5. Leseabschnitt: Mitte Kapitel 8 bis Ende (S. 270 bis S. Ende)

sursulapitschi

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18. September 2019
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Zusammenfassung:
Lahnstein verhört Haarmann, der behauptet, er war es nicht. Er erzählt von Grans, mit dem er ein Verhältnis hatte.
Es bleiben noch 36 Stunden, dann müssen sie ihn wieder freilassen. Lahnstein läuft die Zeit davon.

Müller hält Haarmann die Nacht lang wach. Am nächsten Morgen ist der nicht mehr so abgebrüht. Sie verhören Haarmann in drei Schichten.

In der Mittagspause wird er von Theodor Lessing angesprochen, der für das Prager Tagblatt schreibt. Der erklärt ihm, dass Foltermethoden nicht zu den Idealen einer Demokratie gehören und geht wieder. (Diesen Auftritt verstehe ich nicht richtig. War der nötig? Musste es Lessing sein? Wollte man nur, dass Lessing einen Auftritt bekommt?)

Lahnstein setzt Emma unter Druck und bittet sie, ihrem Bruder ein Geständnis zu entlocken. (Was ist denn das für eine blöde Idee? ) Sie tut es aber dann tatsächlich. Körperlich am Ende gesteht Haarmann etwas widerwillig, aber er gesteht. Grans ist auch an den Morden beteiligt, er wollte die Kleidung der Jungs.
Es kommt zur Gerichtsverhandlung, bei der Haarmann einiges zugibt, einiges leugnet und noch andere Fälle beichtet. Insgesamt scheint er 27 Jungs getötet zu haben. Die Verhandlung dauert knapp zwei Wochen. Lessing berichtet darüber kritisch in der Zeitung und wird verwarnt.

Haarmann wird 23 Mal zum Tode verurteilt. Lessing erzählt uns noch kluge Dinge, die mich langweilen.

Ein schriftliches Geständnis taucht auf, in dem Haarmann Grans entlastet und sagt, die Polizei hätte ihn genötigt, Grans zu belasten, aber der wusste von nichts.

Am 15.4.1925 wurde Haarmann hingerichtet.
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Das Ende fand ich ein wenig langweilig im Vergleich zum restlichen Buch. Ich hätte Lessing nicht gebraucht und auch nicht die ganzen Aussagen zu den einzelnen Fällen. Allerdings hätte ich gerne gewusst, wie sie ihn wirklich gefasst haben damals. Ich werde mal Google bemühen.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Beim letzten Teil des Buches fand ich die Dokumente ganz besonders interessant. Haarmanns Brief, der letztendlich Grans entlastet, hat einen seltsamen weinerlichen Ton. Wie überhaupt Haarmann ein deformierter, krankhafter Charakter war.

Während des Verhörs, auch mit der Diskussion über Gewaltanwendung und -androhung, erinnerte ich mich an den Fall des entführten Kindes Metzler. Auch da versuchte man mit Gewaltdrohung den Entführer dazu zu bringen, das Versteck des Kindes preiszugeben. Dafür musste der Polizeichef die Verantwortung übernehmen. Eine schwierige Situation - ich erinnere mich gut an den grinsenden Entführer und die hilflosen Ermittler.
Wie weit darf man gehen, kann man die Rechte eines Täters außer Kraft setzen? Ich denke, der Autor wollte auch das mit Lahnsteins Gedanken ausdrücken.

Nicht ganz sicher bin ich, wie ich mit Lahnsteins eigener sexueller Orientierung umgehen soll. Es gab kleine Hinweise, die wohl zeigen sollten, dass sich Lahnstein selbst nicht sicher ist. Zum Beispiel, als er eine Prostituierte mitnahm und ihm egal ist, ob sie sich als Mann oder Frau entpuppen würde. Oder die Erinnerungen an den Kameraden in der Gefangenschaft, auch da scheint sich Lahnstein nicht sicher zu sein, wie er seine Gefühle einordnen soll.

Aus einem sehr bekannten historischen Fall, der fast schon zur Folklore gehört (Haarmann Lied usw) einen Roman zu machen, ist auch eine Gratwanderung und Interpretationssache. Wo nimmt man sich dichterische Freiheit, wo hält man sich an die historischen Ereignisse?
Hier fand ich die Mischung nicht immer ganz gelungen.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Mir hat das Buch gut gefallen. Ich habe damals den Film "Der Totmacher" gesehen und konnte mich an einige Sachen erinnern. Haarmann ist wirklich ein sehr eigenartiger und nicht sehr sympathischer Mensch gewesen. Lahnstein fand ich als Ermittler sehr zielstrebig, aber im Privatleben eher unsicher.
Der Autor schreibt ja, in welchen Bereichen er sich an die ursprünglichen Aufzeichnungen gehalten hat. Diese Mischung aus Fiktion und Tatsachen hat mich schon überzeugt.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Sorry ich musste etwas länger pausieren, da ich noch so viele andere LR im Moment gleichzeitig habe.

