5.Leseabschnitt: Lepra und Aktbilder (Kapitel 41 - 55)

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Dazu passt ja auch der Satz "Cordelia hatte die Tendenz zu existieren". Der kommt mindestens zweimal vor.
Aber UNBEWUSST macht Cordelia das nicht. Sie gibt den Druck weiter. Ihr ist aber klar, dass sie die andere damit schikaniert.
...ihr Verhalten ist ihr bestimmt bewusst. Was ihr vermutlich nicht bewusst ist, ist die Motivation dahinter.
 

Literaturhexle

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Dahinter steckt m. E. nicht nur das gesunde Bedürfnis, sich abzugrenzen oder zu wehren. Es geht um Macht, Stärke und ich denke, es geht auch um Rache.
Herrlich, wie du das Verhältnis der beiden seziert hast. Diese vielen Beispiele erleuchten deren Innenleben.
Resultiert Elaines Zwang, jedem zu helfen oder "Geld aus ihrem Herzen fließen" zu lassen, auch dieser Gefallsucht?
Oder eher - wie früher angenommen- aus der Tatsache heraus, dass sie selbst einmal das Opfer war?
 
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Literaturhexle

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...hat sie das wirklich?
Nach deiner Herleitung hat sie das ganz klar nicht! Das ist das Interessante.
Das Verhältnis zu Cordelia ist absolut umgekehrt worden. Da ist Elaine jetzt die Stärkere, diejenige, die die Regeln vorgibt.

Im Verhältnis zu anderen Menschen ist.sie das nicht. Da tanzt sie nach Josefs Pfeife und akzeptiert Jons Affären. Allerdings auch nur bis zu einem gewissen Grad.
 

SuPro

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Herrlich, wie du das Verhältnis der beiden seziert hast. Diese vielen Beispiele erleuchten deren Innenleben.
Resultiert Elaines Zwang, jedem zu helfen oder "Geld aus ihrem Herzen fließen" zu lassen, auch dieser Gefallsucht?
Oder eher - wie früher angenommen- aus der Tatsache heraus, dass sie selbst einmal das Opfer war?
... ich glaube ja, dass es eine Mischung ist.
- „Gefallsucht“
- Wiedergutmachungstrieb (das Böse in sich mit dem Guten ausgleichen)
- Empathie aufgrund von Identifikation mit dem Opfer/Schwachen
 

SuPro

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Das Verhältnis zu Cordelia ist absolut umgekehrt worden. Da ist Elaine jetzt die Stärkere, diejenige, die die Regeln vorgibt.
...wobei die neue Rollenverteilung bei ihrem Wiedersehen ins Wanken gerät. Da fühlt Elaine sich unterlegen, als Cordelia sich inszeniert. Bleibt die Frage, ob die wieder kippt-die neue Rollenverteilung...
 
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MRO1975

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11. August 2018
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Nach deiner Herleitung hat sie das ganz klar nicht! Das ist das Interessante.
Das Verhältnis zu Cordelia ist absolut umgekehrt worden. Da ist Elaine jetzt die Stärkere, diejenige, die die Regeln vorgibt.

Im Verhältnis zu anderen Menschen ist.sie das nicht. Da tanzt sie nach Josefs Pfeife und akzeptiert Jons Affären. Allerdings auch nur bis zu einem gewissen Grad.
Ich denke schon, dass Elaine sich verändert hat. Wenn der Bogen überspannt wird, sagt sie „Nein“. Das geschieht bei Cordelia und bei Josef. Allerdings hat sie den Hang, immer wieder in die Falle zu gehen oder sie wankt zumindest. Ihre Abnabelung ist noch nicht abgeschlossen - da hast du Recht.
 

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Ich denke schon, dass Elaine sich verändert hat. Wenn der Bogen überspannt wird, sagt sie „Nein“. Das geschieht bei Cordelia und bei Josef. Allerdings hat sie den Hang, immer wieder in die Falle zu gehen oder sie wankt zumindest. Ihre Abnabelung ist noch nicht abgeschlossen - da hast du Recht.
Das sieht man ja zu Beginn der Handlung auch noch gegenüber ihrer Galeristin. Da widerspricht sie auch nicht und äußert, sie lasse sich von solchen Frauen beherrschen. Und da haben wir es mit der erwachsenen Elaine zu tun.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich reagiere bei diesem Buch von Atwood anders als ich es bisher bei dieser Autorin erlebt habe, ich brauche sehr lange beim Lesen und ich wundere mich schon etwas darüber.

Und dies liegt definitiv nicht an der Schreibe der Atwood. Die fasziniert wie auch bisher. Also scheint es die Thematik zu sein.

Die Beschreibung dieser beiden Frauen, dieser alten Zeit, irgendwie stößt mich dieses Weiche und auch irgendwie Richtungslose ab. Wir möchten gefallen … dass ist etwas, was sich mir nicht erschließt. Wogegen sich in mir förmlich alles sträubt, wogegen ich mich innerlich wehre.

Gerade durch dieses intensive Empfinden wird die Schreibkunst der Atwood wieder klar, denn die erzeugt ja diese intensiven Gefühle bei mir.

Cordelia ist Opfer und Täter. Zumindest vermuten wir dies. Sie wird durch den Vater erzogen und gibt diese Erfahrungen weiter. Was ja einerseits auf jemanden deuten könnte, der tough durch das Leben geht. Andererseits braucht sie ein Publikum vor dem sie sich groß macht und ein Opfer, das mitspielt. Dies scheint sie in der Kindheit hinzukriegen, später aber nicht mehr, später mutiert sie zu einem sehr weichen, formbaren Menschen, der kaum etwas Eigenes hat. Der einfach existiert! Doch was hat sie dazu gemacht. Ich denke hier wird die Atwood später noch auflösen. Mal schauen.

