5. Leseabschnitt: Seite 258 (Ein neues Leben anfangen) bis Ende

Eulenhaus

Aktives Mitglied
13. Juni 2022
409
1.978
44
Er gründet eine neue Familie, was sie wütend macht, ihr Leid bleibt.
Das Zitat von Sartre kann nicht für jeden gelten, der sexuelle Missbrauch kann unauslöschliche Spuren hinterlassen.
Opfer brauchen lange, zu lernen, mit den Erinnerungen umzugehen, den Alltag zu bewältigen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Viele Betroffene reden nie darüber und verdrängen die Taten.

Wir müssen mit dem Bösen in der Welt leben. Wichtig:„Nicht fallen. Nicht fallen.“
Ein guter Schlusssatz.
 
  • Like
Reaktionen: ElliP und Barbara62

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
3.080
15.152
49
47
Das mit "Tiger, Tiger" hatte ich ja etwas voreilig schon im vorherigen Abschnitt geschrieben. Schaue ich mir an, was Neige Sinno sonst alles so gelesen hat, halte ich es nur aufgrund einer einzelnen Kritik für unverständlich, dass sie ausgerechnet dieses Buch nicht gelesen hat. Immer reichte es zur Inspiration für den Titel.

Ansonsten knüpft dieser Abschnitt für mich unmittelbar an den vorangegangenen an. Zitate, Verweise und die abermalige Reflexion über das Schreiben. Auf Seite 270 wieder ein Zitat, das ich ihr nicht abnehme, wie zuvor das mit den wenigen Leser:innen: "Andererseits widert es mich an, aus meiner Geschichte Kunst zu machen." Hm, sie schreibt es nicht für sich, nicht als Therapie (vgl. Folgeseiten), sie wünscht sich keine Leser und es widert sie an, Kunst daraus zu machen. Andererseits, vielleicht ist es gar keine Kunst, könnte ich etwas bösartig entgegnen. Vielleicht hat es dafür doch zu sehr den Sachbuchcharakter?

Stark dann noch einmal der sprachliche Ausbruch kurz vor Schluss: "Wir sind viele..." (287f.). Endlich noch einmal etwas Kraftvolles, etwas Emotionales. Genau so hätte ich das Buch enden lassen.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
11.351
27.166
49
Brandenburg
In dem letzten Abschnitt finde ich Manches recht mystisch. Ich glaube z.B. nicht, dass man an den Augen eines Menschen irgendetwas ablesen kann. Augen sind ausdruckslos per se. Vllt an der Art, wie jemand schaut und wohin er schaut, aber nicht an Form/Ausdruck selbst.
Dieses finstere Land, von dem Sinno spricht, ist das nicht das Land, das jeder kennt? Für manche Menschen muss es ein Sog sein, Grenzen zu überschreiten, die Grenzen der Legalität zu sprengen, für andere nicht.

Interessant und informativer die Erwägungen über die Erscheinungsformen der Vergewaltigungsopfer in Film, Theater und Fernsehen = unvollständig und die Überlegungen, ob man aus dem Beschreiben von Leid Profit schlagen darf.
Diesselbe Überlegung findet man auch bei Yellowface.
Und ob ihr Buch Kunst sei.
Ja, ich denke schon.

Nochmal zurück zum Täter und seiner neuen Lebenspartnerin: Sie hat ihm nichts zu verzeihen, er hat ihr nichts getan. Die Gedanken, andere Menschen müssten nicht oder eben doch ihrem Stiefvater verzeihen, sind für mich befremdlich.
 

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
3.170
13.285
49
sie wünscht sich keine Leser und es widert sie an, Kunst daraus zu machen. Andererseits, vielleicht ist es gar keine Kunst, könnte ich etwas bösartig entgegnen. Vielleicht hat es dafür doch zu sehr den Sachbuchcharakter?
Es gibt einiges an Widersprüchen in ihrem Buch, aber das sehe ich ihr verständnisvoll nach.
In dem letzten Abschnitt finde ich Manches recht mystisch.
Mystisch vielleicht nicht, aber rätselhaft und unverständlich ist mir auch einiges. Man müsste sich viel mehr ins Buch vertiefen. Das kann und will ich gerade nicht, aber ich denke, einmal so drüber lesen reicht nicht. Ob ich es bei intensiverem Lesen besser verstehen würde, weiß ich nicht.
Nochmal zurück zum Täter und seiner neuen Lebenspartnerin: Sie hat ihm nichts zu verzeihen, er hat ihr nichts getan.
Das wahrscheinlich nicht, obwohl immer die Möglichkeit besteht, dass er seinen eigenen Kindern etwas tut. Wir wissen es nicht. Davon mal abgesehen - mit so einem Perversen könnte ich nicht zusammenleben und ihn lieben schon mal gar nicht. Dass dies möglich ist, bleibt mir völlig unverständlich.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
11.351
27.166
49
Brandenburg
Dass dies möglich ist, bleibt mir völlig unverständlich.
Finde ich auch problematisch. Lieben - nun ja. Liebe ist nicht unbedingt an Wohlverhalten gebunden.
Aber Vertrauen? Könnte ich nicht.
Ist jedoch eine individuelle Entscheidung - mit allen möglichen und unmöglichen Folgen - die muss die Frau/Mutter vertreten. Eine Riesenverantwortung. Vllt hat Sinno das Buch auch deswegen geschrieben. Für deren Kinder.
 
