5. Leseabschnitt: Kapitel XI. bis XIII. (Seite 211 bis 268)

Tsubame

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12. Juni 2024
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Schade, dass Adi Luisa mit so kritischem Blick begegnet.
Ich finde, Adi ist hart geworden - der Preis für die Selbstständigkeit und all die schwere Arbeit. Sie ist ja auch älter als ihre Tochter. Da hat sie nicht mehr die Kraft und wahrscheinlich auch keine Lust mehr, für jeden Empathie aufzubringen. Sie konzentriert sich auf ihren Enkel. Da ist sie weiterhin die Löwin.
 
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Reaktionen: Barbara62 und RuLeka

Leserose

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25. Juli 2022
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Leider hatte ich die letzten Tage keine Zeit zum Lesen und hinke mal wieder nach.

Zum Ende hat mich das Buch noch einmal richtig gepackt. Ich fand den letzten Teil sehr spannend. So wie sich Giada entwickelt hat, hat man zwar nie die Zuversicht verloren, dass sie wieder etwas findet, eine Arbeit, einen Lebenssinn. Aber Italien hat es den Rückkehrern nicht leicht gemacht. Sie hat sich seit ihrer Abreise sehr verändert, entwickelt, Selbstvertrauen gewonnen.
Der Unterschied zum letzten Abschnitt war schon sehr grass. Vom glamourösen Leben in Afrika - Party, Kartenspielen, Tanz... ins ländliche Italien. Auch hier ist die Zeit nicht stehen geblieben. Die Rückkehrer werden von den Zuhause gebliebenen nicht mit offenen Armen empfangen.
Adi hatte von ihrem Leben in Italien feste Vorstellungen, sie möchte auf dem Land leben, einen Bauernhof kaufen, Tiere anschaffen und Wein machen. Dort kommen sie an, aber Adi wirkt zuerst wie eine Kranke und kommt nur langsam in der neuen Wirklichkeit an. Schließlich findet sie zurück, um Pläne zu machen, Saatgut zu kaufen und neu zu beginnen.
Es sind Momente, ...., in denen Dinge zu Ende gehen. Sie verlöschen, werden zu Schatten, und es ist deine Aufgabe zuzulassen, dass sie verschwinden, denn wenn man Rauch bei den Ohren packen will, bleibt man mit albernen Handflächen zurück....
Dieses Afrika ist vorbei, es war nicht meins und auch nicht deins, es war da, aber jetzt gibt es das nicht mehr.... S.247

Für Giada ist am wichtigsten, dass Massi eine ordentliche Ausbildung bekommt. Sie unterstützt ihn sogar soweit, dass sie selbst nochmal Latein mit ihm lernt.
Als sie endlich eine Arbeit in einem Gasthaus findet, stürzt sie sich wieder voll hinein. Arbeitet mehr als sie müsste und man hat das Gefühl dabei, dass ihr die Arbeit viel Spaß macht.
Im letzten Teil kündigt sich Giacomo an und kommt tatsächlich wieder zurück. Alles zielt auf einen befriedigenden Schluss ab. Im großen R sieht die Familie ihre Zukunft und als Leser habe ich die Zuversicht, dass sie es schaffen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben beide geprägt und die Liebe scheint noch immer da zu sein.

Die Geschichten um Luisa haben mich jetzt nicht mehr so interessiert, das ist zu weit weg. Der Brief am Ende war für mich auch überflüssig.

Ihr habt ja alles schon gesagt, schwierig, wenn man nicht zeitgleich lesen kann. Mein fester Vorsatz für die nächste Leserunde.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Beeindruckend, wie Caminito stets aufs Neue bereits eingeführte Motive wieder stimmig aufgreift, um Zusammenhänge zu beleuchten.
Ja, absolut. Das sieht man wirklich selten, dass ein Autor so die Fäden in der Hand hält und es dann nicht überreizt.