Elaine ist durch ihr Aufwachsen in der Familie, ihr frühes Leben in der Abgeschiedenheit vielleicht ein wichtiger Teil in ihrer Entwicklung verloren gegangen. Der Umgang mit Mitmenschen, soziale Kontakte und die Selbstbehauptung in einer Gruppe! Etwas, was sie später nachholen muss. Aber durch das Erleben einer tiefgreifenden Erniedrigung durch eine vermeintliche Freundin im Kreise anderer vermeintlicher Freundinnen scheint einiges in ihr kaputt gegangen zu sein. Sie tauscht die Rollen als sie merkt, dass sie dazu in der Lage ist, war Opfer und wird jetzt zur Täterin, einerseits meint sie dass dies ihr etwas geben könnte. Aber tut es das? Es ist die Frage, wie Elaine jetzt mit diesem Wissen umgeht. Steuert die Handlung noch auf ein entsetzliches Finale zu??? Ich denke schon, denn die Atwood wird hier etwas mitteilen wollen.

Jon taucht schon sehr früh in Elaines Leben auf. Ist dieses so frühe Auftauchen ein gutes Zeichen, etwas was Elaine helfen wird??? Etwas was ihr eventuell hilft zu dieser anderen Person zu werden. Denn die erwachsene Elaine wirkt wie ein vollkommen anderer Mensch. Und die Frage ist wie sie dazu geworden ist. Andeutungen einer Wandlung gibt es ja, z. B. in ihrer Antwort auf Josefs Frage auf Seite 374.

"Würdest du alles für mich tun ?" Wie kann man nur so eine Frage stellen? Was für ein Mensch muss man da sein, entweder ein manipulativer oder ein suchender. Und was für einer ist Josef???
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
„Verflossene Liebhaber gehen den gleichen Weg wie alte Fotografien, sie bleichen allmählich aus, wie in einem langsamen Säurebad: zuerst die Leberflecken und Pickel, dann die Schattierungen, dann die Gesichter selbst, bis nichts bleibt außer den allgemeinen Konturen.“

Ein wirklich interessanter Satz! Auch ich bin hier hängen geblieben.

"Jungen brauchen dieses Schweigen, das liegt in ihrer Natur; man darf sie nicht durch zu viel Reden erschrecken, nicht hastig werden. Was sie am Ende selbst von sich geben, ist nicht besonders wichtig. Das Wichtigste ist das Schweigen zwischen den Worten. Ich weiß, dass wir dasselbe wollen: entkommen. Sie wollen der Erwachsenen und den anderen Jungen entkommen, und ich will den Erwachsenen und den anderen Mädchen entkommen. Wir suchen nach einsamen Inseln, flüchtig, unwirklich , aber vorhanden." S. 290

Auch hier bin ich hängen geblieben. Diese Worte sind mindestens genauso interessant wie obige.

Einen anderen interessanten Blick auf Elaine findet man hier:

"Männern zu vergeben ist so viel leichter, als Frauen zu vergeben." S. 326

"Und ich habe noch nicht gelernt, dass Ritterlichkeit bei Männern Idiotie bei Frauen ist: Männer können sich aus einer Rettungsaktion sehr viel leichter zurückziehen, Frauen kommen nur schwer wieder raus, wenn sie erst einmal drin sind." S. 350
 

Querleserin

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„Verflossene Liebhaber gehen den gleichen Weg wie alte Fotografien, sie bleichen allmählich aus, wie in einem langsamen Säurebad: zuerst die Leberflecken und Pickel, dann die Schattierungen, dann die Gesichter selbst, bis nichts bleibt außer den allgemeinen Konturen.“

Ein wirklich interessanter Satz! Auch ich bin hier hängen geblieben.

"Jungen brauchen dieses Schweigen, das liegt in ihrer Natur; man darf sie nicht durch zu viel Reden erschrecken, nicht hastig werden. Was sie am Ende selbst von sich geben, ist nicht besonders wichtig. Das Wichtigste ist das Schweigen zwischen den Worten. Ich weiß, dass wir dasselbe wollen: entkommen. Sie wollen der Erwachsenen und den anderen Jungen entkommen, und ich will den Erwachsenen und den anderen Mädchen entkommen. Wir suchen nach einsamen Inseln, flüchtig, unwirklich , aber vorhanden." S. 290

Auch hier bin ich hängen geblieben. Diese Worte sind mindestens genauso interessant wie obige.

Einen anderen interessanten Blick auf Elaine findet man hier:

"Männern zu vergeben ist so viel leichter, als Frauen zu vergeben." S. 326

"Und ich habe noch nicht gelernt, dass Ritterlichkeit bei Männern Idiotie bei Frauen ist: Männer können sich aus einer Rettungsaktion sehr viel leichter zurückziehen, Frauen kommen nur schwer wieder raus, wenn sie erst einmal drin sind." S. 350
Sie hat ein interessantes (überholtes?) Frauen- und Männerbild. Bei vielem möchte man sagen, nein, so sollte es nicht sein.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Sie hat ein interessantes (überholtes?) Frauen- und Männerbild. Bei vielem möchte man sagen, nein, so sollte es nicht sein.

Und verdeutlicht damit eine einerseits vergangene Zeit und andererseits fallen einem doch auch ähnlich tickende Exemplare/ähnliche Sequenzen in der Jetztzeit ein und man bemerkt "so viel" hat sich auch noch nicht geändert.