  • Like
  • Stimme zu
Reaktionen: Barbara62 und Maesli

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
3.170
13.285
49
In diesen Kapiteln kommt Sinnos innere Zerrissenheit so richtig zu Ausdruck, ihr Pendeln zwischen literarischem Anspruchsdenken und dem Gefühl, etwas so Schmutziges nicht ästhetisch darstellen zu können oder zu sollen. Das führt bei mir auch dazu, dass ich nicht alles verstanden habe, dass ich mich aber im Moment nicht weiter auf ihre komplizierten, teilweise widersprüchlichen Überlegungen und Aussagen einlassen möchte. Zum Schluss finde ich alles ein bisschen zu verworren und mit zu vielen nicht auf Anhieb zu verstehenden Sätzen gespickt. Allerdings schreibt sie selber von 'einer unendlichen Reihe von Fraktalen' (286), wobei ich nicht genau weiß, ob ich das richtig verstehe.

Anscheinend kommt Sinno vom Täter nicht los und verfolgt sein weiteres Leben, verständlicherweise. Erstaunlich finde ich, dass solche 'Männer' immer wieder Frauen finde, hier sogar eine, die vier!! Kinder mit ihm kriegt. Da muss man aber schon sehr an das Gute in jedem Menschen glauben.

Der Schluss kommt mir ziemlich philosophisch angehaucht vor, die Gedanken über das Böse und das Überschreiten einer Schwelle, das Innehalten, nicht fallen. Nicht fallen. Ein würdiges Ende.​
 

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
3.170
13.285
49
Vllt hat Sinno das Buch auch deswegen geschrieben. Für deren Kinder.
Das könnte sein, aber ich glaube es eher nicht. Ich vermute eher, sie weiß selber nicht hundertprozentig genau, warum sie es geschrieben hat. Eines finde ich aber mit Sicherheit: dass sie anderen Menschen deutlich macht, was so etwas wie ihr Schicksal alles bedeutet, welche Folgen es hat. Mir ist jedenfalls einiges deutlich geworden, was ich vorher nicht überlegt habe.
 

Bajo

Aktives Mitglied
16. Juni 2023
939
4.764
44
Wir müssen mit dem Bösen in der Welt leben. Wichtig:„Nicht fallen. Nicht fallen.“
Ein guter Schlusssatz.
Ich finde den Schlusssatz auch sehr gut. Wir müssen mit dem Bösen in der Welt leben, leider wahr, der Mensch ist nicht nur gut. Aber, und das finde ich die so wichtige Botschaft des Romans, die Gesellschaft darf es nicht akzeptieren, es gehört aufgedeckt, verhindert und geahndet.
Endlich noch einmal etwas Kraftvolles, etwas Emotionales.
Ja, das hat mir auch gut getan, nach all der sachlichen Distanziertheit, die das Unsägliche natürlich auch aushaltbar macht für den Leser.
Dieses finstere Land, von dem Sinno spricht, ist das nicht das Land, das jeder kennt?
Ja. Die Begegnung mit dem ehemaligen Bandenmitglied hat mir, die einen Hang zum Mystischen hat, sehr gefallen. Mir kam der Song, I see a darkness, den Johnny Cash mit seiner Frau June Carter singt, in den Sinn. ich glaube bei Cash geht es um den Abgrund Sucht, Alkohol, Drogen. Ich glaube wie Sinno daran, dass sich verwundete, leidende Seelen erkennen und fand die Stelle sehr schön.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
4.614
17.853
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Das mit "Tiger, Tiger" hatte ich ja etwas voreilig schon im vorherigen Abschnitt geschrieben. Schaue ich mir an, was Neige Sinno sonst alles so gelesen hat, halte ich es nur aufgrund einer einzelnen Kritik für unverständlich, dass sie ausgerechnet dieses Buch nicht gelesen hat. Immer reichte es zur Inspiration für den Titel.
Verstehen kann ich es auch nicht, aber ich respektiere es. Es scheint ein Bauchgefühl zu sein. Was ich allerdings nicht akzeptiere, sind Kritiken von Büchern, die man nicht gelesen hat.