Das Ende war dann nichts überraschendes mehr, außer vielleicht dieser komische Lessing, den ich irgendwie gar nicht verstanden habe. Was für eine Motivation hatte er, das er die Polizeiarbeit schlecht machen wollte. Bei Haarmann hat man ja gesehen, das er nur durch den Schlafentzug endlich seine Taten gestanden hat. Sicher keine schönen Methoden, aber wie hätte sie es ihm sonst nachweisen sollen?

Seinen Brief fand ich dann noch am interessantesten, besonders das er Grans Beziehung zu ihm und was er damals wirklich wusste dort schildert. So schien wenigstens Grans dem Tod entgangen zu sein.

Ansonsten bin ich eher enttäuscht von dem Buch, wie schon in den anderen Abschnitten erwähnt, fehlte mir völlig die Spannung. Und das viele drumherum um Lahnstein als Person war mir mitunter einfach zu viel.

Auch wäre es schön gewesen wenn er am Ende nochmals die Aufstellung der ganzen Jungs gezeigt hätte. So musste ich immer wieder im Internet nachschauen, wer jetzt welcher war oder ob der auch dazu gehört hat.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Das Ende war dann nichts überraschendes mehr, außer vielleicht dieser komische Lessing, den ich irgendwie gar nicht verstanden habe. Was für eine Motivation hatte er, das er die Polizeiarbeit schlecht machen wollte.

Lessing war ein kritischer Geist, unangepasst und als Jude auch schon früh Repressalien ausgesetzt. Als Journalist und Prozessbeobachter legte der den Finger in die Wunde - nämlich dass Haarmann als Polizeispitzel tätig war - er hatte nachvollziehbare Motive die Polizeiarbeit zu hinterfragen, wie ich finde.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich konnte und wollte jetzt nicht mehr aufhören zu lesen :D. Spannend war es. Die Aussagen Lessings (insbesondere am Ende des Gesprächs mit Lahnstein beim Mittagessen) fand ich durchaus interessant und wichtig im Bezug auf das weitere Verhör von Haarmann; man hat schon gemerkt, dass Lahnstein sich mit dem Gesagten "auseinandergesetzt" hat und Müller "in die Schranken" verwiesen hat.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich konnte und wollte jetzt nicht mehr aufhören zu lesen :D. Spannend war es. Die Aussagen Lessings (insbesondere am Ende des Gesprächs mit Lahnstein beim Mittagessen) fand ich durchaus interessant und wichtig im Bezug auf das weitere Verhör von Haarmann; man hat schon gemerkt, dass Lahnstein sich mit dem Gesagten "auseinandergesetzt" hat und Müller "in die Schranken" verwiesen hat.
Da bin ich ganz bei dir! Lessing hinterfragt die Methoden, stellt nicht das Mittel über den Zweck, hält ein Plädoyer für Rechtsstaatlichkeit faires Verfahren und die Demokratie.
"Menschen recht ist eine Totalität, es gilt immer und ohne Ausnhame!"
Es passt hier her und es passt zu Lahnsteins Zerrissenheit. Ich finde das Buch bis zum Schluss absolut gut gemacht!
 

parden

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13. April 2014
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Nun habe ich den Roman auch beendet. Dirk Kurbjuweit scheint sich eng an den bekannten Fakten entlang gehangelt zu haben, das gefällt mir. Das Auftauchen Lessings hat mich zunächst auch irritiert, doch Wikipedia verriet, dass er tatsächlich die dubiose Rolle der hannoverschen Polizei im Falle Haarmann öffentlich gemacht hat und daraufhin vom Prozess ausgeschlossen wurde. Ich nehme jetzt einfach mal an, dass das (fiktive) Gespräch Lessings mit Lahnstein auf anderen Publikationen Lessings beruht - ich finde diese Position in jedem Fall bemerkenswert, weil sie sich kritisch damit auseinandersetzt, was eine Demokratie / Republik wirklich verträgt und was ihr womöglich eher schadet.

