5.Leseabschnitt: Lepra und Aktbilder (Kapitel 41 - 55)

Querleserin

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In diesem Abschnitt ist mir zum ersten Mal aufgefallen, die Kapitelüberschriften gleichzeitig Titel der Bilder sind, die in der Ausstellung hängen - das wird am Ende offensichtlich, wenn ich das schon mal verraten darf.
Ein Bild hat Elaine von Cordelia gemalt - Halbes Gesicht - ein Bild, auf dem Cordelia Angst vor Elaine hat, die sich hinter einer Maske versteckt, ich „wahres“ Ich versteckt?
„Ich habe keine Angst, Cordelia zu sehen. ich habe Angst, Cordelia zu sein. Denn in gewisser Hinsicht haben wir die Plätze getauscht, und ich habe vergessen wann.“
Meisterhaft von Frau Atwood... diese Andeutungen.
Und es zeigt sich, dass Elaine ihre grausame Seite kultiviert. Gemeinsam mit Cordelia verspotten sie die Smeath gemeinsam, verraten ihre einstige Bewunderung für Grace.
„Dieses Spiel ist für mich zutiefst befriedigend. Ich kann mir meine Rohheit nicht erklären;“ und
die Konstellation zwischen Elaine und Cordelia hat sich gedreht - jetzt ist es Elaine, die ihre Macht über Cordelia auslebt, indem sie ihr z.B. auf dem Friedhof Angst macht.
„Ich bin überrascht, wieviel Vergnügen es mir macht zu wissen, dass ich soviel Macht über sie habe.“
Jetzt ist sie die Stärkere, was sicherlich auch mit Cordelias schulischem Versagen zusammenhängt. Elaine hat eine „spitze Zunge“, die vor allem Cordelia zu spüren bekommt. Mir scheint es Elaine hat sich seit der Nacht, als sie fast erfroren ist, einen Schutzpanzer zugelegt, die Jungfrau Maria hat ihr den schwarzen Mantel geliehen, mit dem sie jetzt selbst Macht ausübt.
Gleichzeitig wird sie erwachsenen, geht mit Jungs aus, sammelt erste Erfahrungen.
Interessant fand ich Stephens Bemerkung, „Cordelia hat die Tendenz, zu existieren.“ Das klingt so, als habe sie keine echte Persönlichkeit, als spiele sie jeder Zeit eine Rolle. Das beobachtet Elaine auch im Umgang mit Jungen - Cordelia äfft immer jemanden nach. Allmählich tut mir sie Leid und es wird immer deutlicher, dass sie als Kind gegenüber Elaine ihren Vater kopiert hat. Sie hat das, was er zu ihr sagt, an Elaine weitergegeben. Sie selbst fühlt sich unzulänglich.
„Sie hat Angst, ihm nicht zu gefallen, und gibt sich große Mühe. Und doch ist er nie zufrieden mit ihr.“
Elaine ist wütend auf Cordelia, weil sie sich ihrem Vater unterwirft — eine Wut, die sich letztlich gegen sie selbst richtet, weil sie so lange unterwürfig war. Kommen daher die Depressionen? Cordelia spiegelt ihr ihr eigenes kindliches Verhalten, sie haben die Rollen getauscht und Elaine wird bewusst, dass Cordelia selbst eine verletzte Seele ist.
Daher distanziert sie sich von ihr und als die Familie wegzieht, ist die Freundschaft „beendet“, ein letzter Besuch offenbart, dass Cordelia kurz vor dem Zusammenbrechen ist und Elaine nicht gewillt, ihr zu helfen.
In der Gegenwart trifft sich Elaine mit Jon, beide verzeihen sich. Ein Satzbist mir aufgefallen:
„Verflossene Liebhaber gehen den gleichen Weg wie alte Fotografien, sie bleichen allmählich aus, wie in einem langsamen Säurebad: zuerst die Leberflecken und Pickel, dann die Schattierungen, dann die Gesichter selbst, bis nichts bleibt außer den allgemeinen Konturen.“
Elaine erzählt von ihrem ersten Malkurs und ihrer Affäre mit Josef, der zeitgleich eine andere Freundin hat. Auch unterwirft sich Elaine zunächst, sie ist unglücklich. Am Ende des Abschnitts trifft sie noch einmal Cordelia, auch sie ist am Rande des Zusammenbruchs.
 