Mir fehlen zwar noch ein paar wenige Seiten, aber die Überlegungen auf Seite 271 muss ich vorab kommentieren. Frau Sinno glaubt sich auf der Ebene des Durchschnittslesers, das ist sie meiner Ansicht nach nicht. Für die Sparte Lebensbericht, zu der sie gehören will, sind ihre Gedanken oftmals zu verschwurbelt. Sie hat seit 30, 40 Jahren ständig, jeden Tag, über den Missbrauch nachgegrübelt und ihn von jeder erdenklichen Seite beleuchtet. Kein Wunder, dass ich als ziemlich Ahnungslose diesen Gedankengängen nicht immer folgen kann. Wie ihr auch habe ich über manche Absätze hinweggelesen und aus dem Rest trotzdem viel mitgenommen. Aber für Durchschnittleser? Nein.
 
Zuletzt bearbeitet:

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
3.170
13.285
49
Sie hat seit 30. 40 Jahren ständig, jeden Tag, über den Missbrauch nachgegrübelt und ihn von jeder erdenklichen Seite beleuchtet. Kein Wunder, dass ich als ziemlich Ahnungslose diesen Gedankengängen nicht immer folgen kann. Wie ihr auch habe ich über manche Absätze hinweggelesen und aus dem Rest trotzdem viel mitgenommen. Aber für Durchschnittleser? Nein.
Das trifft es gut. Passt!
 

Nosimi

Aktives Mitglied
27. März 2024
339
1.677
44
39
Bei den Gedanken über ihren Stiefvater und Vergewaltiger kann ich sie gut nachvollziehen. Es ist mir ebenfalls unverständlich, wie ein geständiger und verurteilter Missbrauchstäter und Kinderschänder wieder eine Frau und Kinder haben kann. Da muss man als Frau schon viel ausblenden können.
Und natürlich @Wandablue muss seine neue Partnerin ihm nichts verzeihen, aber sie muss sich doch damit auseinandersetzen, was er getan hat und für was er verurteilt ist. Aber das Neige sie und dieses ganze schöne, heimelige Bauernhofleben ablehnt, kann ich schon verstehen. Es geht für ihn scheinbar ohne Einschränkung oder Schmerz weiter, während sie den Rest ihres Lebens in der Spirale sitzt, die er ihr bereitet hat. Auch wenn sie viel aus eigener Kraft geschafft hat und weit gekommen ist.

Dieser Leseabschnitt hat ähnlich viele Gedanken, Zitate und Vergleiche wie der letzte, Teilweise wirkt es wie ein Blick in den Kopf der Autorin, die ihre Vergangenheit immer wieder hin und her windet und aus allen Richtungen begutachtet.
Ich mag die vielen literarischen Zitate und Vergleiche, es hat mir einige ganz neue Werke aufgezeigt. Für mich vermittelt es schon das Gefühl, dass sie mit Hilfe des Schreibens und der Literatur ihre eigene Art der Traumaverarbeitung begonnen hat. Auch wenn sie es verneint, dass sie das Schreiben über das Erlebte als Therapie betrachtet und auch sonst laut ihren eigenen Worten keine kommerziellen Erfolg damit verfolgt. Letztlich kann ich jeden Menschen verstehen, der so schreckliches Erlebt hat und dies niederschreiben will. Damit es real wird, in der Welt bleibt und als Schmerz wahrgenommen wird. In wieweit man als Überlebender eines Missbrauchs dann noch weitermacht, in Talkshows oder Magazine geht, die eigene Geschichte erzählt, muss jeder für sich entscheiden und hoffentlich im Hinblick auf die eigene Psyche sich nicht zuviel zuzumuten.

Der Schlusssatz erinnert mich wieder an den Dualismus des Gedichtes. Es gibt das Gute und das Böse in der Welt, beides wurde geschaffen auf die Gefahr hin, dass das Böse das Gute zerstört. Wir können es nicht ändern, dass es existiert, aber wir müssen wachsam bleiben und nicht aufgeben.
 

