5. Leseabschnitt: S. 341 bis S. 418

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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5. Abschnitt

In diesem Abschnitt fiel mir positiv auf, dass es während des Transportes der beschlagnahmten Rinder zu einem guten Gespräch zwischen dem Gefreiten Zeisse und Gottschalk kam. Und zwar über die Rechtmäßigkeit des Krieges gegen die Herero und Nama. Nicht nur Gottschalk hegte Zweifel, auch andere waren nicht unbedingt davon überzeugt. Und die Begründung, warum man es doch macht lautete, ähnlich wie so oft, was soll man denn ändern?
Interessant sind ebenfalls die Thesen des Professor's Brunkhorst. Erklärungen über Menschen, die man so nicht versteht, weil ihre gesamte Kultur eine andere ist. Sicherlich ein für die Zeit typisches Verhalten, zeigt es dennoch wie überlegen sich die Kolonialherren gefühlt haben müssen. Trotz aller Verbrechen gegen die Bevölkerung wird angenommen, dass es ja auch zum Vorteil für sie wäre.
Ein guter Blick in die Gedanken der Menschen.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Die Kolonialmacht bringt immer mehr Soldaten ins Land und kann die Aufständischen trotzdem nicht endgültig besiegen. Die ausländischen Zeitungen spotten bereits, welche Blamage! Interessant ist hierbei, dass der Sieg 1908 ausgerechnet mit einer Kamelreitertruppe kam und Gottschalk mit seiner Kamelforschung dafür den Grundstein gelegt hat. Das hat Uwe Timm geschickt eingefädelt. Ein bisschen erinnert mich das an Dürrenmatts "Die Physiker" - aber das ist vielleicht auch zu weit hergeholt. Der Pazifist und Ex-Dominikanerpater Meisel hat also schon recht, wenn er Gottschalk beschuldigt, den Unterdrückern bei ihrem blutigen Handwerk geholfen zu haben. Er hat allerdings unrecht, wenn er Gottschalk unterstellt, er hätte sich mit dem Unrecht abgefunden, denn das hat er definitiv nicht. Er hat Magenschmerzen und fühlt sich innerlich wund.

Gottschalk hat Heimweh. Der Gedanke an eine Farm in Afrika erscheint ihm inzwischen absurd. Wie hat der Mann sich verändert!

Den Professor aus Greifswald habe ich zunächst als historische Figur begriffen. Sein Bericht an die Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften schien mir ein historisches Originaldokument zu sein. Nach langem Suchen neige ich jetzt aber dazu, dass er erfunden sein muss. Was meint ihr? Ich hätte mir hierzu einen Anhang mit Anmerkungen gewünscht.

Morenga spielt jetzt eine etwas größere Rolle, aber für einen Titelhelden ist sie trotzdem erstaunlich klein.
 
G

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In diesem Leseabschnitt geht in meinen Augen dem Buch etwas die Puste aus. Es steuert auf das Ende zu, so viel Neues kommt nicht mehr.

Dennoch wird die Entwicklung der Person Gottschalk wunderbar geschildert. Ein Menschenfreund, den es ein Glück auch damals gegeben hat! Ein nachdenklicher und empathischer Mensch, der sich traut sich selbst und anderen unangenehme Fragen zu stellen. Und damit auch andere zum Nachdenken bringt und ihnen vielleicht auch zeigt, dass es auch noch mehr ähnlich denkende Menschen gibt. Damit schließt sich irgendwie auch der Kreis, Wenstrup regt Gottschalk zum Nachdenken an und Gottschalk wieder Zeisse. Und dem Leser wird klar, es gibt den humanistischen Grundgedanken auch in den Zeiten des Rassismus! Ein Glück! Und irgendwie auch ein Wunder, wenn man bedenkt und hier auch sieht, wie diese Menschen misstrauisch beäugt werden.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Interessant sind ebenfalls die Thesen des Professor's Brunkhorst. Erklärungen über Menschen, die man so nicht versteht, weil ihre gesamte Kultur eine andere ist. Sicherlich ein für die Zeit typisches Verhalten, zeigt es dennoch wie überlegen sich die Kolonialherren gefühlt haben müssen. Trotz aller Verbrechen gegen die Bevölkerung wird angenommen, dass es ja auch zum Vorteil für sie wäre.
Ein guter Blick in die Gedanken der Menschen.

Und andererseits kann man sich auch fragen warum das Ganze immer so ausufernd besprochen wird. Spricht da nicht eventuell auch ein schlechtes Gewisses??? Vielleicht versucht man sich auch mit diesem Herabwürdigen anderer Menschen das eigene Verhalten schön zu reden. Hier ist auch der Gedanke mit dem Zyankali und der letzten Patrone sehr einleuchtend wie ich finde, zeigt er doch, dass man wusste, dass das eigene und/oder deutsches Verhalten bestraft gehört.

