5. Leseabschnitt: Seite 275 bis Ende

Literaturhexle

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5. Leseabschnitt:

"Acht Wochen sind nicht viel Zeit, aber sie sind mehr, als es scheint, wenn..."

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Circlestones Books Blog

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Wienerin auf Rügen
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"Wir verwenden unsere ganze Intelligenz und unsere Sinne und unser Bestreben auf die Aufgabe, zu unterscheiden, was eingeebnet wird oder es schon ist, und deshalb sind wir reich an Reuegefühlen und verpassten Gelegenheiten, an Bestätigungen und Bekräftigungen und genutzten Gelegenheiten, wo es doch so ist, dass nichts Bestand hat und alles verlorengeht." (Zitat Seite 337)

Nun kennt Luisa die Geschichte von Ranz und seinen drei Frauen, und Juan hat sie heimlich mitgehört. Ist es wirklich so einfach, die Vergangenheit in der Vergangenheit ruhen zu lassen, wie es Ranz sieht? Hätte er Teresa gegenüber geschwiegen, wäre Teresa, seine große Liebe, wohl noch am Leben. Interessant für mich, dass Juan jetzt die Zukunft mit etwas weniger Zweifeln zu sehen scheint, wo er endlich die wahren Hintergründe zum Tod seiner Tante kennt, das Familiengeheimnis gelüftet ist. Ich bleibe mit einigen offenen Fragen und Gedanken zurück, warte mal auf weitere Beiträge hier, es geht ja noch mindestens bis Ende Dezember.
 
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Wandablue

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So. Also ....einverstanden bin ich ja keineswegs, Mord verjährt nicht. Und den Mörder müsste man zur Rechenschaft ziehen. Wie aber, wenn es ein enger Verwandter ist und Beweise gibt es ja nicht, nur Ohrenzeugen. Da könnte man sich auch noch herausreden, wenn die beiden zur Polizei gingen.
Aber natürlich hat Ranz recht, mein Verhältnis zu ihm hätte sich schlagartig verändert. Teresas Reaktion war autormässig gewünscht und für die Story erforderlich, aber für mich nicht glaubhaft. Ich hab mir auch andere Hintergründe ausgemalt. Schwamm drüber.
Abgesehen davon, hat mich dieser letzte Abschnitt recht amüsiert. Das Kapitel, in dem Professor Villalobos mit Juan spricht, ist sehr amüsant. Die ganze Unterhaltung ist es. Samt Beschreibungen.
Es ist eine ganz feine Ironie in dem Roman. "Intriganten reisen niemals am Wochenende." Köstlich.
Was mir aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass Marías zwar sehr oft ein Gespräch, also einen Dialog benutzt, um Informationen an die Frau zu bringen, aber es dennoch nicht aufgesetzt wirkt, man die Plumpheit Frager-Antworter nicht spürt. Wie macht er das? Durch seine gewundene Schreibweise und indem er den übergeord Erzähler und den Icherzähler mischt.
Gewundenheit und Wiederholungen, sowohl in Gedanken wie auch in Gesprächen, bewirken, dass diese authentisch rüberkommen. So redet man ja wirklich. Mit ähs und ohs und Wiederholungen.
 

Wandablue

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Brandenburg
@Circlestones Books Blog: "In Miriam und Guillermo wiederholt sich gleichsam die Geschichte von Teresa und Ranz" - schreibst du. Interessanter Gedanke. Aber - das ist nicht ausgemacht! Wohin deren Reise geht, ist offen.

Spannender finde ich den Gedanken von Juan, dass er nicht weiß, ob er nicht eines Tages auch so denken wird wie Ranz und Luisa weiß es auch nicht, hält es aber für möglich, wie ihre Frage in Havanna vorwegnimmt.