Literaturhexle

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„Verflossene Liebhaber gehen den gleichen Weg wie alte Fotografien, sie bleichen allmählich aus,
Dieser Satz ist wirklich wieder mal genial. Ich bin noch nicht ganz fertig mit dem Abschnitt, aber es ist doch absolut beeindruckend, wie die Autorin die Opferrolle dreht! Damit hätte man doch am Anfang überhaupt nicht gerechnet.
Wobei: das Vokabular Cordelias , das sie beim Mobben benutzte, kam mir reichlich erwachsen vor. Insofern war es klar, dass sie dafür ein erwachsenes "Vorbild" haben musste. Ich freue mich aufs Weiterlesen, gestern Abend war ich zu müde.:(
 

Querleserin

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Dieser Satz ist wirklich wieder mal genial. Ich bin noch nicht ganz fertig mit dem Abschnitt, aber es ist doch absolut beeindruckend, wie die Autorin die Opferrolle dreht! Damit hätte man doch am Anfang überhaupt nicht gerechnet.
Wobei: das Vokabular Cordelias , das sie beim Mobben benutzte, kam mir reichlich erwachsen vor. Insofern war es klar, dass sie dafür ein erwachsenes "Vorbild" haben musste. Ich freue mich aufs Weiterlesen, gestern Abend war ich zu müde.:(
Ich übe mich in Geduld, es ist nicht immer von Vorteil, wenn man eine schnelle Leserin ist :D;). Freue mich jedoch auf die kommenden Diskussionen:)
 
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Literaturhexle

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Elaine hat auch an der Uni noch immer den Zwang, dazu gehören zu wollen. Sie trägt die gleiche Uniform (Jeans und schwarzen Rolli) wie die anderen. In der Gesellschaft von Jungen fühlt sie sich wohl, ist in der Kneipe gern das Huhn im Korb.

Der Ungarn-stämmige Josef hat sie in seinen Akt-Malkurs aufgenommen, wofür sie ihm dankbar ist. Offensichtlich hat jener eine Affäre mit der Mitstudentin Susie. Ungeachtet dessen lässt sich auch Elaine auf den Lehrer ein. Es ist ihr Erstes Mal, womit der Ältere nicht gerechnet hat. Es ist eine eigenartige Beziehung. Ich stimme @Querleserin zu, in gewisser Weise unterwirft sie sich. Sie verdrängt die Existenz Susies, sie akzeptiert, dass sie in Josefs Zukunft keine Rolle spielt. Dennoch fühlt sie sich leer und unglücklich. Mit Details werden wir nicht versorgt. Die Kontakte zu Josef finden aber streng nach seinen Plänen statt. Sie berauscht sich an seiner Leidenschaft.

Ich habe das Gefühl, dass Susie schwanger ist. Beim letzten Zusammentreffen wirkte sie runder, außerdem wirkt Josef sehr nachdenklich, als er über sie spricht.
Stolz war ich auf Elaine, als sie mit einem "Nein" deutlich macht, dass sie NICHT alles für Josef tun würde. Eine komische Frage. Was hatte Josef da im Sinn?

In der letzten Szene geht sie mit Jon aus. Sie hat sich dazu ihr feminines rotes Kleid angezogen. Für Jon ist sie jedoch nur ein Kumpel "ehrenhalber". Als er erneut über Josef und dessen Verbindung zu Susie lästert, fängt Elaine an zu weinen. Jon bringt sie zu sich nach Hause und sie landen im Bett. (Wir wissen ja bereits, dass sie mit ihm verheiratet war).
 

sursulapitschi

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Das liegt mir einfach nicht. Ich muss mich immer ganz auf eine Geschichte konzentrieren, in die ich mich vertiefen kann. Nebenbei ein Hörbuch ist das höchste der Gefühle ;)
Das geht mir ganz genauso und deshalb überhole ich auch sehr oft eine Leserunde. Nur hier bin ich schneckig langsam. Ich muss das Buch sehr oft weglegen, es ist zu bedrückend bisweilen.
 

sursulapitschi

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Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, wann und wie Elaine denn Malerin geworden ist. Die Serie „Die Unterhosen des Empire“ – köstlich!
Sie rechnet mit ihren Bildern mit der Vergangenheit ab und diese Bilder sind unbequem. Warum ist sie dann so verbittert über kritische Presseberichte? Damit muss man doch rechnen und das muss sie auch gewohnt sein, wenn sie mit provokanter Kunst berühmt geworden ist.