Nosimi

Aktives Mitglied
27. März 2024
339
1.677
44
39
Ich finde den Schlusssatz auch sehr gut. Wir müssen mit dem Bösen in der Welt leben, leider wahr, der Mensch ist nicht nur gut. Aber, und das finde ich die so wichtige Botschaft des Romans, die Gesellschaft darf es nicht akzeptieren, es gehört aufgedeckt, verhindert und geahndet.
Das trifft es gut!
Frau Sinno glaubt sich auf der Ebene des Durchschnittslesers, das ist sie meiner Ansicht nach nicht. Für die Sparte Lebensbericht, zu der sie gehören will, sind ihre Gedanken oftmals zu verschwurbelt.
Da stimme ich dir zu. Ich halte sie alleine schon mit ihrem breiten Wissen über Literatur und der intensiven Auseinandersetzung mit literarischen Texte nicht auf der Ebene eines Durchschnittslsesers. Sie hat auch aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen Texte viel intensiver und umfänglicher interpretiert, als ich zum Beispiel (im Hinblick auf Lolita, weil es hier das einzige Buch ist, das ich gelesen habe).
Sie hat seit 30, 40 Jahren ständig, jeden Tag, über den Missbrauch nachgegrübelt und ihn von jeder erdenklichen Seite beleuchtet. Kein Wunder, dass ich als ziemlich Ahnungslose diesen Gedankengängen nicht immer folgen kann. Wie ihr auch habe ich über manche Absätze hinweggelesen und aus dem Rest trotzdem viel mitgenommen. Aber für Durchschnittleser? Nein.
Sie hat sich wirklich sehr intensiv damit auseinandergesetzt und sicherlich aus ihren vielen Gedanken schon eine Quintessenz getroffen. Dass die immer noch teilweise anstrengend zu lesen ist liegt halt auch daran, dass wir diese Erlebnisse gott sei Dank nicht machen mussten. Dabei fand ich es auch gut, dass sie verschiedene Aspekte beleuchtet hat. Die Vorstellung an der Grenze zu stehen, Grenzen zu überschreiten. Wie widersprüchlich Gedanken sein können, wenn sie ihren Mann und ihre Tochter Hand in Hand vor sich gehen sieht. Das fand ich schon intensiv.
 

ElliP

Aktives Mitglied
18. Juni 2023
146
679
39
56

Für mich vermittelt es schon das Gefühl, dass sie mit Hilfe des Schreibens und der Literatur ihre eigene Art der Traumaverarbeitung begonnen hat. Auch wenn sie es verneint, dass sie das Schreiben über das Erlebte als Therapie betrachtet und auch sonst laut ihren eigenen Worten keine kommerziellen Erfolg damit verfolgt. Letztlich kann ich jeden Menschen verstehen, der so schreckliches Erlebt hat und dies niederschreiben will. Damit es real wird, in der Welt bleibt und als Schmerz wahrgenommen wird.
Ich lese es auch als Bewältigung und Verarbeitung des eigenen Traumas, eine Art persönliche Therapie, sie hat als Gegenüber nur den Leser, der ihr im Gegensatz zum Therapeuten keine / kaum Rückmeldung gibt. Für mich eine Art Tagebuch, das veröffentlicht wurde.

Wir müssen mit dem Bösen in der Welt leben. Wichtig:„Nicht fallen. Nicht fallen.“
Ein guter Schlusssatz.
Den Schluss finde ich auch gut, er ist etwas versöhnlicher, persönlicher, ein Blick in die Zukunft, nicht nur zurück, hat eher etwas Lebensbejahendes.

Mystisch vielleicht nicht, aber rätselhaft und unverständlich ist mir auch einiges. Man müsste sich viel mehr ins Buch vertiefen. Das kann und will ich gerade nicht, aber ich denke, einmal so drüber lesen reicht nicht. Ob ich es bei intensiverem Lesen besser verstehen würde, weiß ich nicht.
Man müsste vertiefen... das geht mir genauso, aber es reicht mir. Das Buch hat mich immer wieder zum Nachdenken angeregt, aber es hat mich auch sehr angestrengt und es war keine "unterhaltsame" Lektüre - aber natürlich darf ich das bei diesem Thema nicht erwarten... schwierig, ich drehe mich im Kreis. Was habe ich eigentlich erwartet?