Letztlich wissen wir doch alle nicht, wie wir in einer bestimmten Situation reagieren werden - aber wo ich mir sicher bin, ist, dass man Verantwortung übernehmen muss und auch andere zur Rechenschaft ziehen muss. Was ist R. nur für ein Kerl? Reich geworden durch Betrug und "glücklich" geworden durch Verdrängung. Ein sehr kaltblütiges Bürschchen, das sich damit herausredet, dass (s)ein Gedächtnis müde würde. Dem würde ich heimleuchten.
 
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Wandablue

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Die "Bertaepisode" interpretiere ich jetzt nach Beendigung der Lektüre wie folgt. Sie zeigt auf, wie Juan tickt, z.B. in moralisch fragwürdigen Situationen sich verhält.
Er ist abwartend, zuschauend, zögerlich, greift nicht ein, macht sogar mit. Auch er ist ein Grenzüberschreiter. Ich denke an die Situation als unkorrekter unerlaubter Zensor bei seiner Dolmetschertätigkeit. Wissen wir, wie oft er das sonst noch gemacht hat?
Wie der Vater so der Sohn?
Er sieht ja immer zu und wartet ab.
 
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Eulenhaus

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Ranz hätte seinen Mord weiter verschweigen können, aber Luisa bringt ihn zu einem Geständnis.
Marias fragt hier: Machen Geständnisse die Welt besser? Was fängt man mit der Wahrheit an? Unserem Gerechtigkeitsgefühl widerstrebend hebt er den Mechanismus von Schuld und Bekenntnis auf.
Ranz hat 40 Jahre gut weiter gelebt.
 
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Wandablue

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Ranz hätte seinen Mord weiter verschweigen können, aber Luisa bringt ihn zu einem Geständnis.
Es ist kein Geständnis. Denn Ranz zeigt weder Reue noch Unrechtsbewusstsein. Er ist ein moralisches Ungeheuer. Für ihn ist das nur eine seiner Geschichten.
 
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Die "Bertaepisode" interpretiere ich jetzt nach Beendigung der Lektüre wie folgt. Sie zeigt auf, wie Juan tickt, z.B. in moralisch fragwürdigen Situationen sich verhält.
Er ist abwartend, zuschauend, zögerlich, greift nicht ein, macht sogar mit. Auch er ist ein Grenzüberschreiter. Ich denke an die Situation als unkorrekter unerlaubter Zensor bei seiner Dolmetschertätigkeit. Wissen wir, wie oft er das sonst noch gemacht hat?
Wie der Vater so der Sohn?
Er sieht ja immer zu und wartet ab.
Juan ist für mich überhaupt nicht greifbar. Laut Ranz war er bis zu seiner Eheschließung ein Schürzenjäger. Entweder ist das aus der Luft gegriffen oder Juan ein unzuverlässiger Ich-Erzähler, der ein völlig anderes Bild von sich vermittelt.

Auch die Ehe von Juan und Luisa ist für mich überhaupt nicht greifbar. Was verbindet sie außer ihrem Beruf, der doch beiden nicht so recht behagt? Warum haben sie geheiratet?

Juan hat nach dem Geständnis ein engeres Verhältnis zu seinem Vater. Hier hat die Aufdeckung eines Geheimnisses also zu einer Annäherung geführt, anders als zwischen Teresa und Ranz. Aber im Gegensatz zu Juan fühlte Teresa sich mitschuldig.

Das Buch hat unzweifelhaft einen Sog und ich hätte es nicht weglegen wollen. Wie @Wandablue mochte ich den feinen Humor. Es ist sehr sorgsam komponiert, keine Szene dient nicht dem Ganzen. Andererseits haben mich die geschwollen langen Sätze tatsächlich bis zum Ende genervt. Ich werde mir noch das alte literarische Quartett von 1996 mit den Lobeshymnen anschauen, darauf bin ich äußerst gespannt.

Ich bin froh, dass ich auf diese Weise Javier Marías kennengelernt habe. Damit ist es allerdings vorerst getan.
 
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