50er Jahre sind eine grauenhafte Zeit. Darüber denkt man nicht so nach, wenn man sie an Doris Day Filmen festmacht, aber wie Frauen unterwürfig den Mann im Haus bedienern und es selbstverständlich finden, ist schon höchst befremdlich. Es mag überzogen dargestellt sein, wie es in Cordelias Familie zugeht, aber es hat einen scheußlich waren Kern.

Letztendlich hat Cordelia als Kind Elaine wohl nur als Blitzableiter benutzt. Hat sie selbst gar nicht gemerkt, wie fies sie war oder hat sie das verdrängt? Manche ihrer Aussagen klingen, als wäre ihr das gar nicht bewusst geworden. Oder vielleicht muss sie es auch nur so hinstellen, andernfalls müsste man wohl unschöne Dinge aussprechen.
 

Literaturhexle

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Ich muss das Buch sehr oft weglegen, es ist zu bedrückend bisweilen.
Zudem ist es sprachlich fordernd, man muss die Sätze sehr aufmerksam lesen, finde ich.
aber wie Frauen unterwürfig den Mann im Haus bedienern und es selbstverständlich finden, ist schon höchst befremdlich. Es mag
Anscheinend war das nicht nur in Deutschland so, sondern in weiten Teilen der Welt. Unglaublich, wie Gesellschaften sich parallel entwickeln:confused:. So globalisiert wie heute war man ja noch nicht.
Letztendlich hat Cordelia als Kind Elaine wohl nur als Blitzableiter benutzt. Hat sie selbst gar nicht gemerkt, wie fies sie war oder hat sie das verdrängt? M
Sie muss es doch verdrängt haben, ähnlich wie Elaine diese Zeit auch ausgeklammert hat. Vielleicht hatte sie auch ihr eigenen Probleme, die das überlagert haben. Aber das hatte doch Methode. Nur an kindliche Naivität mag ich nicht glauben. Mutter Smeathe war schließlich auch im Bilde....
 

Querleserin

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Letztendlich hat Cordelia als Kind Elaine wohl nur als Blitzableiter benutzt. Hat sie selbst gar nicht gemerkt, wie fies sie war oder hat sie das verdrängt?
Ich sehe das auch so, dass Cordelia das, was sie selbst von ihrem Vater erfahren hat, an Elaine bewusst weitergegeben hat. Umgekehrt hat Elaine, nachdem ihr Cordelias Schwäche bewusst geworden ist, eben diese ausgenutzt. Cordelia ist für mich als Individuum überhaupt nicht greifbar. Es scheint, als ahme sie immer jemanden nach, passe sich an, Spiele eine Rolle.
 

MRO1975

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Interessant fand ich Stephens Bemerkung, „Cordelia hat die Tendenz, zu existieren.“ Das klingt so, als habe sie keine echte Persönlichkeit, als spiele sie jeder Zeit eine Rolle. Das beobachtet Elaine auch im Umgang mit Jungen - Cordelia äfft immer jemanden nach. Allmählich tut mir sie Leid und es wird immer deutlicher, dass sie als Kind gegenüber Elaine ihren Vater kopiert hat. Sie hat das, was er zu ihr sagt, an Elaine weitergegeben. Sie selbst fühlt sich unzulänglich.
Da stimme ich dir zu. Cordelia ist hohl und hat keine eigene Persönlichkeit, sie definiert sich über andere. Sie will ihrem Vater gefallen - so wie Elaine am Anfang den anderen Mädchen gefallen will. Doch Elaine hat sich von dieser Gefallsucht frei gemacht. Cordelia gelingt das nicht. Die Schauspielerei passt super zu ihr. Auch, dass Elaine sie in dem Kostüm nicht einmal erkennt, fand ich passend.

Mittlerweile tut mit Cordelia fast leid. Ich habe den Eindruck, dass zwischen ihr und ihrem Vater schlimme Dinge vorgefallen sind.
 