Gottschalk verhält sich hier anders, ihm passiert nichts, vielleicht oder mit Sicherheit auch wegen dem eigenen Verhalten, denn die Namagruppen haben garantiert untereinander auch kommuniziert und wussten sicher genau, wer ihnen wohlgesonnen war. So viele wird es da ja auch nicht gegeben haben.

Allerdings wird Gottschalk auch von Morenga benutzt, aber für Morenga geht es auch um das Weiterbestehen seines Volkes. Interessant fand ich hier dass es erst zu keiner Handreichung zwischen Morenga und Gottschalk kam, nach dem Gespräch aber schon. ...

Und dass Gottschalk nichts passiert, wird natürlich auch von den eigenen Leuten misstrauisch beäugt. Besser wäre es gewesen er wäre tot. Ein gelöstes Problem nämlich. Traurig und auch krank ist so ein Denken!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Die Kolonialmacht bringt immer mehr Soldaten ins Land und kann die Aufständischen trotzdem nicht endgültig besiegen. Die ausländischen Zeitungen spotten bereits, welche Blamage!

Obwohl das auch nicht gut für die Aufständischen ist, denn wenn die Deutschen ihren Ruf wahren müssen, laufen sie sicher zur Hochform auf.

Interessant ist hier auch der Gedanke, dass andere Länder den Aufständischen in anderen Kolonien helfen, aber sicher die Aufständischen in den eigenen Gebieten verfolgen. ...
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Die Kolonialmacht bringt immer mehr Soldaten ins Land und kann die Aufständischen trotzdem nicht endgültig besiegen. Die ausländischen Zeitungen spotten bereits, welche Blamage! Interessant ist hierbei, dass der Sieg 1908 ausgerechnet mit einer Kamelreitertruppe kam und Gottschalk mit seiner Kamelforschung dafür den Grundstein gelegt hat. Das hat Uwe Timm geschickt eingefädelt. Ein bisschen erinnert mich das an Dürrenmatts "Die Physiker" - aber das ist vielleicht auch zu weit hergeholt. Der Pazifist und Ex-Dominikanerpater Meisel hat also schon recht, wenn er Gottschalk beschuldigt, den Unterdrückern bei ihrem blutigen Handwerk geholfen zu haben. Er hat allerdings unrecht, wenn er Gottschalk unterstellt, er hätte sich mit dem Unrecht abgefunden, denn das hat er definitiv nicht. Er hat Magenschmerzen und fühlt sich innerlich wund.

Gottschalk hat Heimweh. Der Gedanke an eine Farm in Afrika erscheint ihm inzwischen absurd. Wie hat der Mann sich verändert!

Den Professor aus Greifswald habe ich zunächst als historische Figur begriffen. Sein Bericht an die Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften schien mir ein historisches Originaldokument zu sein. Nach langem Suchen neige ich jetzt aber dazu, dass er erfunden sein muss. Was meint ihr? Ich hätte mir hierzu einen Anhang mit Anmerkungen gewünscht.

Morenga spielt jetzt eine etwas größere Rolle, aber für einen Titelhelden ist sie trotzdem erstaunlich klein.

Diese Gestaltung Gottschalks ist Timm hervorragend gelungen. Zeigt es ja auch den Konflikt Gottschalks, einerseits gefällt ihm das Handeln des eigenen Landes nicht, ist aber andererseits auch ein Teil davon (mit den Kamelen hat Timm dieses Dilemma noch auf die Spitze getrieben). Denn das Lösen von seinem Heimatland, seinen Wurzeln fällt ihm schwer. Interessant wie er auch auf das Befragen seitens des Dominikanerpaters Meisel reagiert.

Diesem Professor aus Greifswald hätte ich übrigens auch eine Realität unterstellt. :);) Zu einem abschließenden Urteil hierzu bin ich noch nicht gekommen. :D
 

Mikka Liest

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@Sassenach123

Die Frage ist: wie viele haben noch heimlich Zweifel, äußern sie aber nicht, weil sie befürchten, dann Schwierigkeiten zu bekommen?

@Barbara62

Ich war ein wenig enttäuscht von Gottschalks Entwicklung. Ich habe gehofft, er würde wenigstens nicht aktiv mitwirken, indem er einen Vorwand findet, die Aufgabe mit den Kamelen nicht zu übernehmen. Denkt er nicht in einer Passage sogar, er hätte sich nachhause schicken lassen können? Natürlich hätte dann wahrscheinlich nur ein anderer die Aufgabe unternommen, aber trotzdem...

Ja, ich habe auch damit gerechnet, dass Morenga eine viel größere Rolle spielt!

@renee

Im Grunde ist mir Gottschalk auch sympathisch, aber ich war trotzdem enttäuscht, dass er doch noch eine aktivere Rolle in diesem Konflikt übernimmt, wenn auch nicht aus eigenem Antrieb... Ich habe mich zwischendurch gefragt, ob er nicht etwas Sabotage hätte betreiben können, um die Eignung der Kamele herunterzuspielen.

Aber er ist auf jeden Fall ein interessanter, gut geschriebener Charakter.

