkel neu kennenzulernen. Dass es für Alma und Fräulein Gerner nur eine Art Familie gab, war etwas schade. Gut, dass Ludwig sich vor seinem Tod noch offenbart hat. Gefreut hat mich, dass der Autor Alma mochte. Machmal habe ich mich gefragt, ob sie nicht mehr vom Leben hätte haben wollen. Nicht unbedingt Familie, aber eine Ausbildung oder einen Beruf. Sie war ja doch abhängig.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Die letzten beiden Kapitel haben mir am besten gefallen. Hier bin ich Ludwig auf einmal nahe gekommen.

Ging mir auch so. Aber auch nur ein bisschen nahe.

Für mich hat es sich ziemlich gezogen. Ich empfinde die Geschichte dieses Großonkels als zu privat, als dass sie von allgemeingültigem Interesse wäre. Sie hat mich spätestens in der zweiten Hälfte gelangweilt.

Er muss die Hauptfigur sein, weil die Tagebücher die detaillierte Informationsquelle sind. Das mag für die Familie höchst interessant sein. Aber für uns? Für Außenstehende?

Ich glaube, man hätte die Familiengeschichte schon so erzählen können, dass sie auch für andere interessant ist. Genügend Material und spannende Ereignisse gab es ja. Aber der Autor hat einfach zu wenig draus gemacht. Nur schöne Sprache reicht eben nicht. Wobei es fast schon eine Kunst ist, das Ganze so öde zu erzählen… :p

Mich hat der Roman zunehmend gelangweilt. Ich wollte nur noch fertig werden

Ich auch. Jo Lendle hat mit dem Buch sicher nichts kaputt gemacht und er hat mich auch nicht geärgert. Aber die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich bin auch froh, dass ich das Buch nun beiseitelegen kann. Auch der letzte Abschnitt hat es für mich nicht mehr rausgerissen. Ich bin auch etwas enttäuscht, kein richtiges Nachwort zu bekommen. Etwas mehr Einordnung und Erklärung seitens des Autors hätte mich vielleicht zufriedener zurückgelassen. Das letzte Kapitel, in dem er plötzlich in die Ich-Perspektive wechselt, während er vorher von sich in der dritten Person geschrieben hat, soll wohl im Ansatz so etwas sein. Mir ist es aber zu wenig.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Genügend Material und spannende Ereignisse gab es ja. Aber der Autor hat einfach zu wenig draus gemacht.
Ja. Im Grunde hat er abgedreht, wenn es interessant wurde. Das kann Stilmittel sein, um den Leser zum eigenen Reflektieren anzuregen. Aber wenn es einen nicht richtig packt und interessiert, funktioniert das nicht.
Echt schade. Ich war sehr angetan in den Roman gestartet.
Etwas mehr Einordnung und Erklärung seitens des Autors hätte mich vielleicht zufriedener zurückgelassen.
Möglich. Die zweite Hälfte hat sich für mich sehr gezogen. Wie Tagebücher so sind: die Tropfen vor Befindlichkeiten. Dieser Lebensüberdruss, die Philosophie,... irgendwann weiß man als Leser, wie Ludwig tickt... Wenn man erstmal raus ist, kommt man meist allerdings schwer wieder rein.