MRO1975

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Es ist eine eigenartige Beziehung. Ich stimme @Querleserin zu, in gewisser Weise unterwirft sie sich. Sie verdrängt die Existenz Susies, sie akzeptiert, dass sie in Josefs Zukunft keine Rolle spielt.
Josef ist ein Fiesling, der seine Rolle als Lehrer ausnutzt. Er unterhält parallel zwei Beziehungen zu seinen Studentinnen und spielt mit ihnen dasselbe Spiel wie Cordelia damals mit dem Mädchen. Hinter dem Rücken der jeweils anderen wird über die Liaison mit der anderen gesprochen. Ich bin mir sicher, dass er mit Susie auch über Elaine spricht - wie schwach und abhängig sie ist und dass er sie deshalb nicht verlassen kann. Furchtbar! Elaine scheint einen Hang zu haben, sich an die falsche Leute zu hängen. Ich bin froh, dass sie am Ende des Abschnitts den Absprung geschafft hat.
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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„Ich habe Angst, Cordelia zu sein. Denn in gewisser Hinsicht haben wir die Plätze getauscht, und ich habe vergessen, wann.“ (S. 277). Das ist ein Gedanke der erwachsenen Elaine. Er stimmt mich nachdenklich und macht mich hellhörig.

Die Entwicklung der jungen Elaine gefällt mir gar nicht. Sie verbündet sich mit Cordelia und nähert sich ihr an. Sie lästert mit ihr und erlangt die Fähigkeit, sie zu verunsichern, was sie zu genießen scheint. „ Ich bin überrascht, wie viel Vergnügen es mir macht, zu wissen, dass Cordelia so unsicher ist, zu wissen, dass ich so viel Macht über sie habe.“ und „Ich habe einen viel dichteren, boshafteren kleinen Triumph in den Händen: Energie ist zwischen uns hin und her gegangen, und ich bin die Stärkere.“
„ Ich habe ein böses Mundwerk. Ich habe ein so böses Mundwerk, dass ich dafür inzwischen bekannt bin.“

Dahinter steckt m. E. nicht nur das gesunde Bedürfnis, sich abzugrenzen oder zu wehren. Es geht um Macht, Stärke und ich denke, es geht auch um Rache.

Das Blatt wendet sich.

Cordelia erscheint weicher und empfindsamer - Elaine härter und bösartiger. „Ich finde, Cordelia wird immer gefühlsduseliger. Sie wird ein richtiger Waschlappen.“ (S. 304)

Cordelia interessiert mich. Sie wurde ja nicht so boshaft, berechnend und machtgierig geboren, wie sie Elaine gegenüber ursprünglich aufgetreten ist.
Sie selbst ist in einem ausgeprägten Machtgefälle aufgewachsen. Allerdings war sie da auf der Seite der Ohnmächtigen/Machtlosen/Schwächeren:
Cordelia strebte danach, ihrem Vater zu gefallen, aber sie konnte ihm nichts recht machen. Sie gab ihm Macht über sich - wie einst Elaine Cordelia Macht gegeben hat.
Außerdem hatte er auch aufgrund seiner Unberechenbarkeit Macht über sie. „Ich dachte, wenn ich mich ganz still verhielt, und niemandem im Weg war und nichts sagte, wär ich in Sicherheit.“ (S. 311)

Ihr Gefühl der Kleinheit und Ohnmacht, auch gegenüber den älteren Schwestern, gab sie einst an Elaine weiter.

Ich denke, das Ereignis in der Schlucht war der Wendepunkt. Die Machtverhältnisse haben sich umgekehrt. Elaine hat Cordelia die Macht entzogen und dadurch kippte Cordelias Selbstsicherheit.

Mit Cordelia geht es bergab. „Cordelia ist ein Wrack.“ (S. 315). Sie bittet Elaine, zu kommen, hofft wohl auf Hilfe in welcher Form auch immer. Wahrscheinlich hofft sie unbewusst, wieder das alte Machtgefüge herstellen zu können, damit sie wieder zu ihrem inneren Gleichgewicht und ihrer alten inneren Selbstsicherheit zurückfindet. Aber Elaine spielt da nicht mit. Sie ist distanziert. „Ich bin über mich selbst erschrocken, über meine Grausamkeit und Gleichgültigkeit, meinen Mangel an Gutmütigkeit.“

Später nimmt Cordelia, die inzwischen eine Anstellung als Schauspielerin hat, wieder Kontakt auf und sie treffen sich. In dieser Begegnung inszeniert sich Cordelia und Elaine fühlt sich unterlegen. Die neue Machtverteilung schwankt schon wieder. Konkurrenz und Rivalität zwischen den beiden ist spürbar. Wie dieses Machtspiel wohl weitergeht?