Schade, dass Adi Luisa mit so kritischem Blick begegnet. Für Luisa ist nach dem Tod ihres Verlobten die Zeit stehen geblieben. Im Gegensatz zu Giada, die ein reiches Leben hatte, ist bei Luisa alles unverändert. Aber: Luisa ist eine treue Freundin, hat Giada vor der Tante beschützt, hat ihr immer geschrieben und Anteil am Auf und Ab ihres Lebens genommen, sie hat Achtung verdient.
Im Grunde eine Art Gegenüberstellung, wie das Leben gewesen wäre, wenn das große A nicht gelockt hätte - auch sichtbar in der Kleinlichkeit und Engstirnigkeit im Leben der Schwester.
Hier haben wir einen Gegenentwurf zu Giada. Und Luisa war kein Einzelfall. Es gab viele junge Frauen, die ihren Geliebten im Krieg verloren haben und danach niemanden mehr gefunden haben. Nicht nur, weil sie emotional so gebunden waren an den Verstorbenen, sondern schlicht und einfach weil es zu wenig Männer gab.
Genau. Der Horizont fehlt, die Umstände beschränken das Leben. Ich beobachte das

Allerdings ist auch das große A kein Garant für Glamour und Großzügigkeit, denn die Schwiegermutter und Schwägerin bleiben schwarze Fliegen und werden keine Schmetterlinge.
Lustig, dass dann auch noch das große R ins Spiel gebracht wird. Ich glaube, in diesen Zeiten brauchte man einen enormen Lebenswillen, um immer wieder neu anfangen zu können.
Das hat mir auch richtig gut gefallen. Aus dem großen A wird das große R - man braucht Visionen und Ziele.
Das sind die Drückeberger, die sich in Afrika einen faulen Lenz gemacht haben, während man selbst Italien wieder aufbauen mussten. Ich denke, so wird man das gesehen haben.
In der englischen Literatur sind das auch häufig die, die nicht ins heimische System passen, die lagerte man gern aus, weil sie über die Stränge schlugen...Wahrscheinlich schwingt so etwas hier auch mit: die, die den Platz an der Sonne hatten und nun nur wiederkommen, weil die Sonne so langsam untergeht. War das nicht auch im Text in Bezug auf das Verhältnis Giacomo und Giada?
Ich finde, Adi ist hart geworden - der Preis für die Selbstständigkeit und all die schwere Arbeit. Sie ist ja auch älter als ihre Tochter. Da hat sie nicht mehr die Kraft und wahrscheinlich auch keine Lust mehr, für jeden Empathie aufzubringen. Sie konzentriert sich auf ihren Enkel. Da ist sie weiterhin die Löwin.
Und Adi erschafft sich in Italien ihre eigene Kolonie, weit ab von anderen mit Selbstversorgung. Dann muss sie sich nicht mehr mit anderen abgeben.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Das Ende ist richtig stark, da werden so viele Kleinigkeiten noch einmal aufgenommen und eingebunden, das ist wirklich ein Roman der sehr gut über die Ziellinie gebracht wurde @Literaturhexle.

Was mir hier bei der Diskussion fehlt, ist die Auseinandersetzung mit Nicoles Brief ;) Ich glaube, den muss man sich in seiner Oberflächlichkeit und seiner Rastlosigkeit, die sich auch in den Ortswechseln spiegelt, genauer anschauen.

Und wer weiß, die Tatsache, dass er ausgerechnet aus dem anderen großen A kommt, hat bestimmt doch einen tieferen Sinn. Und dann steht das neue große A ja auch noch für Neokolonialismus - da ist also selbst in dem Brief noch einiges geboten! Aber wer war nochmal Jean-Luc? Einer der Tänzer?
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Und Adi erschafft sich in Italien ihre eigene Kolonie, weit ab von anderen mit Selbstversorgung. Dann muss sie sich nicht mehr mit anderen abgeben.
Diesen Rückzugsort als Kolonie zu bezeichnen, gefällt mir.
Was mir hier bei der Diskussion fehlt, ist die Auseinandersetzung mit Nicoles Brief

Und wer weiß, die Tatsache, dass er ausgerechnet aus dem anderen großen A kommt, hat bestimmt doch einen tieferen Sinn. Und dann steht das neue große A ja auch noch für Neokolonialismus
Dieser Roman bedürfte einer Zweitlektüre, so viele Aspekte sind erst auf den zweiten Blick verständlich.
 

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