Ich fand den Roman nicht schlecht, allerdings ähnlich zerrissen wie Lahnstein als Charakter. Mir sagte der Kommissar nicht sonderlich zu, aber er passte als Figur schon in das Zeitgeschehen hinein. In jedem Fall vermittelt das Buch den Zeitgeist der damaligen Epoche hervorragend.
 

Mikka Liest

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@sursulapitschi

Ich fand gut, dass Lessing einen Auftritt bekommt – er hat ja nicht nur das Buch über Haarmann geschrieben, sondern gehörte als Jude auch zu den ersten bekannten Opfern des Nationalsozialismus. Das passt gut zu dem, wie der Fokus in unserem Buch hier auf der Zeitgeschichte liegt.

@Bibliomarie

Ich fand die Mischung aus Fakt und Fiktion eigentlich ganz gelungen, ich fand auch gut, dass der Autor mit Lahnstein einen erfundenen Charakter in den Mittelpunkt stellt, wodurch er mehr Freiheiten hat.

@claudi-1963

Ich war hin- und hergerissen. Eigentlich stimme ich Lessing ja zu, dass es in einer Demokratie nie, niemals Folter geben darf, aber andererseits wäre diese Mordserie sonst wahrscheinlich immer weitergegangen...

@kingofmusic @ulrikerabe @parden

Ich hätte es sehr schade gefunden, wenn Lessing in diesem Buch keinen Auftritt bekommen hätte!
 

claudi-1963

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@sursulapitschi

Ich fand gut, dass Lessing einen Auftritt bekommt – er hat ja nicht nur das Buch über Haarmann geschrieben, sondern gehörte als Jude auch zu den ersten bekannten Opfern des Nationalsozialismus. Das passt gut zu dem, wie der Fokus in unserem Buch hier auf der Zeitgeschichte liegt.

@Bibliomarie

Ich fand die Mischung aus Fakt und Fiktion eigentlich ganz gelungen, ich fand auch gut, dass der Autor mit Lahnstein einen erfundenen Charakter in den Mittelpunkt stellt, wodurch er mehr Freiheiten hat.

@claudi-1963

Ich war hin- und hergerissen. Eigentlich stimme ich Lessing ja zu, dass es in einer Demokratie nie, niemals Folter geben darf, aber andererseits wäre diese Mordserie sonst wahrscheinlich immer weitergegangen...

@kingofmusic @ulrikerabe @parden

Ich hätte es sehr schade gefunden, wenn Lessing in diesem Buch keinen Auftritt bekommen hätte!

Ich war hin- und hergerissen. Eigentlich stimme ich Lessing ja zu, dass es in einer Demokratie nie, niemals Folter geben darf, aber andererseits wäre diese Mordserie sonst wahrscheinlich immer weitergegangen...
Klar deshalb war ich ja auch hin- und hergerissen, den eigentlich hatte es Haarmann verdient er ging mit seinen Opfern auch nicht zimperlich um. Trotzdem sollte das Gesetz ja anders reagieren wie die Täter.
 
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Sassenach123

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Mich hat der Brief von Haarmann überrascht, in dem er Grans entlastet. Das Haarmann ihn beim Prozess absichtlich mit hineingezogen hat, kann ich mir gut vorstellen. Es passt irgendwie zu dem, was wir von ihm kennengelernt haben. Doch ich habe es teilweise so verstanden, dass es Zeugenaussagen gab, die Haarmanns Aussage bekräftigten und nicht die Grans, und das erscheint mir dann doch ein wenig widersprüchlich zu sein.....
Der Autor hat einen authentischen Roman geliefert, der trotz des fiktiven Lahnstein gut funktioniert hat. Wenn mir Lahnstein als Charakter zwar nicht gut gefallen hat,war er aber eine gute Fassade um die Geschichte um einen schrecklichen Serienmörder zu erzählen.
 
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Sassenach123

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Ich war hin- und hergerissen. Eigentlich stimme ich Lessing ja zu, dass es in einer Demokratie nie, niemals Folter geben darf, aber andererseits wäre diese Mordserie sonst wahrscheinlich immer weitergegangen...
Klar deshalb war ich ja auch hin- und hergerissen, den eigentlich hatte es Haarmann verdient er ging mit seinen Opfern auch nicht zimperlich um. Trotzdem sollte das Gesetz ja anders reagieren wie die Täter.
Durch Lessing wurde dieser Widerspruch gut dargestellt. Natürlich ist es nicht richtig Gefangene zu foltern um ein Geständnis zu erzielen. In Haarmanns Fall wollte aber auch niemand weitere Opfer. Wirkliche Zweifel an seiner Unschuld hatte zu dem Zeitpunkt auch wohl keiner mehr.....