Wenn man sich die Affäre zwischen Elaine und Josef Hrbik, ihrem Lehrer genauer betrachtet, stößt man auf die gleichen Themen. Elaine will ihm gefallen. Sie will seine Erwartungen erfüllen und ihn nicht enttäuschen. (S. 360) „Er möchte... er möchte...er möchte...“ und SIE??? (S. 362)
„Josef ist dabei, mich umzumodeln.“ (S. 372) Schon wieder jemand, der sie manipulieren und verändern will. Schon wieder jemand, dem sie das gestattet.
Es ist eine Neuauflage der Beziehung zu Cordelia.

Es sieht erst einmal nicht nach großer Leidenschaft und schon gleich gar nicht nach Liebe von Seiten Elaines aus.
Sie will ihm eher gefallen und seinen Erwartungen entsprechen. (S. 360) Wie bei Cordelia!

Es ist nicht Leidenschaft oder gar Liebe, die sie an ihn bindet, sondern es sind ihre Gefallsucht, sein Verlangen, das ihr ein Gefühl von Wert vermittelt und seine Unberechenbarkeit, die sie reizt und gleichzeitig einschüchtert.

Sie gibt ihm Macht über sich. Ein kurzer Austausch zwischen ihnen macht Hoffnung: „Würdest du alles für mich tun?“ Ihre Antwort: „Nein.“. (S. 374)

Elaine genießt es, im vermeintlichen Beschützen von Susie, seiner anderen Geliebten, seine Verbündete zu sein (S. 363). Die Verbündete zu sein, erlebt sie als Aufwertung.
Sie meint, Susie beschützen zu können und dadurch fühlt sie sich stärker.

Dass sie sich zur Geliebten und noch dazu zu einer zweiten Geliebten degradieren lässt, zeigt, wie wenig Selbstwertgefühl und Tendenz zur Erniedrigung sie hat.

Elaine ist stolz darauf, dass Josef ihr vertraut und sie ist stolz darauf, dass sie ein Geheimnis kennt. Sie fühlt sich dadurch überlegen und wertvoller.

Ein ewiges Jonglieren zwischen Aufwertung und Abwertung, zwischen Macht und Ohnmacht sowie zwischen sich erheben und sich unterwerfen.

Elaine orientiert sich an den Erwartungen anderer und ist abhängig von deren Wertschätzung.

Ein gesundes Selbstbewusstsein und ein gesundes Selbstwertgefühl wären ihr zu wünschen.

Vor diesem Hintergrund ist diese Aussage nicht verwunderlich: „Ohne Warnung überfällt mich die Erkenntnis, dass ich unglücklich bin“.

„Die Liebe macht Susie schlaff, willenlos, ohne Rückgrat; so wie mich.“ (S. 375) Das ist ein interessanter Gedanke von Elaine, aber ich habe Zweifel an dem Wort „Liebe“. Zunächst einmal spüre ich im Gelesenen nichts von einer Liebe zu Josef. Ich glaube nicht, dass es Liebe ist, sondern das narzisstische Bedürfnis geliebt, verehrt und bewundert zu werden, um sich als wertvoll(er) zu erleben.

Eileen ist narzisstisch. Sie wertet die Einen ab und will überlegen sein und sie wertet die Andern auf und will Ihnen gefallen/unterwirft sich ihnen.
Das alles dient zur Regulation und Stabilisierung ihres inneren Gleichgewichts. Bricht diese Regulation zusammen, dann landet sie in einer narzisstischen Krise, die sich in einer Depression zeigen kann.

Ach ja, noch ein Gedanke zu der Jon-Geschichte am Ende:

Ich würde mal schätzen dass sie bereits unbewusst in John verliebt ist, bzw. dass er sie reizt bzw. dass er der nächste sein wird, dem sie um jeden Preis gefallen möchte.
Es ist ihr nicht egal, wie sie aussieht und riecht (S. 375) und als er sie „Kumpel“ nennt, trifft sie das sehr. (S. 377).
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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Interessant fand ich Stephens Bemerkung, „Cordelia hat die Tendenz, zu existieren.“ Das klingt so, als habe sie keine echte Persönlichkeit, als spiele sie jeder Zeit eine Rolle.
...das ist eine tolle Bemerkung von Stephen! Wenn man nur die Tendenz hat, etwas zu tun oder zu sein, tut oder ist man es ja (noch) nicht. Cordelia existiert noch nicht. Also ihr wahres ICH existiert noch nicht. Ihr habt sie öfter als „hohl“ bezeichnet. Das passt dazu.