Nochmal zurück zum Täter und seiner neuen Lebenspartnerin: Sie hat ihm nichts zu verzeihen, er hat ihr nichts getan. Die Gedanken, andere Menschen müssten nicht oder eben doch ihrem Stiefvater verzeihen, sind für mich befremdlich.
Das sehe ich auch so - sie erwartet von ihm, dass er am besten Selbstmord begeht, dass ihm keiner verzeiht, dass er total geächtet wird, dass er sein Leben lang büßen muss... schwieriges Thema. Auch ein Mensch, der solche Taten begangen hat, darf wieder ein normales und glückliches Leben führen.
Mit seinem Gewissen muss er selbst klar kommen, auch wenn wir und Sinno das Gefühl haben, dass er nicht bereut. Aber er hat sich anscheinend dem Glauben zugewendet, dann gäbe es für ihn persönlich aus christlicher Sicht die Vergebung, wenn er aufrichtig bereut.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
11.351
27.166
49
Brandenburg
Das sehe ich auch so - sie erwartet von ihm, dass er am besten Selbstmord begeht, dass ihm keiner verzeiht, dass er total geächtet wird, dass er sein Leben lang büßen muss... schwieriges Thema. Auch ein Mensch, der solche Taten begangen hat, darf wieder ein normales und glückliches Leben führen.
Ob er das darf oder nicht darf - wer ist die Autorität, die darüber entscheiden wollte? Neige Sinno kann und darf so fühlen und denken, für sie war es der Obergau missbraucht zu werden und das ist es ja persönlich auch. Aber solange wir keine Todesstrafe haben (und es gab gute Gründe, sie abzuschaffen) müssen wir damit klarkommen, dass eine Tat, einmal begangen und bestraft, erledigt ist. Was weiter kommt, ob es andere Menschen gibt, die mit den Tätern weiter gehen, ist dem Einzelnen überlassen und in seine Entschedigungsgewalt gestellt. Man darf jedoch nie vergessen, dass auch Täter Mütter und Väter und Kinder haben - die naturgemäss schon mit ihnen verbunden sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
3.170
13.285
49
ich drehe mich im Kreis. Was habe ich eigentlich erwartet?
Sich im Kreis drehen, das Gefühl hatte ich auch. Ich glaube, das ist, weil Sinno sich selber im Kreis dreht, das Thema umkreist und das überträgt sich auf den Leser.
Ich bin diesmal ohne Erwartungen an das Buch herangegangen, zum Glück, ich habe es so akzeptiert, wie die Autorin es geschrieben hat.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
20.739
54.563
49
Sich im Kreis drehen, das Gefühl hatte ich auch.
Hatten wir das Gefühl nicht auch bei der Lektüre von Vigdis Hjorth, die von ihrem Vater missbraucht worden war? Vielleicht ist es das dominierende Gefühl der Ohnmacht, des Verletztseins, das die Betroffenen Zeit ihres Lebens verfolgt. Das mag den Leser nerven und ihm redundant vorkommen, spiegelt aber möglicherweise den Blick in die missbrauchte Seele wider.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
2.017
6.092
49
Auf Seite 270 wieder ein Zitat, das ich ihr nicht abnehme, wie zuvor das mit den wenigen Leser:innen: "Andererseits widert es mich an, aus meiner Geschichte Kunst zu machen." Hm, sie schreibt es nicht für sich, nicht als Therapie (vgl. Folgeseiten), sie wünscht sich keine Leser und es widert sie an, Kunst daraus zu machen. Andererseits, vielleicht ist es gar keine Kunst, könnte ich etwas bösartig entgegnen. Vielleicht hat es dafür doch zu sehr den Sachbuchcharakter?

Für mich ist es eindeutig weder Literatur noch Kunst. Sie behauptet aber auch nicht, dass es Kunst ist. Zumindest wenn ich sie richtig verstehe. Sie selbst bezeichnet es einmal als „Memoir“ und einmal, jetzt im letzten Abschnitt, als „Lebensbericht“. Da kann ich mitgehen.

Dennoch tue ich mich schwer mit der Art ihres Erzählens. Die ständigen Auszüge und Zitate aus literarischen Werken sind mir zu viel. An manchen Stellen passt es für mich zudem nicht.

Ich kann es akzeptieren und ein Stück weit sogar nachvollziehen, dass sie ihr Schicksal nicht fiktionalisieren oder sprachlich ausgefeilter darstellen will. Das ist legitim. Aber ich erwarte eine Lektüre, die ich wort- und sinngemäß verstehen kann. Das war leider nicht immer der Fall. Auch weil sie recht durcheinander und wirr erzählt.