Irgendwie hat die Sache mit dem Zyankali auch etwas Selbstherrliches. Herr über das Leben bis in den Tod.
 

kingofmusic

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Die Episode mit dem Professor aus Greifswald hat mich an die Gebrüder Schlagintweit erinnert, die auch Schädel vermessen und sogar Masken der Menschen in Indien angefertigt haben. :confused:
 

RuLeka

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Interessant ist hier auch der Gedanke, dass andere Länder den Aufständischen in anderen Kolonien helfen, aber sicher die Aufständischen in den eigenen Gebieten verfolgen. ...
Das können wir ja heute auch noch beobachten: Beim Krieg in Syrien unterstützen ausländische Staaten Regierungstruppen bzw. die Aufständischen und verfolgen damit ihre ureigenen Ziele.
 

RuLeka

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Die Episode mit dem Professor aus Greifswald hat mich an die Gebrüder Schlagintweit erinnert, die auch Schädel vermessen und sogar Masken der Menschen in Indien angefertigt haben. :confused:
Das Vermessen der Schädel war zu dieser Zeit eine anerkannte Wissenschaft, um geistige und charakterliche Eigenschaften in verschiedenen Regionen des Kopfes zu lokalisieren. Später war das ein Instrument der Rassenlehre.
 

RuLeka

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Im Grunde ist mir Gottschalk auch sympathisch, aber ich war trotzdem enttäuscht, dass er doch noch eine aktivere Rolle in diesem Konflikt übernimmt, wenn auch nicht aus eigenem Antrieb... Ich habe mich zwischendurch gefragt, ob er nicht etwas Sabotage hätte betreiben können, um die Eignung der Kamele herunterzuspielen.
Mir gefiel, dass Timm hier kein „ Heldenepos“ geschrieben hat, sondern einen Zweifler und Zögerer als zentrale Figur gewählt hat. Dann hätte er vielleicht Westrups Werdegang verfolgen müssen.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Viele bis heute brisante Themen werden nur gestreift, z.B. die Probleme die Verbindungen zwischen Menschen unterschiedlicher Kultur ergeben könnten, Katharina und Gottschalk. Dann bricht der Autor das Ganze auf die lächerliche Schiene herunter, dass K. wohl ihrer tonnenförmigen Mutter gleichen wird im Alter. Das nehme ich ihm wirklich übel. Ich kann darüber nicht lachen.

Dann die ethische Frage. Inwieweit ist Mitläufertum gleich Tätersache. Das ist die Sache mit den Kamelen. Gottschalk ist ein typischer Mitläufer, kein Held, eigentlich ist er ein Antiheld. Das erkenne ich leider erst jetzt. Er denkt zwar das Richtige, erkennt sogar, was die richtigen Taten wären, die daraus folgern müssten - bleibt aber im Mitläufertum stecken.

Eine Tragödie.
Deutschland - ein Land der Mitläufer.
Auch daran hat sich wenig geändert.
Ich habe alle Hochachtung vor den Veganern. (Einer hier bei uns?) Die erkennen etwas Falsches, nicken nicht nur mit dem Kopf, ja, falsch, sondern setzen ihre Erkenntnisse auch um. Auch wenn es sie etwas kostet.

Ich freue mich über Boris Becker. Der bekannteste Bekenner zur Farbigkeit und Gleichberechtigung (wenn auch eingeschränkt), aber immerhin.
Ich kann mehr und mehr verstehen, warum BB Deutschland verachtet.
 
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kingofmusic

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Morenga spielt jetzt eine etwas größere Rolle, aber für einen Titelhelden ist sie trotzdem erstaunlich klein.
Wenn Timm den Roman "Gottschalk" betitelt hätte, wäre das Buch wahrscheinlich in den Regalen liegen geblieben. Er brauchte einen historisch verbürgten "Kämpfer", um seine kolonialkritischen Gedanken an die Leser*innen zu bringen. Das ist ihm sehr überzeugend gelungen, wie ich finde.
 
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In diesem Leseabschnitt geht in meinen Augen dem Buch etwas die Puste aus. Es steuert auf das Ende zu, so viel Neues kommt nicht mehr.

Dennoch wird die Entwicklung der Person Gottschalk wunderbar geschildert. Ein Menschenfreund, den es ein Glück auch damals gegeben hat! Ein nachdenklicher und empathischer Mensch, der sich traut sich selbst und anderen unangenehme Fragen zu stellen. Und damit auch andere zum Nachdenken bringt und ihnen vielleicht auch zeigt, dass es auch noch mehr ähnlich denkende Menschen gibt. Damit schließt sich irgendwie auch der Kreis, Wenstrup regt Gottschalk zum Nachdenken an und Gottschalk wieder Zeisse. Und dem Leser wird klar, es gibt den humanistischen Grundgedanken auch in den Zeiten des Rassismus! Ein Glück! Und irgendwie auch ein Wunder, wenn man bedenkt und hier auch sieht, wie diese Menschen misstrauisch beäugt werden.
Schön ausgedrückt, liebe @renee !